Kapitel 39

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Kawiss

Es war Zeit. Ich war außerhalb der Mauern- weiter auf der Suche nach meinem lange verschwundenen Freund Altaïr.
Mit meinen Mächten konnte ich seine Spuren verfolgen. Ich erinnerte mich an seinen Geruch: so streng und doch so sanft. Ein wenig nussig und ein wenig verschwitzt. Wie eine Mischung aus Natur und Mensch. Wie Gras und Schweißperlen, die in glänzenden Tropfen auf seiner Stirn hinunter flossen.
Ich erinnerte mich an diesen Anblick. Ich konnte ihn quasi vor mir sehen, mit rasendem Herzen und schwerem Atem, wie er mir in die Augen sah und süß zu mir hinauf lächelte. Dieses Lächeln würde ich nie vergessen. Seit über 10 Jahren verging kein Tag, an dem ich nicht an sein Gesicht dachte. Und kein mal vermisste ich es nicht, ihn im Arm zu halten und mein eigen zu nennen.
Seit Zehn Jahren stapfe ich schon durch die Welt und verfolge seinen Geruch, dem ich aber nie ganz auf die Spur kam, die immer im Meer endete. Ich wusste, dass er noch lebte. Ich sah es daran, dass die Spuren immer frisch waren und nie weit entfernt. Jedoch wusste ich nicht, wo zum Geier er stecken sollte. Und warum kam er nicht zu mir zurück?
So sehr ich nicht daran denken wollte, dass seine Liebe für mich nicht mehr da war, so wollte ich dennoch wissen, was das sollte. Was war es, das ihn von mir entfernt hielt? Es gab kein Anzeichen dafür, dass die Löwen ihn geschnappt hatten. Sonst würde er nie ins Wasser gehen. Die Löwen hassten Wasser, so viel konnt ich sagen. Und zu meinem Bedauern hassten auch die Tiger das Wasser.
Ständig wollte ich in dieses kalte Nass steigen, um Altaïr's Fährte aufzuspüren, doch konnte es nicht. Meine Angst vor dem Wasser war riesig, doch Anfangs war ich so mutig, mich ihr zu stellen. Dies ging dann aber nicht lange gut, denn höchstens nach 10 Minuten bekam ich immer und immer und immer wieder dieses grässliche Gefühl von Panik und musste wieder raus. So sehr ich es auch bereute, aber ich konnte nicht länger. Meine Panik war einfach stärker und für soetwas musste ich unter Wasser riechen können, was absolut unmöglich für einen Tiger war! Ich musste also die Spuren an Land verfolgen, die immer weit von mir entfernt waren. Ich hatte darüber nachgedacht, die Wölfe hinzu zu holen, um eine bessere Chance zu haben, ihn zu finden. Doch ich konnte sie nicht um noch einen Gefallen bitten. Ich hatte nichts, was ich ihnen als Gegenleistung bieten konnte.
Oft wollte Levi mir helfen, doch er konnte mir wenig nützen, ohne so eine gute Nase, wie ich sie hatte.

Nun stand ich hier wieder. Das Wasser lag direkt vor mir. Der Geruch endete hier. Und er war drei Tage alt. Er musste noch im Wasser sein, denn ein paar Kilometer weiter weg roch ich fünf Stunden alten Geruch von ihm im Wasser. Er war mir nah. Hätte ich doch nur die Möglichkeit gehabt, dorthin zu gehen. Doch nein. Selbst mit Boot hätte ich es nicht geschafft. Er war einfach zu schnell weg. Es war so, als würde er vor mir fliehen. Doch warum nur? Warum floh er, wenn er mich geliebt hatte?

