Kapitel 10

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Levi

Ich seufzte und verfluchte mich innerlich selbst. Ich habe meine Hand ganz sicher nicht freiwillig gehoben! Das war allein die Schuld von Matoss! Er wollte wohl, dass ich und Erwin ein Zimmer teilten. Er sah uns beide schon so komisch an, als wir das Gebäude betraten. Er hatte diesen Blick zuletzt, als er Kawiss und seinen Geliebten miteinander versöhnte, nachdem es unter ihnen mächtig gekracht hatte. Durch ihn gab es in derselben Nacht ein Stöhnen und Keuchen dass die Wände zitterten.
○Ohhh nein.○

"Es ist doch kein Problem für euch? Wenn doch, könnte einer auch in meinem Zimmer übernachten. Ich schlafe gerne unter freiem Himmel." Fügte Matoss ein.
Ich sah ihn mahnend an, mit dem Blick, der Eren so verstört hatte, in der Hoffnung, es würde diesmal auch klappen. Er aber sah nur mit demselben Blick zurück und lächelte dabei. Dumm von mir. Ein Tiger, der aus Bedingungen, wie ich kam, konnte keinen vollblütigen Tiger mit diesem Blick überrumpeln. Dies klappte bei mir selbst als Bruder unseres Anführers nur bei meinen ursprünglichen Gleichgesinnten: Den Menschen. Ich musste mich gegen ihn geschlagen geben und Matoss den Sieg zuschieben.
"Für mich ist es kein Problem." Sagte ich noch immer mit einer leichten Prise Hass in der Stimme. Diesen meinte ich natürlich nicht ernst, doch ich zeigte dennoch, dass ich dies nicht entgegennahm, ohne es ihm auch nur ein bisschen übel zu nehmen. "Wie steht's mit dir?" Fragte ich nun Erwin, ganz klar wissend, woe er antworten würde. Natürlich war es kein Problem für mich. Sofern ich nicht in Erwin verknallt gewesen wäre!!! Was dachte sich Matoss dabei, uns beide zu verkuppeln?!
"Nein. Für mich auch nicht." Antwortete Erwin nun beinahe sofort und schaute mir mit einem leichten Grinsen entgegen, welches ich nicht erwiderte.
"Ssssuper!" Matoss hüpfte hinüber zur Rezeption und holte den Schlüssel für unser Zimmer.
"Du weißt ja noch, wie das geht, oder?" Fragte er mich und hielt mir den Schlüssel entgegen. Es war natürlich kein gewöhnlicher Schlüssel, sondern einer, der extra Schutz vor gefährlichen Gegnern gewährte. Ein Schloss, das mit so einem Schlüssel betätigt wurde, war unmöglich zu knacken. Denn auch mit Schlüssel war es nur einem Tiger möglich, dieses zu öffnen.
"Glaubst du, die Dummheit der Menschen hätte auf mich abgefärbt?!" Fragte ich beleidigt und nahm ihm mit eisigem Blick den Schlüssel ab.
"Nein... eh..." ich hörte Matoss gar nicht mehr zu und wandte mich ab.
"Komm, Erwin. Du willst doch nicht in Matoss' Höhle schlafen." Sagte ich ihm und zog ihn am Handgelenk hinter mir her, sein überraschtes Gesicht ignorierend und ihn zu unserem Zimmer führend, dessen Schlüssel ich hinaus holte und ihn für das Einstecken in das Schlüsselloch vorbereitete. Erst steckte ich ihn ins Schloss, wärmte ihn dann für 5 Sekunden in meiner Hand und hauchte dann meinen Atem darauf. Und schon öffnete sich die Tür und ich hielt sie für Erwin offen.
"Nach dir."
Erwin trat gespannt ein und sah sich mit großen Augen im Zimmer um. Natürlich war er sehr erstaunt von allem, denn es war ja so viel moderner als in den Hotels hinter den Mauern. Die Duschen zum Beispiel waren mitten im Raum und nicht in einer Hütte, wo jeder hineinkommen konnte und die Betten waren aus feinerem Stoff gemacht, als man es gewohnt war. Die Lampen funktionierten zudem nicht mit Feuer, sondern Energie, die nur ein Tiger aufbringen konnte.

