43 · 𝐙𝐰𝐞𝐢𝐟𝐞𝐥 𝐚𝐧 𝐬𝐢𝐜𝐡 𝐬𝐞𝐥𝐛𝐬𝐭

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𝐒𝐏𝐀𝐄𝐓𝐄𝐑 am Abend, als es draußen schon stockdunkel war, entfachte Rick in dem alten Kamin ein Feuer, das angenehme Wärme in dem kleinen Haus verströmte und zauberte einen Teller voller belegter Brote und eine Kanne dampfenden Tee mit zwei Tassen herbei. Wir setzten uns in die mottenzerfressenen Sessel vor dem Kamin und aßen schweigend, bis wir satt waren.

„Was ist das hier eigentlich für ein Ort? Woher kennst du ihn?", fragte ich in die Stille hinein, die nur gelegentlich durch das Knistern des Holzes durchbrochen wurde.

„Es ist das Haus meiner Urgroßeltern. Ich war nur ein Mal hier, als ich ganz klein war, doch ich hatte es wunderschön in Erinnerung und Rose meinte immer, dass sie selbst als Kind sehr gerne hier gewesen war. Wir hatten ewig geplant mal wieder herzukommen." Er schnaubte fast unhörbar. „Naja, wie man sieht, ging das schneller als erwartet."

Er starrte ins Feuer und seine attraktiven Gesichtszüge wurden von dem Licht der Flammen und den Schatten betont. Seine Narbe lag auf der anderen Seite, weshalb ich sie leider nicht sehen konnte. Ich betrachtete sie gerne.

„Es ist wirklich wunderschön hier", bestätigte ich und sah ebenfalls in den Kamin, „So schön friedlich und einsam."

Rick hob den Kopf und sah mir in die Augen. „Du kannst hier bleiben, bis du weißt, was du tun sollst."

Ich runzelte die Stirn. „Und was ist mit dir?", wollte ich wissen und nippte an meinem Tee. Rick zuckte mit den Schultern.

„Mal sehen. Nach Hause werde ich nicht gehen, aber hier bleibe ich auch nicht."

Ich nickte verständnisvoll. Natürlich wollte er nicht nach Hause, dort erinnerte ihn vermutlich alles an Rose. Ihr Geruch, ihre Möbel, ihre Deko. Es wäre eine Qual. Doch, was sprach gegen das Haus seiner Urgroßeltern? „Wieso möchtest du nicht hier bleiben?", fragte ich.

Er warf mir einen langen Blick zu und schien Worte zu suchen, eher er mir mit leise Stimme antwortete. „Ich denke ... mir wird es besser gehen, wenn ... wenn ich dich nicht mehr sehe."

„Oh." Meine Brust fühlte sich an, als hätte mir jemand heftig dagegen geboxt und ich riss meinen Blick von ihm los. „Ja ... ja, natürlich. Das verstehe ich", sagte ich kleinlaut. Ich würde mich auch nicht sehen wollen. Fröstelnd wickelte ich mich tiefer in die alte Wolldecke, obwohl es gar nicht mehr kalt im Haus war.

„Ich sage das nicht, um dich zu kränken, Ella ..."

„Schon gut. Wirklich."

Stille. Ich starrte in die Flammen und versuchte krampfhaft meine Augen daran zu hindern glasig zu werden. Wieso schaffte ich es nicht, Menschen, die ich gern hatte, in meinem Leben zu behalten? Wieso vermasselte ich es immer wieder? Was war nur falsch bei mir, dass es für mich praktisch unmöglich war, Beziehungen aufrecht zu erhalten und Vertrauen aufzubauen? Ich dachte dabei nicht nur an Rick, sondern auch an Sirius, Severus, Moira und Lucius. Und an meine Eltern. Sie alle hatte ich enttäuscht.

Vielleicht war ich dazu bestimmt alleine und von allen abgeschottet zu sein. Vielleicht verdiente ich nichts anderes. War das die Strafe für all das, was ich früher getan hatte? Für all die Schikanen, den Hass und den Ekel, den ich den Muggelstämmigen jahrelang entgegen gebracht hatte?