"Du suchst immernoch nach ihm hm?"
Ich drehte meinen Kopf in die Richtung, aus der diese Stimme gekommen war. Ich sah daraufhin in Levis Augen und war überrascht, ihn zu sehen.
"Was machst du hier?" Fragte ich.
"Nach dir suchen. Du warst plötzlich weg und keiner weiß, wohin du gegangen bist. Also suche ich nach dir." War seine einzige Antwort und er stellte sich neben mich und schaute ebenfalls aufs Meer.
"Er ist da draußen, richtig?" Fragte er. Ich nickte stumm und schaute in die Ferne.
"Es ist komisch, Levi... ich spüre, dass er da ist. Das habe ich schon sooo oft. Und ich spüre auch, dass er mich sieht, aber er kommt nicht zu mir. Was hat das nur zu bedeuten...? Ich dachte, er liebt mich."
Levi legte mir die Hand auf die Schulter und schaute weiterhin zum Meer.
"Und das tut er doch auch. Glaub es mir. So wie er dich angesehen hat, es gab nie einen besseren für ihn. Du warst sein ein und alles. Und das ist nichtmal übertrieben. Du warst alles, was er liebte." Sprach er. Mir lief kurz eine Träne an der Wange hinunter.
"Aber warum haut er dann ständig ab, wenn er in meiner Nähe ist? Was hab ich denn falsch gemacht?" Jammerte ich. Schon jetzt merkte ich, wie absolut wiederlich ich war. Ich jammerte einfach meinen Bruder voll, der einiges besser hatte als ich. Und ich Vollidiot wagte es, ihm diese gute Stimmung zu versauen?!
Schnell wischte ich die Träne weg.
"Tut mir leid... ich wollte dich nicht zuheulen." Murmelte ich.
"Kawiss..." Sagte Levi und drehte mich in seine Richtung, um mich in den Arm zu nehmen.
"Es ist alles in Ordnung. Du musst dich nicht entschuldigen. Zu mir kannst du sprechen. Das weißt du doch."
Berührt hakte ich mich an seine Schulter und drückte ihn fest an mich.
"Ich will einfach nicht schwach sein... und ich will ihn zurück." Sagte ich traurig und mir kamen schon wieder die Tränen.
Levi striff mir durch mein Haar.
"Ist ja gut. Ich kann dir helfen. Jetzt endlich... nach all den Jahren, in denen ich nutzlos war." Sagte er. Erschrocken lößte ich mich und sah ihn an.
"Du... würdest mir helfen? Wie?" Fragte ich und schaute ihm erwartungsvoll in die Augen. Levi sah zu Engel, der aus seinen Schultern kam. Engel lächelte zu mir.
"Ich und Monster können uns verwandeln. Wir können zu allem werden, was es gibt. Ich könnte dir eine Brücke errichten, mit der du zu ihm gehen kannst." Sagte er. Mein Gesicht erhellte sich und ich nickte mit Tränen in den Augen. Engel nahm mich bei der Hand und ging mit mir zum Wasser. Vor meinen Füßen bildete er eine kleine Plattform, auf die ich treten konnte.
"Und keine Angst: wenn du fallen solltest, kann ich dich auffangen." Sagte die goldene Plattform.
"Ich danke dir, Engel." Sagte ich und stieg langsam auf ihn drauf. Etwas nervös schaute ich zu Levi, welcher am Ufer stand und mich anlächelte.
"Geh und hole, was dein ist." Sagte er.
Ermutigt ging ich weiter. Engel formte immer wieder neue Plattformen, mit jedem Schritt, den ich setzte und schon bald stand ich dort, wo die Spur aufhörte. Ich roch, dass diese vielleicht drei Minuten alt waren und schaute mich um. Ein paar Kilometer weiter entfernt sah ich einen Felsen, der im Wasser war. Hinter diesem sah ich eine Hand verschwinden und spürte die Wärme durch das Blut, das durch diesen Arm floss. Es war eine einzelne Person. Groß, männlich und roch genauso wie Altaïr. Er war es. Das spürte ich. Endlich konnte ich ein Lebenszeichen von ihm sehen.
"Altaïr?!" Rief ich zu ihm. Ich hörte sein schweres Atmen, als Bestätigung, dass er es war. Ich verspürte das Gefühl von Freude, doch gleichzeitig hatte ich Angst. Genau dasselbe, was auch er verspürte.
