24. Der Welpe

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"Das Leben ist hart", dachte ich, als ich am nächsten Morgen aufwachte und nach draußen sah. Ein paar Schneeflocken fanden ihren Weg nach unten und legten sich verstreut auf dem gesamten Gelände nieder, schmolzen jedoch fast sofort, da der Boden noch warm war. Ich war müde und angesichts der Kälte draußen, wollte ich mich eigentlich wieder in meine Decke kuscheln und weiterschlafen. Doch zum Glück besiegte mein Verstand meinen Körper und so schaffte ich es, mich aus dem Bett zu rollen und allmählich aufzustehen.

Nach meiner Morgenroutine und einem groben Frühstück, machte ich mich daran, Mario aufzusuchen. Er hatte mich heute morgen zwar wieder ausschlafen lassen, da ich aber früh aufgewacht war, hatte ich den gesamten Tag noch vor mir. Ich fand meinen Meister, wie üblich, in seinem Nähzimmer, wo er wieder an irgendeinem Lederstück arbeitete. Die Übersicht über das Chaos in diesem Zimmer fehlte mir immer noch, aber Mario schien sich gut darin zurecht zu finden.

"Hallo, Hanna.", begrüßte er mich, als ich eintrat. "Guten Morgen.", grüßte ich zurück und meine Aufmerksamkeit wurde sofort von einem wundervollen schwarzen Sattel angezogen, der rechts neben der Tür an der Wand hing. Ich betrachtete das elegante Stück. Die Form war zwar etwas komisch, hatte aber die Eleganz eines Dressursattels. "Das ist ein Barocksattel.", bemerkte Mario, dem mein Interesse aufgefallen war. Ich fuhr über die feinen Linien einiger Stickereien und bewunderte das Können des Sattlers, der sich mit mir in einem Raum befand. "Er ist gut geworden...", murmelte ich und drehte mich dann wieder um, sodass ich den Reiter ansehen konnte. "Hast du heute eine spezielle Aufgabe für mich oder soll ich einfach über den Hof laufen und schauen, ob ich irgendwem helfen kann?"

"Letzteres. Schau aber, dass du ein paar Pferde bewegt bekommst. Am Besten, du arbeitest heute mit deinem zukünftigen Schimmel und Jovito. Dann kannst du die Beiden gleich aneinander gewöhnen. Ich denke, das wäre ganz praktisch. Und mach was mit Lucio oder Marco. Am Besten Marco, der ist heute wieder total mies drauf. Aber er hat zu tun. Der Andere hat einen freien Tag, also ist es egal. Sie sollen dir helfen.", wies er an.

Ich musste schmunzeln. "Aha. Brauch ich jetzt einen persönlichen Aufpasser?" "Nein, so meinte ich das nicht.", mein Meister lachte kurz auf. "Aber sie sollen dich daran erinnern, dass du hier mit den bekannten Methoden arbeiten sollst. Und nicht auf deine Art und Weise." "Ok.", sagte ich schlicht und hatte schon eine Hand an der Türklinke, als Mario noch einmal das Wort ergriff. "Am Donnerstag ist Vollmond."

Meine gesamte Bewegung erstarrte. Eisige Kälte durchflutete mich. Er weiß es. ER WEISS ES. Mario Luraschi wusste, wer ich war, was ich bin und was meine geheimnisvolle Begabung war. Mein Mund wurde staubtrocken, ich hatte das Gefühl etwas trinken zu müssen, doch ich konnte nicht. "Ist das von Relevanz?", fragte ich schließlich langsam, jedes einzelne meiner Wörter bewusst. Denn ich wusste, würde ich jetzt etwas Falsches sagen, dann wäre er sich sicher.

"Naja... Ich dachte nur, dass du mit dieser Information etwas anfangen kannst.", erklärte mein Meister verschmitzt. Anscheinend hatte er nicht bemerkt, wie sehr mich diese Aussage aus dem Konzept gebracht hatte. Vorsichtig drehte ich mich um und sah ihn an. Er zwinkerte mir zu. "Jetzt geh schon." Und dann machte er einfach eine Handbewegung nach draußen und mechanisch setzte ich einen Fuß vor den anderen und verließ so das Nähzimmer. Sobald ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, musste ich erst einmal innehalten und wieder zur Ruhe kommen. Mein Inneres war total aufgewühlt und ich wusste nicht so richtig, wie ich damit umgehen konnte. Sollte ich weiterhin so tun, als wäre nichts passiert? Oder sollte ich jetzt offen damit umgehen? Vielleicht wusste er es ja doch nicht, sondern wollte nur darauf aufmerksam machen? Diese vielen Fragen machten mich verrückt.

Da ich noch nicht wirklich in der Lage war, mich großartig zu bewegen, blieb ich in der Sattelkammer, nahm mir Vitos Sattel von seiner Halterung an der Wand und begann, ihn mit Sattelseife zu bearbeiten. In Gedanken ging ich meine Möglichkeiten noch einmal durch, beließ es dann aber bei der Entscheidung, so weiterzumachen wie bisher. Auch wenn mir das schwer fallen würde, das wusste ich. Seufzend legte ich also den mittlerweile glänzenden Sattel wieder an seinen Platz und stand auf, um meiner eigentlichen Pflicht nachzugehen. Mein Pferd wartete schließlich nur auf Bewegung. Da ich jedoch, laut Mario, einen Babysitter brauchte, machte ich mich zuerst auf die Suche nach Marco.

Moondancer - Maître des ChevauxWhere stories live. Discover now