Kapitel 49

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Ein paar Tage später

Historia

Wir standen am Tor der Mauern und warteten geduldig, bis dieses aufgehen würde. Ich hatte meine Sachen in dem kleinen Koffer, den Levi in der Hosentasche behielt. Es hört sich verrückt an, dass meine Sachen in so einem kleinen Koffer waren, doch ich lüge nicht! Ich hatte all meine Kleider, meine normale Alltagskleidung und meine Schuhe, Unterhosen, Strümpfe, Bücher und was ich sonst noch alles im Palast gestaut hatte in einen winzigen Koffer rein bekommen, der so groß war, dass Levi ihn einfach in die Hosentsche stecken konnte. Dieser kleine Reisekoffer war ein Geburtstagsgeschenk von Kawiss gewesen, das er Levi an seinem 26. Geburtstag gemacht hatte. Levi hatte erzählt, dass er damit aus der Hardcliff gegangen ist, um hinter den Mauer dem Aufklärungstrupp beizutreten. In diesen Koffer konnte wirklich alles hinein. Auch Levis, Ymirs, Erwins und Ragonas Sachen waren darin verstaut. Auf dem Rücken trug Levi eine Landkarte. Er stand neben Ragona und Erwin und ich stand neben Ymir, deren Hand ich hielt, so wie Ragona es bei Levi tat. Ich war ganz schön aufgeregt, denn ich würde das erste Mal hinter die Mauern gehen. Ständig stellte ich Levi und Erwin Fragen, wie: "Was gibt es da hinter den Mauern", "Ist es gefährlich, da raus zu gehen?", "Wie sollen wir vorgehen?", "Kann ich etwas falsch machen...?" Ymir hatte mich schon ausgelacht, weil ich mir so viele Sorgen machte und sagte, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte und dass sie mich beschützte. Ich wollte es nicht zugeben, aber ich war erleichtert, dass sie da war.
Langsam hörte ich, wie sich das Tor quietschend öffnete.
"Oh Gott... es geht los..." Murmelte ich und krallte mich in Ymirs Hand.
"Entspann dich, mein Engel." Lächelte sie und küsste meine Handfläche.
"Aber... wir gehen gleich da raus... und dann gehen wir in die Hardcliff... ich war noch nie da... was wird da wohl sein?!" Rief ich aufgeregt und begann leicht mit den Hacken zu hüpfen.
"Die Hardcliff wird doch wohl nicht so besonders sein. Oder, Levi?" Fragte Ymir und schaute zu Levi hinüber.
"Doch. Das ist sie." Sagte Levi kalt und schaute über die Schulter.
"Die Hardcliff war jahrhunderte lang unsere Heimat. Sie wurde von uns allen errichtet und was genau erwartest du von hochintellegenten Tigern, wenn sie sich ein Zuhause bauen?"
"Hey hey beruhig dich mal! Ich wollte ja nur fragen." Knurrte Ymir mürrisch und sah zur Seite.
Ich sah zu Boden und dachte nach. Ich sollte es nicht fragen. Nicht jetzt... aber wenn nicht jetzt... wann dann? Ich entschied mich doch, es ihn zu fragen: "Levi...?" Er drehte sich um und sah mich an.
"Was denn?" Fragte er mit trüben Gesicht, wie es nun für ihn üblich war. Dennoch erschrak ich und wurde leicht eingeschüchtert.
"W- was passiert jetzt mit Kawiss...? Und Altaïr? Werden sie bei den Tigern beerdigt?" Fragte ich. Levi schniefte und sah zu Boden.
"Bei uns schreibt jeder vor seinem Tod einen Abschiedsbrief, den er in seinem Haus hinterlässt. Darauf steht, was er sich von dem Rest der Tiger wünschen würde und wie sein Totengedenken stattfinden soll. Wir sind nicht so selbstsüchtig und traditionell wie Menschen. Bei uns bekommt jeder Tote das, was er in diesen Brief schreibt. Man darf ihn aber erst nach dem Tod der betroffenen Person öffnen. Deswegen weiß ich nicht, was drin steht. Und deswegen gehen wir zurück in seinen Zwinger." Antwortete er dann. Nun verstand ich. Deswegen also wurde Kawiss noch nicht begraben.
