8. Falltraining

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Sylvain wandte sich schließlich wieder ab, indem er seinem Pferd bestimmte, strenge Hilfen für eine Hinterhandwendung gab. Der Dunkelbraune warf sich sofort herum und trabte etwas außerhalb der Gruppe, die sich mittlerweile um Mario gebildet hatte.

"Können wir jetzt los?", fragte der Meister und blickte kurz jeden von uns an. Einige nickten, doch statt auf eine spezifische Antwort zu warten, wendete er sein Pferd und ritt im zügigen Schritt vom Hof. Zusammen mit Marion und Chris ließ ich mich eher weiter hinten in die Gruppe fallen, wobei wir so viele jetzt auch nicht waren. Etwa um die 10, 11 Stuntreiter. Die drei Luraschis, Marion, Chris und ich, Sylvain und noch ein paar andere, die ich nicht kannte, aber mir relativ bekannt vorkamen. Vielleicht hatte ich sie schonmal in Kaltenberg oder der Arena rumlaufen sehen, ohne sie richtig wargenommen zu haben. Mein Blick wanderte über die Reiter vor mir und blieb schließlich wieder an dem mysteriösen jungen Mann hängen. "Erzähl mir mehr über ihn." Ich beugte mich ein wenig zu Marion hinüber, ohne meine Augen von ihm abzuwenden. Doch sie zuckte nur die Schultern. "Der ist genauso geheimnisvoll, wie er aussieht. Ich weiß absolut nichts von ihm, abgesehen von seinem Namen und dass er sehr schüchtern ist. Also zumindest wirkt er so, er redet kaum und steht meistens etwas abseits, wenn er in der Gruppe trainiert. Doch er ist einer von Marios Lieblingsschülern. Seine Art mit Pferden umzugehen ist zwar etwas härter und strenger als deine, aber genau das will Mario ja auch. Ein versammeltes, ordentlich gehendes Tier, dass auf jeden Befehl seines Reiters hört. Du hast ja vielleicht gemerkt dass Jovito etwas unterwürfiger lief als im Sommer. Das ist Marios Art.", erklärte meine Freundin nachdenklich.

Ich begann geistesabwesend, an meiner Unterlippe zu kauen und bemerkte, tief in Gedanken über diesen mysteriösen Mann, gar nicht, wie die Gruppe zu traben begann. Doch zum Glück war wenigstens mein Pferd aufmerksam und so wurde ich erst wieder aus meinem inneren Bewusstsein gerissen, als mein Hengst schneller wurde. Sofort richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Weg.

Ungefähr fünf Minuten trabten wir noch so über den Waldweg, der immer sandiger wurde, bis wir schließlich auf einer großen Lichtung landeten. Der ganze Boden war mit Sand bedeckt, in zwei Ecken fanden wir sogar regelrechte Dünen. Die Lichtung war riesig. Wahrscheinlich konnten wir alle gleichzeitig das Fallen aus dem vollen Galopp üben, ohne uns im Weg zu sein. Doch, wie ich Mario kannte, würde uns maximal zu dritt trainieren lassen. Man konnte ja nie wissen, wohin man fiel. "Was ist das?", fragte ich Marion leise, während Mario abstieg und einmal quer über den Platz lief, um den Boden zu testen. "Das ist quasi die Abladestelle für den überschüssigen Sand, den der große Sandpark um die Ecke, nutzt." "Welchen Sandpark?", unterbrach ich sie verwirrt. "Ein paar Kilometer von hier entfernt ist ein riesiger Park, wie eine aufgeschüttete Wüste, inmitten Frankreichs. Dort gibt es unter anderem gewaltige Dünen, die man zum Sandsnowboard nutzen kann. Doch auch ein paar Pferdeshow gibt es dort. Es ist quasi wie ein Vergnügunspark, nur eben mit Sand. Mario hat an diesem Ort auch mit dem Pferdetraining angefangen, seine Karriere begann also mit Wild West Shows. Offiziell ist dieser Platz hier eine Sandabladestelle, doch eigentlich Mario die Betreiber überredet, hin und wieder mal eine Fuhre Sand vorbeizuschicken, damit er ihn als Trainingsplatz nutzen kann. Also ist dieser Sand mehr oder weniger eine Spende. Aber offiziell ist es eine Abladestelle.", erklärte sie. "Ah, das wusste ich noch gar nicht.", wollte ich ihr für die neuen Informationen danken, doch Mario unterbrach mich, indem er kurz in die Hände klatschte. "Alle mal herhören!", begann er. "Also der Boden ist frostfrei und der Sand locker wie immer. Das heißt, wir können normal trainieren. Wir machen wieder ein freies Training. Das heißt, jeder sucht sich eine Ecke und ihr korrigiert euch gegenseitig. Lasst aber bitte die Mitte frei für die, die das Training aus den schnelleren Gangarten üben. Und wärmt die Pferde ordentlich auf, für die, die den Fall mit Pferd üben wollen", kündigte der Meister an und machte eine ungeduldige Handbewegung, sodass sich jeder sofort einen Platz suchte. Nur ich stand etwas bedröppelt da. Das war etwas, was wir im Sommer nicht geübt hatten.

Moondancer - Maître des ChevauxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt