45. Schmerzen // Moondancer

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Den restlichen Nachmittag hatte ich unter steigenden Schmerzen mit Zorro verbracht, welches ich dann auch fertig gelesen bekam. Erst am Abend rief mich Mario zum Essen. Um keinen Verdacht gegenüber Lucio und Marco zu erregen, stand ich auf, stellte fest, dass ich selbst zum Gehen fast zu schwach war und angelte mich an der Wand entlang in die Küche. Dort ließ ich mich erschöpft auf den Stuhl sinken. Mir war warm. Schweißperlen standen mir auf der Stirn, ich spürte es. „Du weißt doch genau, dass ich jetzt nicht in der Lage bin, irgendetwas zu Essen.", raunte ich meinem Gastgeber zu, der mir trotzdem eine Suppe hinstellte. „Versuch's wenigstens.", gab er trocken zurück. Marco hatte sich neben mich gesetzt und seine Hand lag unter dem Tisch beruhigend auf meinem Knie. „Wie geht es dir?", fragte er besorgt, doch ich zuckte nur mit den Schultern. „Scheiße.", antwortete ich schließlich wahrheitsgemäß und versuchte zu ignorieren, dass ich das Gefühl hatte, gleich zusammenzuklappen. Es war so verdammt heiß in dem Raum, von Minute zu Minute wurde es schlimmer. „Du glühst ja regelrecht!", meinte nun auch mein Freund erschrocken. „Ich weiß.", jammerte ich und klammerte mich an der Tischkante fest, um nicht vor Schwäche vom Stuhl zu fallen.

„Hanna. Geh ins Bett und kurier dich aus!", versuchte er weiter, mir zu sagen, was das Beste für mich war. „Nein.", protestierte ich schwach. „Es ist besser, wenn sie in der Nähe der frischen Luft bleibt.", unterstützte mich nun auch Mario beruhigend, aber bestimmt. Marco funkelte ihn nur böse an, sagte aber nichts mehr. Mühsam schaffte ich es einige Löffel der Suppe zu Essen, gab dann aber auf und griff nach dem Wasser, das auf dem Tisch stand. Wasser war in diesem Zustand immer das Beste. Wasser vertrug sowohl das Pferd als auch der Mensch in mir. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es erst halb acht Abends war. Es würde noch ewig dauern, bis es soweit war. Zumindest vermutete ich das und stellte mich innerlich auf noch mehr Qualen ein. Nachdem ich mehrere Gläser Wasser getrunken hatte, um das austrocknenden Gefühl in meinem Inneren irgendwie zu beruhigen, gab ich auf noch irgendetwas zu tun und saß stumm am Tisch, kämpfte mit mir selber. Ich war zu absolut nichts mehr fähig. Jeder Atemzug fühlte sich an wie ein Messerstich, jede kleinste Bewegung fühlte sich so an, als hätte ich mich von einer Klippe gestürzt. Und die Tatsache, dass ich meinen Schmerz nicht zeigen konnte, machte es auch nicht viel besser.

Bis kurz vor acht schaffte ich es noch, dann gab ich auf. „Mir wird es hier zu warm. Ich bin draußen.", murmelte ich und stand schwankend auf. Marco wollte mir folgen, doch sein Vater hielt ihn zurück. „Bleib.", befahl er streng und sein Sohn wollte schon den Mund aufmachen, um sich wieder auf einen heftigen Streit mit ihm einzulassen, dann besann er sich etwas Besserem. Schritt für Schritt kämpfte ich damit, aufrecht zu bleiben und irgendwie die Tür zu erreichen. Erst, als mich die kühle Nachtluft umfing, wurde es besser. Mein Körper schien erleichtert aufzuseufzen, die eiskalte Luft drang überall in mich ein, verschaffte etwas Linderung. Die Kälte spürte ich nicht. Es war nur angenehm. Mit der frischen Luft schien auch meine Kraft etwas zurückzukehren. Zumindest konnte ich nun ohne Probleme die Treppe hinuntergehen, mich langsam auf den Weg zum angrenzenden Wald machen. Ganz sicher auf den Beinen war ich aber trotzdem nicht, mehr als einmal gaben meine Beine unter mir nach und ich musste kurz auf dem Boden ausruhen, ehe ich weiter gehen konnte. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit als ich endlich die Bäume erreichte, in deren Schatten ich mich niederließ und im Schnee zusammenrollte. Meine Kleidung durchweichte innerhalb von Sekunden, doch es störte mich nicht. Mir war nicht kalt. Dass ich sogar vergessen hatte, Schuhe anzuziehen, als ich das Haus verlassen hatte, merkte ich erst jetzt.

Schwach entledigte ich mich auch meinen Socken, spürte die Kühle zwischen meinen Zehen. Angenehm, weich und mit einer Temperatur, die mir im Moment als genau richtig erschien. Meinen Pulli zog ich ebenfalls aus, lag jetzt nur im T-Shirt im Schnee. Dieses Gefühl war so angenehm. Ein wenig kam ich mir vor wie eine Eisprinzessin in Filmen. Die ebenfalls ohne Kälteempfinden in einem verschneiten Wald lag. Diese Vorstellung ließ mich schmunzeln und während ich im Freien so dalag, kam auch langsam meine gute Laune zurück. Trotz der Schmerzen. Ich fühlte mich nämlich gerade überraschend wohl bei den niedrigen Temperaturen.

Moondancer - Maître des ChevauxWhere stories live. Discover now