"Wooow." Murmelte Erwin erstaunt. Ich schloss hinter uns die Tür und setze mich in einen Sitzsack, wobei Erwin mich beobachtete. Dann sah er sich weiter im Zimmer um. Er sah die Bilder an den Wänden an, welche wie neben vielen anderen Bildern, die von der schönsten Seite der Natur stammten, ein Bild von Kawiss beinhalteten. Er musterte ihn genaustens und sah sich die Farben seines Gesichtes und seiner tief blauen Augen an.
"Sieht ganz anders mit Farbe aus, was?" Fragte ich ihn auf meine Zeichnung beziehend. Er schnaubte zustimmend ein Lachen und sah sich auf dem Bild um.
"Hängt dieses Bild in jedem Zimmer? Ich habe es unten im Flur schon bemerkt." Fragte er mit großen Augen, wie eine überraschte Katze.
"Nicht ganz. Er ist auf fast jedem Bild zu sehen. Auf den meisten aber unauffällig. Er schaut immer in deine Augen. Egal ob du ihn gleich erkennst, oder nicht." Antwortete ich.
"Also, ist er jetzt auf jedem Bild zu erkennen? Auch auf dem da?" Fragte er und deutete auf ein Bild, auf dem nichts weiter, als ein großer, pelziger, wenn auch ungewöhnlich gefärbter, schwarzer Tiger mit weißen Streifen zu sehen war, der ins Bild blickte.
Ich nickte ihm zustimmend zu und bewegte mich aus dem Sitzsack heraus, um ihm zu begegnen.
"Und wo genau?" Fragte Erwin.
"Du siehst ihm grade in die Augen." Kommentierte ich und fragte mich, ob er mich wohl sofort verstehen würde. Erwin sah mich daraufhin nur fragend an und schien mich eher nicht zu verstehen. Ich deutete mit dem Blick auf das Gemälde von Kawiss, als Tipp, dass er auch dorthin sehen soll. Dies tat er, aber er konnte nicht erkennen, was ich meinte.
"Schau beiden mal in die Augen. Merkst du was?" Fragte ich. Er sah nochmal genau auf die beiden Bilder und verglich ihre Augen.
"Ahh. Die haben die gleiche Augenfrarbe!" Bemerkte er nun.
"Nicht nur die gleiche Farbe. Sie haben die gleichen Augen."
Erwin sah nochmal hin und erkannte, was ich sagte.
"Soll die Katze ihn darstellen?"
"Exakt. Kawiss ist der Grund, warum wir alle Tiger genannt werden. Er wird oft als diese "Katze" dargestellt, als Symbol, dass wir alle von ihm stammen. Sie ist übrigens das, was man in der Natur auch als Tiger bezeichnet. Eine gestreifte Raubkatze mit meist rotem Fell und schwarzen Streifen, aber bei uns ist diese Fellfärbung ein bisschen anders."
Erwin schien beeindruckt und schaute wieder auf die Bilder an der Wand.
Ich sah ihn dabei von der Seite aus an und beobachtete ihn mit Vergnügen. Sein interessierter Blick schweifte über alle Bilder, die an der Wand hingen.
Zu gerne hätte ich ihm noch länger dabei zugesehen, doch ich erinnerte mich, dass ich noch etwas mit Matoss zu bereden hatte.
"Ach... Erwin? Ich muss nochmal zu Matoss. Kannst du kurz hier warten. Möglichst ohne Scheiße zu bauen?" Fragte ich ihn.
"Äh, klar. Was soll ich denn für Scheiße bauen?" Antwortete er, wobei er einen leicht gekränkten Blick zeigte. Ich öffnete die Tür und setzte einen Fuß hinaus.
"Keine Ahnung. Aber die Technik hier ist ein wenig anders. Fass also bitte nichts an, das nicht so aussieht, wie bei uns hinter den Mauern." Kommentierte ich schließlich und ging aus der Tür.
Matoss wartete bereits draußen auf mich und starrte mit dem Rücken zu mir gedreht in den Himmel. Zögern tat ich nicht lange und gesellte mich zu ihm.
