9 · 𝐁𝐞𝐢 𝐌𝐢𝐭𝐭𝐞𝐫𝐧𝐚𝐜𝐡𝐭

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𝐄𝐈𝐆𝐄𝐍𝐓𝐋𝐈𝐂𝐇 sträubte sich in meinem Innern alles dagegen, nachts aus dem Gemeinschaftsraum zu schleichen und für Sirius Black eine Menge Ärger zu riskieren. Doch trotzdem kletterte ich, nachdem ich mir sicher war, dass alle anderen Mädchen schliefen, aus dem Bett, streifte mir einen Kapuzenpulli über und betrat wenig später die Kerker. Hier war es unheimlich kalt und ich bereute es sofort, nicht meine dicken Socken angezogen zu haben. Fröstelnd zog ich mir die Kapuze über mein Haar und rieb mir die eiskalten Hände.

Ich konnte mich gar nicht wirklich auf den Weg konzentrieren, da in meinem Kopf hauptsächlich ein Gedanke umherschwirrte: Dumme Idee. Ganz dumme Idee.

Es war wirklich eine unglaublich dumme Idee für ihn die Regeln zu brechen. Schon so oft hatte ich die Regeln gebrochen, doch sobald es für Sirius Black war, wendete sich das Blatt gewaltig. Ich betete dafür, dass ich von keinem Lehrer erwischt wurde. Eine weitere Strafarbeit mit Sirius war wirklich das Letzte, was ich gebrauchen konnte.

Ich lief gerade so leise ich konnte den letzten Gang im Nordflügel entlang, als ich ein Schniefen hörte. Vor Schreck zuckte ich zusammen, taumelte und rutschte auf dem glatten Boden fast aus, konnte mich aber noch rechtzeitig fangen. Zum Glück, ein Loch im Kopf hätte mir gerade noch gefehlt.

Vorsichtig lugte ich um die Ecke, um die Quelle des Geräusches ausfindig zu machen, doch im ersten Moment sah ich nichts als den vom Mondlicht erhellten Flur. Dann hörte ich es wieder, doch diesmal war es kein leises Schniefen, sondern ein Schluchzen. Es klang dumpf und unterdrückt, als versuchte jemand kläglich keine Laute zu machen.

Es kam aus dem Schatten neben einem großen Fenster, wo ich jetzt eine Silhouette ausmachen konnte. Langsam ging ich darauf zu, die Person schien mich noch nicht bemerkt zu haben. Nun, da ich nah genug war, konnte ich mehr als nur eine Silhouette erkennen. Zusammengekauert, den Kopf auf den angezogegenen Knien, die dunklen Haare hingen kraftlos hinunter.

„Severus", keuchte ich überrascht und er zuckte erschrocken zusammen.

Er sprang sofort auf, als er mich erkannte und entfernte sich ein Stück von mir. „Was machst du hier?", fauchte er wütend, doch seine Hände zitterten nervös.

„Was machst du hier?", gab ich die Frage vorsichtig zurück.

Es sah aus, als hätte ich ihn bei etwas Verbotenem erwischt. Severus presste die Lippen zusammen und sagte kein Wort. Im fahlen Mondlicht sah er aus wie ein Geist mit seiner blassen Haut, den langen schwarzen Haaren und den geröteten Augen.

Darauf bedacht ihn nicht noch mehr zu reizen, ging ich langsam einen Schritt auf ihn zu, als würde ich mich einem verängstigten Tier nähern.

„Willst du mir sagen, was los ist?", fragte ich sanft und legte eine Hand auf seinen Arm.

Zuerst wirkte er, als wollte er seinen Arm zurückziehen und mich anschreien, dann stoppte er in seiner Bewegung. Seine Lippe zitterte und sein Mund öffnete sich, als wollte er etwas sagen, doch kein Laut kam heraus.

Besorgt sah ich ihn an und wollte ihm sagen, dass er mir nichts erklären musste, als er plötzlich all seine Mauern fallen ließ und wieder auf dem Boden zusammensackte. Seine Schultern bebten und sein Schluchzen war noch lauter als vorhin, da er nun gar nicht erst versuchte, es zu verbergen.

Etwas überfordert sah ich auf ihn hinab, ehe ich mich neben ihn sinken ließ. Als ich einen Arm um seine zuckenden Schultern legte, ließ er seinen Kopf gegen meine Brust sinken und weinte in meinen Pullover hinein.