"Und was ist mit Altaïr? Der war doch so lange weg? Gibt es von ihm auch so einen Brief?" Fragte dann Ymir, die anscheinend genauso interessiert war wie ich.
"Der liegt in Kawiss' Schreibtischschublade. Kawiss wollte ihn nie öffnen, da Altaïr nie gestorben war, auch wenn wir das irgendwann alle glaubten. Meiner ist sogar auch da drinnen."
"Deiner?" fragte Erwin, "Warum hat er deinen Abschiedsbrief in seiner Schublade?"
"Weil die Tiger dachten, dass ich tot war, schon vergessen? Er hat ihn vor den Tigern versteckt, damit diese ihn nicht öffnen." Antwortete Levi daraufhin.
"Achso... Ähm... wie sollen wir überhaupt in die Hardcliff zurück kehren können?" Fragte nun Erwin. Dies war wirklich eine interessante Frage, die ich mir auch schon gestellt hatte. Wir ritten nicht auf Pferden, so wie der Rest des Erkundungstrupps. Wie wollten wir also vorgehen? Zu Fuß?
"Engel und Monster können sich in beliebige Dinge verwandeln, wenn sie wollen oder wenn ich will. Sie verwandeln sich in etwas räumliches, mit Dach und Wänden und wenn möglich sogar rund um geschützt. Natürlich mit Atemwegen. Vielleicht noch eine Couch oder sowas hinein, damit es nicht wehtut." Sagte dann Levi.
"Währe es nicht viel einfacher, wenn sie sich in Pferde verwandeln?" Fragte Ymir und sah Levi skeptisch an.
"Auf Pferden kann man nicht übernachten, wenn es nötig ist. Und außerdem brauchen die viel zu lange, bis sie in der Hardcliff angekommen sind. Mit meinem Planwagen sind wir dann ganz schnell da. Vielleicht sogar noch bevor Kawiss und Altaïr verwesen."
Ragona sank den Kopf runter und nahm Levis Hand. Sie sah aus, als würde sie gleich weinen. Levi lehnte sich runter, als er das merkte und küsste sanft ihre Hand.
"Tut mir leid, Kleines." Sagte er leise. Auch ich sank den Kopf. Wie die Leichen von Kawiss und Altaïr aussehen mussten, wollte ich mir gar nicht vorstellen. Es musste grausam aussehen.
Das Tor war unten und einer nach dem Anderen rannte hinaus. Es dauerte eine Weile, bis wir auch in Bewegung kamen, doch als es dann passierte, mussten wir sofort rennen, da die hinter uns und vor uns dies genauso taten. Aus dieser kleinen Öffnung heraus gekommen liefen alle in verschiedene Richtungen. Als mir der frische Wind ins Gesicht peitschte, ergriff mich ein Gefühl von Freiheit, was mich dazu brachte, schneller zu werden. Ich lief gerade aus, statt Levi und Erwin nach.
"Ragona!! Bleib hier!!" Schrie Levi plötzlich hinter mir. Erst jetzt bemerkte ich, dass Ragona neben mir lief, doch dann blieb sie stehen und ich lief alleine weiter.
"Historia!!! Komm zurück!" Plötzlich ertönte Ymirs Stimme hinter mir und ich schreckte zusammen. Sofort blieb ich stehen und schaute hinter mich. Levi und Ymir winkten mich zu sich. Ich erschrak erneut. Was hatte mich dazu gebracht, einfach weiter zu laufen?
Sofort lief ich zurück und blieb vor Levi, Erwin, Ymir und Ragona stehen.
"Tut mir leid. Aber da..." Ich wollte erklären, wieso ich fort gelaufen war, doch Levi schnitt mir das Wort ab:
"Dieses Gefühl musst du unter Kontrolle behalten. Bevor wir nicht alle zusammen dort hingehen, musst du bei uns bleiben." Ich sah zu Boden und nickte.
"Tut mir leid." Murrte ich.
"Hey!!! Ihr wollt doch nicht gehen, ohne euch zu verabschieden?!!"
Ich sah wieder nach oben und erblickte Eren und die anderen vom Aufklärungstrupp.
"Was machen die denn hier?!" Knurrte Ymir neben mir.
Die anderen kamen an, um sich von Erwin und Levi zu verabschieden. Jeder gab ihnen eine Umarmung. Eren aber gab nur Erwin eine ganz kurze und sah Levi dann in die Augen. Es war schwer, aus Levis kaltem Blick eine Emotion zuerkennen, doch ich meinte zu erkennen, dass beide sich ein wenig angeekelt anschauten. In Levis Gesicht konnte ich sogar einen Hauch Hass erkennen und bei Eren ein bisschen von Angst.
"So... in ein paar Minuten werden wir uns also nie wieder sehen?" Fragte Eren dann. Levi nickte stumpf.
"Ok... ich will nichts sagen, was mich in Schwierigkeiten oder sowas bringt... aber ich werd dich vermissen."
Levi sank den Blick ein bisschen und fragte dann: "Was wirst du vermissen?"
"Na ja... war ne schöne Zeit mit dir. Du warst irgendwie sympathischer, nachdem ich mit Armin zusammen gekommen bin. Ach und... ich wollte mich noch entschuldigen. Dass ich dich betrogen habe war scheiße... ich weiß das jetzt. Tut mir leid." Ich schaute erwartungsvoll zu Levi hoch und hoffte, dass er die Entschuldigung annimmt. Levis Blick wurde ein wenig finsterer und er schien ihm nicht zu trauen.
"Das kommt ganz schön spät." Raunte er kalt.
"Ich weiß... es hätte mir früher auffallen müssen. Aber seit ich Armin habe ist mir aufgefallen, wie sehr ich im Unrecht lag. Das alles und dass ich Kawiss töten wollte war falsch. Ich schwöre, ich werde mich ändern." Eren hob den Arm, als Anbietung für eine Umarmung.
"Nimmst du an?" Fragte er vorsichtig. Levi sah weiter herablassend auf Eren hinunter und schien zuerst nicht anzunehmen. Er sah genervt aus und sah zur Seite. Parallel dazu hob er den Arm, als Zeichen, dass er die Entschuldigung annahm. Lächelnd ging Eren in Levis Arme und umarmte ihn fest.
"Machs gut, Levi." Murmelte Eren in Levis Kleidung.
"Machs besser, Eren." Sagte Levi und ließ ihn dann los. Eren lächelte zufrieden und ging wieder von ihm ab. Nun kam Armin zu ihm.
"Bekomme ich auch eine Umarmung...?" Fragte er zurückhaltend und sah zu Levi. Dieses Mal musste Levi nicht lange nachdenken und nahm Armin in den Arm. Lächelnd drückte Armin sich an seine Brust und schlung die Arme um ihn. Ich musste lächelnd bei diesem Anblick. Es sah fast so aus, wie ein Vater der seinen Sohn umarmt.
"Werdet glücklich... du und Eren." Flüsterte Levi sanft.
"Vielen Dank! Werde du glücklich mit Erwin." Lächelte Armin und ließ wieder los.
"Danke." Sagte Levi und wandt sich ab.
Lächelnd ging ich zu Ymir und holte mir einen Kuss ab.

Erwin

Ich hatte beobachtet, wie sich Eren bei Levi entschuldigt hatte und war glücklich. Glücklich darüber, dass Eren seine Fehler erkannt hatte und dass Levi jetzt mit einer Sache wenigstens ein bisschen abschließen konnte. Lächelnd ging ich zu ihm und umarmte ihn von hinten.
"Er hat sich verändert, oder?" Fragte ich. Ich merkte gleich, dass sich Levis Gesichtsausdruck wandelte und er sah zu mir hinter.
"Ja. Kann sein. Aber ich könnte ihm das niemals richtig verzeihen. Es hat zu sehr wehgetan." Sagte dann Levi und sah nach unten. Ich legte meine Hand auf seine Brust und drückte ihn an mich.
"Hey... nicht dran denken. Du hast jetzt mich." Lächelte ich sanft. In meinem Inneren machte sich ein komisches Gefühl breit. Plötzlich wollte ich nicht mehr in Levis Nähe sein und fühlte mich traurig.
Levi nahm meine Hand.
"Alles in Ordnung?" Fragte er. Ich nickte leicht schmunzelnd.