"Hübsche Nacht, was Levi?" Fragte er.
"Tu nicht so unschuldig!" Schnaufte ich und sah ihm mahnend entgegen.
"Na gut.", antwortete er nur und verschränkte die Arme. "Es war Absicht. Ich geb es zu."
"Du willst mich ernsthaft mit Erwin verkuppeln? Wieso?"
"Du kannst es gebrauchen."
"Gebrauchen? In welcher Art und Weise könnte ich ihn bitte gebrauchen? Er ist mein Kommandant!" Ich stellte mich nun neben ihn hin und sah ihn bemusternd von der Seite an, wartend, was für eine Antwort er mir geben könnte.
"Du wirst von Tag zu Tag schwächer. Deine Gefühle für ihn überrumpeln dich." Meinte er sich mir entgegenstellend und von oben bemusternd. "Du kannst es nicht leugnen. Deine Maske beginnt zu bröckeln."
Nein, das konnte ich nicht. Selbst in dieser Form, die ich den Menschen zeigte, damit sie mich respektierten und gegebenenfalls mieden, um nicht dieses Biest in mir zu erkennen, kamen meine Gefühle nach und nach hervor und zerbrachen die Form langsam aber sicher. Ich konnte es fühlen, mit jedem Tag. Und dies war ein Grund, wieso ich hierher zurückkommen musste. Ich musste eine neue erhalten. Eine, die mich vor diesen Gefühlen beschützte und mich stärker machte.
"Wäre es dann nicht besser, wenn ich nicht mit ihm zusammenkäme?"
Ich sah zu Boden und verschränkte ebenfalls meine Arme. Diese Frage tat mir in meinem Herzen weh, doch es blieb keine anderen Möglichkeit, wenn ich diese Maske nicht völlig verlieren wollte.
Matoss' Blick richtete sich langsam auf mich. Er spürte anscheinend, dass mit mir etwas nicht stimmte. Das tat es auch nicht. Ich war gefangen in meinen Gefühlen und konnte nur darauf warten, dass ich elendig in ihnen ertrank.
"Du musst sie raus lassen.", sagte er "Du wirst irgendwann alles auf einen Haufen haben, wenn du sie weiterhin unterdrückst. Es ist wie mit den Tigern und den Löwen. Irgendwann lehnen sie sich gegen dich auf und wollen dich stürzen."
Langsam aber sicher merkte ich, dass er recht hatte. Die Löwen... die Wesen, die uns seit Urzeiten jagten. Unsere einzigen natürlichen Feinde. Irgendwann stürzten sie sich auf uns, wie meine Gefühle sich auf mich gestürzt hatten. Doch... worklich wegen Erwin?
"Du weißt ganz genau, in welche Gefahr ich ihn bringe, wenn ich mit ihm zusammen komme! Er ist menschlich. Undzwar vollblütig." Murmelte ich. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, was Erwin passieren könnte, wenn sie dahinter kämen.
"Ja.", Matoss legte eine Hand um mich. "Das ist mir durchaus bewusst. Aber das könnte dir helfen, wieder stärker zu werden. Du bist ein Gewinn für die Menschheit. Vergiss das nicht."
Ich seufzte und lehnte mich an ihn.
"Aber auch nur für die Menschheit..." Murmelte ich. In der Hardcliff war ich immer eine Blamage für meine so starke Familie. Nie der Beste in irgendwas. Dennoch aber war nie jemand abwertend mir gegenüber.
"Du findest es besser dort, oder? Ich meine abgesehen von den ständigen Kämpfen mit Titanen und das Blutvergießen." Fragte Matoss nun und legte die Hand auf meine Rippen.
"Ein wenig. Es ist besser, als zuzusehen, wie sie langsam und qualvoll vor sich hin sterben.
Aber es ist auch schlimmer... du kannst nicht eingreifen, wenn der Titan dich einmal im Maul hat. Du musst entweder zusehen oder das unmögliche vollbringen... manchmal wünschte ich, ich wäre vollblut Tiger."
Matoss hielt mich fester an sich und lehnte seinen Kopf verständnisvoll an meinen.
