43. Zeit für Tee

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Bereits als ich am nächsten Morgen an der nackten Brust von Marco aufwachte, war irgendetwas anders. Ich fühlte mich merkwürdig. Als wäre ich krank oder so. Aber ich hatte nur das Gefühl. Meinen Körper konnte ich einwandfrei bewegen. Diesmal muss ich nicht um meinen Lieblingsmorgenmuffel herumsteigen, denn dieser lag diesmal an der Wand. Also stand ich auf und wankte ins Bad. Mir war unglaublich schwindelig, mein Sichtfeld nur eingeschränkt, schwarze Punkte tanzten mir vor den Augen während ich mich am Waschbecken abstützte und Zähne putzte. Also war ich vielleicht doch krank geworden? Ich war noch fast nie in meinem Leben krank geworden. Vielleicht, weil ich schon früh mit vielen Erregern in Kontakt gekommen war, die mein Immunsystem gestärkt hatten. Vielleicht, weil ich ein Moondancer war. Vielleicht auch einfach so. Es gab ja solche Menschen, die bei auch bei Minustemperaturen im T-Shirt rumlaufen konnten und danach nicht einmal einen Schnupfen hatten.

Doch heute... war es irgendwie anders. Es waren die typischen Symptome, die an ich an Vollmond als bekam, doch dass sie schon am frühen Morgen auftauchten war mir unbekannt. Und es war vor allem eines, ungewöhnlich stark. Selbst bei meiner ersten Verwandlung hatte ich die Schmerzen nicht sofort so intensiv gefühlt. Ich ahnte, dass ich wahrscheinlich schon zur Mittagszeit komplett außer Gefecht sein würde. Etwas, was noch nie vorher so war. Denn sonst ging es mir immer erst ab Einbruch der Dunkelheit so dreckig. Und vor allem: Die Schmerzen steigerten sich ja im Laufe des Tages, wie schlimm würde es dann heute Abend wohl sein?

Nachdem ich meinen Freund aus meinem Zimmer gescheucht hatte, da ich nicht wollte, dass er meinen aktuellen Zustand mitbekam, zog ich mir eine weite Jogginghose an und einen etwas älteren Pullover. Sachen, die im Notfall kaputt gehen konnten. Falls ich mich unkontrolliert verwandeln sollte. Davon ging ich zwar nicht aus, aber dennoch war die Gefahr da.

Beim Frühstück traf ich das erste Mal seit dem Streit meinen Meister wieder. Als ich die Treppe mehr hinunter stolperte als richtig lief, bildeten sich schon Sorgenfalten auf seiner Stirn. „Guten Morgen, Hanna.", meinte er ruhig. Als wäre nie etwas passiert. Als hätte er mich nie angeschrien oder so etwas. Ich nickte nur grummelnd. „Morgen.", sagte ich knapp und wollte mir etwas zu Essen nehmen. Meine Hand schwebte schon über einem Croissant, als ich sie wieder zurückzog. Meinem aktuellen Zustand nach zu urteilen würde ich heute früher oder später sowieso wieder alles ungewollt hinausbefördern. Mir war jetzt schon schlecht. Also musste ein Tee ausreichen.

Mit einer dampfenden Tasse Kirschtee saß ich dann am Tisch und nippte zwischendurch immer wieder daran. „Hast du heute irgendwelche Pläne für mich?", fragte ich Mario unterdessen. Tat ebenfalls wie er so, als wäre nichts geschehen. Zuerst antwortete er eine Weile nicht und ich gab schon die Hoffnung auf, noch etwas von ihm zu hören, als er sagte: „Hör mal... es... tut mir Leid wegen neulich. Ich wollte dich nicht anschreien. Als ich im Nachhinein noch einmal darüber nachgedacht habe, ist mir klar geworden, wie du denken könntest. Also erst einmal Entschuldigung für das." Ich nickte. „Ich hätte dich auch nicht anlügen sollen. Aber ich war mir eben so unsicher...", erklärte ich meinen Standpunkt. Auch er nahm es nickend zur Kenntnis. „Vergessen wir das einfach und fangen noch einmal weiter vorne an. Für heute habe ich nichts für dich vor, ich nehme an, du hast jetzt schon Schmerzen?" Überrascht nickte ich. „Woher weißt du das?" „Ich dachte, du weißt bereits über deinen Standpunkt zur Liebe Bescheid?", er zog fragend die Augenbrauen hoch. „Schon, aber bis jetzt hat es doch auf funktioniert...", erklärte ich. „Hat es nicht. Du hast es bisher nur noch nicht gespürt. Das kommt heute alles auf einen Schlag. Was meinst du, warum ich so gegen eure kleine Liebschaft war? An sich fände ich es ja schon richtig nett, wenn sich mein Sohn und du verstehen. Aber ich wollte dich nur schützen. Du brauchst nicht die gleiche Scheiße bauen wie Nathalie. Ein Todesfall reicht mir und ich brauche nicht meinen zweiten Moondancer ebenfalls daran zu verlieren. Es wird einfach nicht funktionieren und das wirst du heute zu spüren bekommen... Aber momentan besteht meine Hoffnung noch darin, dass du einen relativ starken Charakter hast. Vielleicht wird es auch klappen, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass Nathalie eben genau an diesen Folgen gestorben ist. Es muss einfach nicht sein. Verstehst du jetzt, warum ich so ablehnend all dem gegenüber war? Ich sehe gerade meine zweite Sprecherin blind in dieselbe Falle tappen wie meine erste. Es ist deprimierend, nichts dagegen machen zu können.", erklärte er ausführlich.

Moondancer - Maître des ChevauxWhere stories live. Discover now