"Ja. Alles bestens." Kommentierte ich und ließ ihn wieder los. Nachdenklich und mit schwerer Brust ging ich ein paar Schritte weg und fragte mich wirklich, was mit mir los war. Ich hatte dieses Gefühl noch nie gespürt. Komischerweise war es jetzt da, wo Eren Levi umarmt hatte und Levi sich an ihre Zeit erinnert hatte. Genau beschreiben konnte ich es nicht. Auf eine merkwürdige Weise wollte ich Levi in den Arsch treten und ihm zeigen, zu wem er gehört, so wie er es einst mit mir gemacht hatte. War es etwa... Eifersucht? Ich war eifersüchtig auf Eren?! Dem Jungen, der Levi das Herz gebrochen hatte?? Das war ja absurd! Wie konnte ich, wenn ich wusste, dass Levi ihn nicht liebte? Oder tat er es etwa noch...?
"Wir können los!" Rief Levi plötzlich hinter mir. Ich drehte mich erschrocken um und sah eine riesige Maschine auf Rädern vor mir. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie die dahin gekommen ist. Wahrscheinlich war ich zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt. Es sah aus wie eine Kutsche, aber auch anders. Es war aus Monsters Staub gemacht und glänzte von innen goldend aus dem Staub von Engel.
"Toll! Aber was soll das ziehen?" Fragte Historia. Ragona kicherte.
"Das wird nicht gezogen. Das fährt von selbst. Und so wie ich das richtig sehe, braucht es sogar kein Benzin." Lächelte sie und sah zu Levi. Dieser machte eine Tür auf und hielt sie offen.
"Setzt euch rein. Drei hinten und zwei vorne." Sagte er. Ragona sah zu Ymir und Historia, welche nickten und zu mir sahen.
"Möchtest du vorne sitzen?" Fragte Ragona mich mit ihrer lieblichen Kinderstimme und lächelte mich leicht an.
"Wenn einer von euch vorne sitzen will, dann geht ruhig." Sagte ich respektvoll, doch wusste innerlich, dass Levi ebenfalls vorne sitzen würde und ich mich hinten schlechter mit ihm unterhalten konnte. Innerlich wollte ich lieber vorne sitzen, aber es war mir auch recht hinten zu sitzen.
"Nein nein! Wir wollen hinten sitzen." Lächelte Historia dann.
"Macht endlich!! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!!" Rief Levi. Man konnte fast schon sehen, wie genervt er war. Sofort sprangen die drei Mädchen in den Wagen und ich setzte mich nach vorne. Der Sitz drückte sich nach unten, als ich mich darauf setzte. So weich war er. Es war wirklich so, als würde ich mich auf eine Couch setzen. Levi setzte sich neben mich.
"Fahr los, Monster." Sagte er stumpf und wir hörten nichts mehr als ein "Okie Dokie!" von draußen und der Wagen fuhr mit rasender Geschwindigkeit los. Ich musste mich festhalten und bekam Angst. Hinter mir schrie Historia sogar.
"MACH DAS DING LANGSAMER!!!" Rief ich panisch und krallte mich an Levis Schulter fest.
"Er fährt doch grad mal 100 km/h!!" Rief Levi genervt.
"LANGSAMER!! LANGSAMER BITTE!!!" Schrie Historia hinter uns. Ymir lachte währenddessen und schien eine Menge Spaß zu haben. Ragona und Levi saßen ganz entspannt dort.
Levi knurrte ein "Langsamer, Monster. Mach die Hälfte." Und der Wagen fuhr langsamer. Etwas entspannter lehnte ich mich in den weichen Sitz zurück und ließ Levis Schulter los.
"Fährst du immer so schnell?!" Knurrte ich gestresst und antmete durch.
"Normalerweise das doppelte." Schnurrte er.
"Was?!"
"Komm, Erwin! Im Bett wirst du genauso schnell hin und her geschleudert, was stört es dich hier?!"
"Wirst du wohl still sein?!!!!" Rief ich schockiert und hielt ihm die Hand vor den Mund. Als ich Ymirs höllnisches Gelächter hörte, überfuhr mich ein Schamgefühl. Gott war das peinlich...

Lost in the eyes of the devil- Eruri Fanfiction by RockosticWhere stories live. Discover now