"Ich weiß. Es ist scheiße, der Schwächste in der Hardcliff zu sein, oder?" Murmelte er.
"Ja..." Gab ich zurück und umarmte ihn. Es war schön, endlich wieder jemanden zu haben, der einen versteht und nicht zu dumm ist, um zu wissen, wann ich etwas alleine regeln kann und wann nicht.
Endlich wieder mit klugen Leuten zu reden, und nicht mit Dummköpfen, deren Intelligenz der eines Ziegelsteines glich, war wirklich befreiend. Ich konnte meine Gefühle endlich ein wenig rauslassen, ohne darin zu versinken.
Ich lehnte entspannt an ihm. So entspannt war ich nicht, seit ich in Erwins Armen lag.
"Mach dich locker, Levi. Eines Tages werden sich die Tigermächte auch in dir niederlegen." Sagte Matoss und hielt mich an sich.
"Das ist nicht gesagt, Matoss. Ich warte darauf seit Jahren. Und sie sind nie eingetroffen." Seufzte ich und lößte mich langsam wieder von ihm.
Ich blieb noch eine Weile bei ihm, doch dann erinnerte ich mich, dass ich Erwin allein in einem Zimmer gelassen habe, von dessen Technologie er keine Ahnung hatte.
Ich verabschiedete mich für die Nacht von Matoss und lief in mein Zimmer. Was ich erwartete, konnte ich nicht genau sagen, doch ich machte mir Sorgen, dass etwas schief gelaufen sein könnte. Als ich aber ankam, flog die Sorge von mir und ich sah berührt auf das, was vor mir war: Erwin lag schlafend auf dem Bett und hielt meinen Mantel in seinen Händen. Ich atmete auf. Erwin schien nichts angerichtet zu haben und ihm selbst schien es genauso gut zu gehen. Ein Glück, dass ihn nur die Erschöpftheit des langen Tages eingeholt hatte und er nicht einfachso seiner Neugierte nachgegangen ist. Das einzige Problem war: er lag quer über dem Bett und ich hätte kaum Platz gehabt, bei ihm zu liegen. Also setzte ich mich vor ihn und weckte ihn sanft.
"Erwin. Hey! Wach auf." Flüsterte ich und rüttelte leicht an ihm.
"Was denn?" Kam es nun heiser und müde raunend aus seinem Mund.
"Leg dich richtig rum ins Bett, sonst hab ich keinen Platz." Flüsterte ich und deutete auf die linke Seite des Bettes.
Erwin gähnte einen Moment und nickte dann. Er legte sich gerade aufs Bett und kuschelte sich auf der Seite liegend ins Kopfkissen. Dabei hielt er immernoch meinen Mantel in der Hand und schlief dann sofort wieder ein. Bei diesem Anblick wurde auch ich müde und legte meine Schuhe und meine restliche Ausrüstung ab. Dann legte ich mich in Hemd und Hose neben Erwin und schloss meine schwer gewordenen Augen.
Es vergingen vielleicht zwei Stunden und ich wachte auf, da sich plötzlich etwas großes und warmes an mich presste und ein Arm sich um meinen Bauch legte. Zuerst hatte ich keine Idee davon, was das sein könnte und fühlte mich leicht bedroht, weswegen ich mich stark anspannte und mich bereit für einen Kampf machte, der vielleicht jederzeit erfolgen könnte. Doch als ich dann warmen Atem in meinem Nacken spürte und eine große Hand mich an der Brust festhielt, kam ich dahinter: Erwin. Es war nur ein Wort in meinem Kopf, doch es verwandelte sich in unzählige Bilder, wie er hinter mir lag und mich an sich drückte.
Nun fühlte ich mich auf einmal nicht mehr bedroht und kampflustig- sondern sicher und beschützt. Diese Sicherheit sorgte sofort wieder dafür, dass ich mich entspannte und wieder müde wurde. Meine Augen schlossen sich wie von selbst und mein frierender Körper drückte sich an die warmen Muskeln hinter mir.

Lost in the eyes of the devil- Eruri Fanfiction by RockosticWhere stories live. Discover now