48. Kampf

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Am nächsten Morgen wachte ich auf, unter der dicken Decke, die Mario mir am vergangenen Tag noch bereit gestellt hatte. Wie immer nach Vollmond trug ich nichts, wahrscheinlich lagen meine Sachen immer noch draußen im Schnee. Allerdings hatte sich an meinem Zustand nichts veränderte, was mich überraschte. Mir war schlecht. Mein Bauch schmerzte und mein Kopf fühlte sich an, als hätte ich in der vergangenen Nacht einen über den Durst getrunken. Dabei erinnerte ich mich an alles. An Nathalie, an Mario, an Marco. Marco... Wenn es stimmte, was alle sagten, dann war es heute vorbei. Ich wollte aufstehen, es schien schon früher Mittag zu sein, doch ich konnte nicht. Im Gegensatz zu sonst fühlte ich mich nicht wie neugeboren, sondern wieder krank. Als wäre mein Körper von den Strapazen der vergangen Nacht erschöpft.

Müde starrte ich an die Stalldecke, hoffte darauf, mich schnell wieder zu regenerieren, als plötzlich mit Schwung die Boxentür aufgezogen wurde und mit einem Scheppern beinahe aus ihrer Halterung sprang. „Hanna!" Dunkel, misstrauisch und vor allem eines, gefährlich. Mein Lieblingsmagier war wieder aufgetaucht. Mein Herz setzte vor Angst einen Schlag aus, bevor es schneller in meinem Brustkorb pumpte und das Adrenalin durch meine Adern beförderte. Wenn er mich umbringen wollte, war jetzt die beste Möglichkeit für ihn. Ich war noch nicht vollkommen bewegungsfähig, konnte mich nicht verteidigen.

„So schnell sieht man sich wieder... Hätte nicht gedacht, dass du noch flach liegst.", sagte er schmunzelnd und kniete sich neben mir hin. „Du wolltest ja auch schon vergangene Nacht kommen und nicht jetzt.", erwiderte ich in der Erinnerung an seine Worte vor einigen Tagen. Er legte den Kopf schief. „Mir kam etwas dazwischen. Aber jetzt bin ich ja da... Hast du mich etwa vermisst?", arrogant hob er eine Augenbraue und grinste dreckig. „Du bist der Letzte, den ich vermissen würde.", antwortete ich und rutschte auf dem Stroh nach hinten, sodass ich die Boxenwand im Rücken hatte. „Ahnst du eigentlich, warum ich gekommen bin?", fragte er nach einigen Momenten der Stille und hob mit zwei Fingern die Decke etwas hoch, die meinen Körper bedeckte. Sofort schlug ich seine Hand weg. „Nein. Und nimm deine Hand da weg. Du hast hier gar nichts zu suchen."

„Dann ist gut. Dann kann ich dich ja vielleicht dazu überreden, mit mir zu schlafen." Wieder wanderten seine Finger in meine Richtung. „Ich habe gesagt: Lass. Mich. In. Ruhe." Ich betonte jedes einzelne Wort. „Ach, komm schon. Tu mir einmal den Gefallen und komme mir entgegen, anstatt dich immer gegen mich zu wehren. Ich bin doch auch nur ein Mensch..." Diesmal verpasste ich seinen Fingern einen Stromschlag, indem ich etwas Magie in die Richtung seiner suchenden Hand schickte. Sofort zog er sich zurück. „Aha? Also auf die Weise? Schade, ich hätte gedacht, ich kann es etwas sanfter halten...", lachend stand er wieder auf und lief vor meinen Augen etwas ab. „Wie hättest du es denn gern? Schnell und schmerzlos? Oder langsam und friedlich?", er blieb stehen und sah zu mir hinunter.

„Du bist ein perverses Arschloch.", knurrte ich und setzte mich auf, die Decke weiterhin fest um meinen Körper geschlungen. „So ist das also? Doch die harte Tour, oder?" Wieder wirbelte er herum, drehte mir den Rücken zu. Wäre ich ausgebildet in der Magie, hätte ich ihm jetzt irgendetwas in seine Richtung schleudern können. Angriffe von hinten waren meistens die Besten. Doch leider war ich der Magie genug mächtig, noch war ich dazu in der Lage. Sylvain schien plötzlich abwesend, er murmelte etwas vor sich hin, was ich nicht verstehen konnte. Dabei realisierte ich, dass er die Kleidung trug, die am besten zu ihm passte. Ein langer, schwarzer Umhang, eine schwarze Hose und ein Hemd in derselben Farbe. An anderen Menschen hätte der Umhang vielleicht albern gewirkt, doch zu ihm passte er wie die Faust aufs Auge. Seine schwarzen, schulterlangen Haare waren streng nach hinten gekämmt. Ein Magier. Ein schwarzer, sehr mächtiger Magier.

Als er sich nach einigen, schier endlosen Sekunden wieder umdrehte, war der belustigte, fast verrückte Ausdruck aus seinem Gesicht verschwunden. Seine Gesichtszüge hatten sich verhärtet, er starrte mich aus dunkelblau glänzenden Augen an. Seine normale Augenfarbe verschwand beinahe hinter dem magischen Kreis. „Ich habe dir lange genug die Chance gegeben, dich freiwillig zu binden. Aber du wolltest ja nicht...", seine Stimme war noch tiefer geworden und hatte fast sogar einen Doppelklang darin, so viel Macht strahlte sie aus. Jetzt hatte er sich in das verwandelt, was er wirklich war. Der Magier, der rücksichtslos und grausam war. Und auf dessen To-Do Liste ganz oben stand: Moondancer töten.

Moondancer - Maître des ChevauxWhere stories live. Discover now