Nach einer Weile sagte Rick mir Gute Nacht und verschwand die Treppe hinauf zum Schlafzimmer. Morgen würde er sich verabschieden und vermutlich erstmal bei einem Freund unterkommen. Und ich? Keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte.
Ich würde wohl Ricks Angebot annehmen und für die nächste Zeit hier bleiben. Mutterseelenallein. So wie damals in der eiskalten Gasse, bevor Rick mich gefunden hatte.

Seufzend fuhr ich mir durch die Haare und stockte kurz, als ich mich daran erinnerte, dass sie jetzt nicht mehr lang und blond waren. Es war ein seltsames Gefühl, diese kurzen Haare.

Ich hatte angenommen erleichtert und beflügelt zu sein, wenn ich das Malfoy Markenzeichen los wurde, doch das Gegenteil war eingetreten. Ich fühlte mich dumpf und leer. Nun gehörte ich zu niemandem mehr dazu. Natürlich floss noch immer das Malfoy Blut durch meine Adern, doch das sah ja niemand. Mit den weißblonden Haaren, hatte man sofort erkannt, wer ich war und zu welcher Familie ich zählte. Jeder hatte sofort ein Bild von mir, wenn man meinen Namen hörte.

Von außen war ich nun ein Niemand. Ein verlorener Niemand. Und obwohl mir das vermutlich das Leben rettete, gefiel es mir nicht. Ich konnte nicht leugnen, dass mir mein altes Leben fehlte. Nicht wegen der Ansichten auf rein und unrein oder wegen der Angst, die die anderen vor mir hatten - sondern wegen des Gefühls der Geborgenheit. Geliebt zu werden. Einen sicheren Hafen zu haben, zu dem ich wann ich wollte zurückkehren konnte. Und ja, zugegeben - Mir hatte es gefallen mit Respekt behandelt zu werden.

Ich wollte es nicht einsehen, aber hin und wieder hatte ich angefangen, an meinen Entscheidungen zu zweifeln. War es wirklich das Richtige gewesen, meine Familie aufzugeben? Sie zu verurteilen, für etwas, von dem ich bis vor einem Jahr noch fest überzeugt war?

Genervt wischte ich mir über die Nase, während die Verzweiflung an mir nagte, wie ein halb verhungertes Tier. Warum konnte mein Leben nicht gerade laufen? Warum musste alles in einem Schlamassel enden?

Ich musste wohl in dem Sessel eingeschlafen sein, denn als ich die Augen öffnete, schien mattes Sonnenlicht durch die Fenster und das einst brennende Feuer war nur noch glühende Kohlen.

Ächzend streckte ich mich. Mir tat alles weh von meiner unbequemen Schlafposition. Als ich meinen steifen Nacken hin und her dehnte, stoppte ich, als ich einen Zettel auf Ricks Sessel liegen sah. Schnell beugte ich mich vor und las ihn.

Bin schon früh los, wollte dich nicht wecken. Ich schicke dir deinen Ersatzzauberstab, sobald ich bei meinem Freund bin.

Pass auf dich auf,

Rick

Sprachlos starrte ich ein paar Momente auf das vor mir liegende Blatt. Dass es kein herzlicher Abschied sein würde, war mir klar gewesen, doch dass er so kalt und unpersönlich ablaufen würde, hätte ich nicht erwartet. Ein wenig Enttäuschung flammte in mir auf und ich knüllte das Papier zusammen und warf es in den Kamin. Dort schrumpelte es rauchend in den heißen Kohlen zusammen.

*

𝐚𝐛𝐨𝐮𝐭 𝐛𝐨𝐚𝐬𝐭 & 𝐛𝐞𝐭𝐫𝐚𝐲𝐚𝐥 | 𝐑𝐮𝐦𝐭𝐫𝐞𝐢𝐛𝐞𝐫 Where stories live. Discover now