30. Manna

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Kaum war Marco in der Küche angelangt, entspannte er sich und ließ sich erschöpft an den Tisch sinken. Ich blieb in der Tür stehen und beobachtete ihn regungslos. Er vergrub sein Gesicht in den Händen und seufzte. "Ich werde noch wahnsinnig.", murmelte er und starrte die Tischplatte an.

"Er hat doch bestimmt nur überreagiert. Seinen Sohn mit seiner Schülerin zu erwischen ist garantiert keine leichte Kost. Das würde mich auch mehr als überraschen.", versuchte ich Mario etwas in Schutz zu nehmen. "Es geht um das Prinzip, Hanna. Alles, was ich mache, muss gleich schlecht sein. Alles, was nicht mit der Arbeit zu tun hat! Das ist nämlich kein Einzelfall, das macht er ständig! Ich bin nicht mehr ein kleiner Junge, dessen Schritte einzeln überwacht werden müssen! Ich kann selber denken und weiß, was für mich gut ist und was nicht! Und du bist gut für mich..." Beim letzten Satz wurde er immer leiser und sah mich gequält an. "Du bist fast zu gut für mich...", murmelte er lautlos.

Ohne, dass ich wirklich darauf Einfluss hatte, hoben sich meine Mundwinkel und ich musste lächeln. "Du bist süß.", entfuhr es mir und ich ging endlich zu ihm, um ihn von hinten umarmen zu können. "Zu wem denn sonst, wenn nicht zu dir?", gab er zurück und sah mich nun ebenfalls verschmitzt an. "Vielleicht zu Diabolo? Der hat es doch auch verdient.", tat ich mich nachdenklich. "Als ob ich jetzt plötzlich schwul werde und mit einem Pferd durchbrenne..."

Ich kicherte. "Wer weiß? Vielleicht musst du dich ja bald mit Vito um mich boxen. Der kann auch unglaublich süß sein." Empört schob Marco meine Arme von seinen Schultern. "Ach, wirklich? Du findest also, ein junges Pferd, dass vielleicht gerade aus dem Fohlenalter heraus ist, ist eine Konkurrenz für mich?" Oh man, ich liebte es, mit ihm sinnlos herumzublödeln. "Ja. Genau. Rein rechtlich gesehen, darf ich dich ja nicht einmal anfassen. Du bist ja noch 17, also ist Vito durchaus eine Konkurrenz. Wenn ich nämlich schon Kinder missbrauche, dann auch richtig." "Hey! In einem halben Jahr werde ich auch 18", protestierte der junge Luraschi und zog mich lachend auf seinen Schoß. "Und bis dahin habe ja wohl ich die Oberhand!", flüsterte er und küsste mich sanft auf die Wange. Ich drehte dem Kopf, um mir von ihm noch einen Kuss auf den Mund zu stehlen und lehnte mich dann wieder an ihn, um die Wärme seiner Umarmung zu genießen.

Wir blieben auch eine Weile so sitzen, genossen still die Nähe des Anderen, bis wir mal wieder von unserem persönlichen Teufel unterbrochen wurden. Marco schob mich von sich und stand auf, sobald er ihn an der Haustür gehört hatte, dann verschwand er in sein Zimmer. Ich blieb noch sitzen, um auf Mario zu warten, da ich noch wissen wollte, was wir morgen vorhatten. Als er das Zimmer betrat, sah er mich kurz nachdenklich an.

Ich beschloss, so zu tun, als wäre alles wie immer. "Gibt es morgen irgendetwas Wichtiges zu tun? Muss ich früh aufstehen?", fragte ich ihn also. Er zuckte mit den Schultern, etwas, was ich noch nie bei ihm so wirklich gesehen hatte. Mein Meister war selten unentschlossen oder wusste nicht, was zu tun war. Er hatte stets die komplett Kontrollle und Führung über alles. Fast kam es bei mir so an, als wäre er zerstreut, wusste nicht genau, was er denken sollte oder wie er zu reagieren hatte.

"Morgen kommen wieder Einige zum Training. Wir Tjosten wahrscheinlich.", sagte er mehr zu sich selber, als zu mir. Herrje, Mario schien wirklich mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. „Dann... gehe ich mal in mein Zimmer.... Gute Nacht.", meinte ich verwirrt und tat das, was ich gesagt hatte. Eine Viertelstunde später lag ich, in gemütlicher Jogginghose, weitem Pullover und frisch geduscht auf meinem Bett und las in Zorro weiter. Dieses Buch hatte es mir wirklich angetan und ich konnte kaum noch meine Finger davon lassen.

Doch insgeheim wartete ich auf Marco. Ich wusste, er würde nicht lange allein in seinem Zimmer bleiben und mir war es lieber, wenn er zu mir kam. Ich hatte es gern, wenn er die Initiative ergriff. Um genau zu sein dauerte es genau acht Kapitel, dann klopfte es leise an meiner Tür. „Hmm?", machte ich mich bemerkbar. „Darf ich reinkommen?", wisperte Marco auf der anderen Seite der Tür. „Ja.", antwortete ich und beobachtete, wie die Türklinke hinunter gedrückt wurde. Sein Duft, der nach seinem angenehmen Shampoo roch, wehte ihm voraus und so schloss ich die Augen und konzentrierte mich komplett auf meine geschärften Sinne, die mein Pferddasein verursachten.

Moondancer - Maître des ChevauxWhere stories live. Discover now