"Altaïr! Bist du das?" Rief ich, um nochmal eine Bestätigung zu bekommen.
"Ka- Kawiss... bitte geh! Ich bitte dich..." Rief er. Mir liefen Tränen die Wange hinunter und ich musste mich auf mein Knie fallen lassen.
"Warum? Warum läufst du vor mir weg? Weswegen soll ich mich von dir fernhalten?! Was ist denn nur los?" Rief ich. Altaïr schien völlig verängstigt, als wäre er verletzt. Ich konnte aber kein Blut riechen. Er versteckte sich weiter hinter diesem Felsen und begann zu schluchzen.
"Kawiss! Bitte!! Bitte geh weg! Ich will dir nicht wehtun! Bitte!" Rief er verzweifelt. Nun brachte ich keinen Atem mehr zustande. Mir wehtun?
"Aber warum mir wehtun? Was ist mit dir passiert? Ich suche seit zehn Jahren nach dir. Und immer wieder läufst du weg! Weswegen nur? Was ist passiert? Bitte sag es mir!"
Wieder hörte ich ihn schluchzen. Ich hätte vielleicht einfach näher ran gehen sollen, doch dann wäre Altaïr sicher weg gelaufen.
"Sie wollen dich töten! Sie haben mich, Kawiss! Ich konnte nichts tun!" Rief er schließlich und ich roch seine Tränen, die langsam ins Wasser kullerten.
"Wer denn?! Redest du etwa von den Löwen?" Fragte ich.
"Ja! Sie haben mich! Ich... ich bin einer von ihnen!"
Mein Atem stockte. Altaïr ein Löwe?!
"Was...?!" Ich wollte schreien, doch aus meinen Lungen kam kein Ton heraus. Mein Altaïr sollte einer von ihnen sein? Das glaubte ich nicht! Das wollte ich nicht glauben!
"Wer war das?! Wer hat dir das angetan?!!!!!!!!" Rief ich nun lauter und schaute wütend zu ihm.
"Es war Ligon! Er ist dein Feind! Er wird dich umbringen..." Ich hörte nun leises weinen und Schluchzen und er wischte sich die Tränen weg.
"Ich kann nicht zu dir zurück... das geht einfach nicht... ich will so gerne aber... aber ich kann nicht! Ich werde dich verletzen! Ich habe dich verletzt! Bitte, Schatz! Halt dich fern! AAAAH!" Schrie er plötzlich und ich sprang auf.
"Altaïr?! Was ist!! Was hast du??" Rief ich. Altaïr stöhnte schmerzhaft und wimmerte.
"Das war Ligon... er will, dass die Tiger übermorgen zum größten Baum auf der Wiese der Füchse gehen! Sie wollen den Krieg... sonst werde ich getötet..." Weinte er bitterlich und schwamm davon.
"Altaïr!! Nein warte!!!" Schrie ich, doch es war zu spät. Er war bereits weg. Ich ließ mich auf Engel fallen und weinte nurnoch. Wie nur sollte ich es schaffen, nicht danach zu streben, ihn zu holen? Ich wusste, ein von Ligon erschaffener Löwe kann man nur durch einen Weg retten: ihn zum Tiger machen. Doch dies war viel zu riskant. Allein aus dem Grund, dass wir uns gegenseitig ohne zu zögern zerfetzen würden. Ligon war der König aller Löwen. So weit ich sehen konnte, war er der einzige, der Altaïr und mich töten konnte. Er hatte diegleiche Macht, wie ich.
○Zum größten Baum auf der Wiese der Füchse?○
Fragte ich mich plötzlich. Die Löwen wollten den Krieg... das bedeutete etwas. Das bedeutete Rache. Ligon wollte die Tiger töten. Er wollte mich töten.

Die Tiger würden in den Krieg ziehen müssen, um Altaïr zu retten. Denn würde er sterben, würde auch ich zusammen brechen und die Hardcliff würde auseinander fallen.
Dies bedeutete dann aber, dass alle Tiger von zu Hause weg gehen mussten. Das bedeutete, dass Levi Erwin für den Krieg ein paar Tage verlassen musste. Das bedeutete, dass die vierzig Tiger mitgehen- und die Menschheit zurück lassen mussten.
Ich spürte in meiner Brust, dass Altaïr Angst hatte. Und wenn er es hatte, dann musste ich das auch haben.

Lost in the eyes of the devil- Eruri Fanfiction by RockosticWhere stories live. Discover now