2. Geburtstag?!

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Nach der Show wurden die Darsteller von einigen Mitarbeitern in zwei der Paradewagen abgeholt. Ludo folgte ihnen ebenfalls auf Hidalgo. Im zügigen Schritt trieb er das Pferd auf dem schnellsten Weg zur Aufstellung der Parade. Sie hatten nur wenige Minuten zwischen diesen zwei Shows.

Nicole eilte hinter ihnen her und zog mich mit sich. Nur widerwillig trottete ich hinter ihr her. "Es tut dir gut, wenn du mal wieder unter die Leute kommst.", erklärte die Fotografin trocken. Es war nur für heute, redete ich mir ein. Vielleicht ging so die Zeit auch schneller vorbei.

Diese Seelenpferdesache nagte an mir. Warum trauerte ich nur so? Früher konnte ich Monate ohne ein Pferd aushalten, doch warum genau konnte ich nicht mehr leben, nur weil Vito nicht mehr da war? Ich verstand es einfach nicht. Wenn er  wirlich so ein großer Teil von mir ausmachte, was passierte dann, wenn er stab? Starb ich mit ihm?

Ein unerklärlicher Druck baute sich in mir auf, der langsam, aber sicher anfing, mich zu zerstören. Es war eine Art Stress und Nervosität, die immer auftauchte, sobald ich an meinen Falben dachte. Unbewusst fing ich an, um diesen Druck abzubauen, meine Finger zu kneten. Dabei wanderten meine Finger immer höher, bis sie schließlich anfingen, meinen Unterarm zu bearbeiten. Ich spürte keinen Schmerz, als meine Fingernägel tief in meine Haut drückten. Ganz im Gegenteil, es tat sogar gut. Diese merkwürdige Art von Taubheit begann, sich ganz langsam von meinem Unterarm in meinem ganzen Körper auszubreiten.

Erst als mir eine warme Flüssigkeit über die Handfläche rann, hielt ich erschrocken inne. Langsam drehte ich meine Hand und betrachtete meine Handinnenfläche. Fasziniert sah ich die halbmondförmigen, kleinen Wunden dort an, eine feine Blutspur floss daraus hervor. Diese wenige Tropfen der dunkelroten Flüssigkeit waren von einem leichten, blauen Schimmer durchzogen. Es tat nicht wirklich weh, eher tat es gut. Doch... was war bloß aus mir geworden?

Während ich immernoch auf meine Handfläche starrte, fingen die kleinen Wunden an, zu verheilen. Vor meinen Augen schlossen sich die offenen Wunden und schließlich blieb nichts mehr übrig als eine makellose Haut und ein wenig des blauen Energiestaubs, der nicht wie das normale Blut allmählich auf meiner Hand trocknete, sondern sich um die offene Hautstellen legte und sie schloss. Dann verblasste dieser Energiestaub langsam. Blitzschnell zog ich meine Hand zurück und schob sie in meine Jackentasche. Was zur Hölle war das?! War die Magie so stark in mir? Nachdenklich lief ich hinter Hidalgo in den Backstagebereich, indem sich die Meisten schon für die Parade aufgestellt hatten.

"Rauf mit dir!", riss Ludo mich aus meinen Gedanken und reichte mir eine Hand. "Hä. Warum?", fragte ich leise verwirrt, als er mir anbot, mich hinter ihn auf den Apfelschimmel zu ziehen. Meine Stimme klang rau und kratzig, nicht an ihren Gebrauch gewöhnt. "Das wird eine Überraschung.", grinste der Boss und ergriff ohne Komprisse meine Hand. Verwirrt ließ ich mich hinter ihm auf Hidalgo ziehen. Es war das erste Mal, dass ich wieder auf einem Pferd saß, seit Vito weg war.

Mit zusammengepressten Lippen schluckte ich die Gefühle, die in mir aufstiegen, hinunter. "Warum nimmst du mich mit?", wollte ich noch einmal wissen. "Habe Geduld...", antwortete er nur grinsend. Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal.

In aller Ruhe ritten wir die Paradenstrecke entlang. Es war nichts Auffälliges dabei und so fragte ich mich, warum Ludo so darauf bestanden hatte, dass ich mitkam. Gegen Ende jedoch bog er, im Gegensatz zu den Anderen, schon früher in einen anderen Mitarbeitereingang ein und ritt in eine ruhige Ecke. Dort hielt er an. "Wir sind da.", sagte er nur und ich rutschte von dem Rücken des Apfelschimmels.

Vor uns stand ein kleiner Tisch mit einem Kuchen und ein paar Geschenken. "Wer hat Geburtstag?", fragte ich verwundert und setzte mich auf die Bank, die daneben stand. Nachdem ich mich in letzter Zeit kaum bewegt hatte, war dieser kurzer Ritt schon anstrengend gewesen. Nicole lachte laut los. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass sie auch noch da war. Dann umarmte sie mich. "Alles Gute zum Achtzehnten, Hanna!" Achso, ich war jetzt volljährig. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht, da ich jedes Zeitgefühl verloren hatte.Gequält versuchte ich zu lächeln. Geburtstage fand ich noch nie so prickelnd, jedes Mal wurde man ein Jahr älter.

Moondancer - Maître des ChevauxWhere stories live. Discover now