Severus wirkte wie ein kleiner, verletzter Junge und mein Herz zog sich zusammen, wenn ich ihn so zerbrochen sah.

„Schh", machte ich und strich ihm über den Rücken, als würde ich ein Baby beruhigen wollen. Es war ein seltsamer Moment, denn körperliche Nähe hatte es zwischen mir und Severus nie gegeben. Und von jetzt auf heute lag er schluchzend in meinen Armen.

„Es tut so weh", brachte er plötzlich hervor und wurde von weiteren Schluchzern geschüttelt. „So ..." Er brach ab.

„Was tut weh, Severus?", fragte ich behutsam und führte meine kreisenden Bewegungen auf seinem Rücken fort.

Er antwortete nicht und ich beließ es dabei, denn ich wollte ihn in seiner verletzlichen Form nicht drängen. Er war sonst immer der schlecht gelaunte, kalte Severus Snape, doch genau in diesem Moment war er nur eine einfacher, tief verletzter Schuljunge, der jemanden als Stütze brauchte. Ich wollte ihm diese Stütze sein.

Nach einer Weile schien er sich zu beruhigen, denn seine Schultern bebten nicht mehr und er wischte sich über die nassen Augen, als er sich aus meinen Armen löste. Ich sah ihm dabei zu, wie er seinen Kopf gegen die Wand lehnte und nach oben starrte, dabei tief ein - und ausatmete.

„Tut mir leid", flüsterte er mit kratziger Stimme und räusperte sich.

Ich schüttelte den Kopf. „Entschuldige dich nicht."

Er nickte nur, doch sah mich dabei nicht an. Es schien ihm unheimlich peinlich zu sein, mir seine Schwäche gezeigt zu haben. Verständlich, wenn man bedachte wer ich war, wer mein Bruder war und welchen Ruf wir hatten.

„Es ist nur ...", fing er plötzlich an, „Ich bin nur so wütend, weil ... weil ... ach verdammt." Er wischte sich über die Augen und atmete zitternd ein. „Vergiss es."

„Du kannst mit mir reden, Severus. Auch du darfst Gefühle zeigen, weißt du?"

Er sah mich einen Moment an, als würde er tatsächlich überlegen, mir seinen Schmerz anzuvertrauen, doch schließlich schüttelte er den Kopf, sodass dunkle Strähnen an seinen nassen Wangen hängen blieben.

„Nein, es ist nichts."

Ich seufzte und nickte. Ich fand es schade, dass er sich vor mir verschloss, doch ich nahm es ihm nicht übel. Als Tochter der Menschen, die den dunklen Lord gerade zu vergötterten, hatte man nicht gerade den Ruf als emotionale Seelsorgehelferin.

„Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich nicht verurteile. Du kannst mit mir reden, wann immer du willst, okay?" Ich stand auf und klopfte mir den Staub von den Kleidern. Mir fiel ein, dass ich extrem spät dran war. Es war auf jeden Fall schon nach Mitternacht.

Severus nickte und sah mich an. „Danke, Elle." Dann legte er den Kopf etwas schief, als er bemerkte, dass ich gehen wollte. „Was machst du eigentlich hier?"

Ich wurde rot, doch lächelte ihn an. „Sagst du nichts, sage ich nichts."
Das galt sowohl für das Nicht erwischt werden, als auch für sein Schweigen.

Severus schnaubte kurz schwach, aber belustigt und neigte den Kopf. „Dann mal viel Spaß bei deinem geheimen Vorhaben."

Ich fühlte mich nicht besonders wohl dabei, ihn alleine zurückzulassen, doch wahrscheinlich war es besser so. Ich vermutete, dass er sich über einige Dinge klar werden musste und seine Ruhe brauchte.

Mit einem letzten besorgten Blick auf Severus, setzte ich meinen Weg in die Dunkelheit fort.

*

𝐚𝐛𝐨𝐮𝐭 𝐛𝐨𝐚𝐬𝐭 & 𝐛𝐞𝐭𝐫𝐚𝐲𝐚𝐥 | 𝐑𝐮𝐦𝐭𝐫𝐞𝐢𝐛𝐞𝐫 Where stories live. Discover now