Von der Eidechse zum Drachen

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,,Sie sehen schon viel besser aus und haben einiges an Muskulatur zugelegt. Kannst du sie länger strecken?", Asterin strich über das Gerüst seiner Flügel und jagte somit eine Gänsehaut über seinen Körper. War das denn normal?

Er nickte und streckte seine Flügel durch. Es fühlte sich gut an, endlich ohne Schmerzen und Mühen seine Flügel bewegen zu können. Zufrieden nickend ging Asterin um ihn herum. 

,,Geh und iss etwas. Wir haben heute noch einiges vor."

,,Was denn?", er lief dem anderen Drachen hinterher und stellte sich diesem in den Weg. 

,,Wir werden mal sehen wie du als Drache aussiehst."

Nemesis schlang das Essen so schnell hinunter, dass er bereits befürchtete es würde wieder hochkommen. er hatte sich wie gesagt lockere Kleidung angezogen und einen Umhang mitgenommen und noch Wechselkleidung, falls er sie brauchen würde. 

Vor fast einer Woche war Serafyn weggeflogen. Es fühlte sich seltsam an. Er fühlte sich seltsam, so als würde ein Teil von ihm fehlen. Er schätzte Bries Versuche ihn abzulenken sehr, immerhin konnte er beriets ein paar Buchstaben schreiben und lesen, aber sie halfen nicht wirklich dabei. Er vermisste Serafyn. Die Verbindung zu dem Drachen. 

Manchmal hatte er auch seine Familie besucht. Seine Mutter blühte auf wie eine wunderschöne Rose im Sommer und auch seinen Brüdern schien es gut zu gehen. Sie alle schwärmten von dem Wald und von den anderen Leuten dort, die alle zusammenhalfen. 

Es freute ihn, seine Familie endlich in Sicherheit zu wissen. 

Er stapfte durch den Schnee und spazierte an den Wachen vorbei zu einer großen Plattform. Asterin stand dort, oben ohne und sah nach oben. Nemesis legte die Sachen auf den Boden und blieb abwartend in der Mitte der Plattform stehen. 

,,Fliegen zu lernen ist einfacher in unserer natürlichen Form. Wir tun uns nicht so schnell weh und wenn wir es so beherrschen, dann ist es auch in dieser Form kein Problem.", Asterin drehte sich zu ihm um und machte einige Schritte auf ihn zu. 

Nemesis lauschte schweigend den Worten des anderen Drachen. Würde er wirklich lernen zu fliegen?! 

,,Es gibt zwei Methoden, wie man es Kindern beibringt. Die Verwandlung ist dabei das schwere. Wir versuchen es mit der ersten Methode.", der Drache korrigierte ein paar Dinge an seiner Haltung und stellte sich dann wieder vor ihn. 

,,Schließ deine Augen und hör gut zu."

Nemesis nickte und schloss seine Augen. Er hörte den knirschenden Schnee unter Asterins Füßen, als dieser um ihn herum ging. Er spürte dessen Präsenz. 

,,Denk an etwas das...starke Emotionen in dir auslöst. Wut, Trauer, Hass. Etwas, das aus dir heraus muss."

Die einzigen Emotionen, die er in seinem jungen Leben hatte spüren dürfen, waren jene drei gewesen. Wut, auf ihn selbst, weil er kein Mensch war, weil man ihn nirgends haben wollte. Weil er selbst sich auch noch gut dabei gefühlt hatte, wenn er seine Flügel hatte zeigen dürfen. 

Trauer, wenn er seinem Stiefvater dabei zugesehen hatte, wie er seine Mutter für alles schlechte verantwortlich gemacht hatte. Wenn er ihr gesagt hatte, wie sehr der Mensch Nemesis hasste und wieso er ihn nicht hatte im Fluss ertränken dürfen. 

Hass, auf seinen richtigen Vater, der ihn ins Leben gesetzt und seiner Mutter Schmerzen zugefügt hatte. Der ihm ein Leben geschenkt hatte, auf das Nemesis hatte verzichten können. 

Zu seiner Überraschung aber, fühlte sich das alles nicht mehr...so schlimm an. Er gehörte jetzt zu jemandem, seiner Familie ging es jetzt gut und er durfte er selbst sein. Er horchte tief in sich hinein und suchte. 

Es waren nie wirklich diese Emotionen gewesen, sondern die Hilflosigkeit dahinter. Nemesis hatte nichts ändern können. Jedes Mal hatte er nur hilflos zuschauen können, sich dem Willen anderer beugen. Auch jetzt.

Er stand hier, während Serafyn wo anders war, weil irgendjemand es sich in den Kopf gesetzt hatte, dass er hier bleiben musste. Wieder hatte er nur hilflos dabei zuschauen können, wie die Drachen davon geflogen waren. 

,,Gut. Spürst du etwas?", Asterins Stimme riss ihn aus seinen Gedanken heraus. Ja, er spürte etwas. Ein kleiner Funken in ihm, der darauf wartete entzündet zu werden um sich auszubreiten. Nemesis nickte bloß knapp.

,,Nähre den Funken mit diesen Emotionen, bis es du es nicht mehr aushältst. Bis es sich anfühlt, als würdest du von innen heraus verbrennen.", er nahm Asterins Stimme kaum noch wahr. 

Nemesis dachte an jedes einzelne Mal, das er sich hilflos gefühlt hatte. An jedes einzelne Mal, das er sich hatte dem Willen anderer beugen müssen, weil er zu hilflos gewesen war um sich zu wehren. Er dachte an seinen Stiefvater dem er gehorcht hatte, als er ihn an die Drachen verkauft hatte. Und was hatte er getan? Sich dem Willen dieses Mannes gebeugt. Ohne Wehr hatte er das getan, was der Mensch verlangt hatte. Aber er konnte sich wehren. Er würde sich wehren.

Es fühlte sich an, als würde der Funke Wurzeln bekommen, die sich über seine Arme ausbreiteten, über seine Beine und zu seinen Flügeln, bis es sich anfühlte als würde kein Blut sondern Feuer durch seine Adern fließen. Sein Körper fühlte sich viel zu klein an, wie ein Käfig, der das Feuer gefangen hielt. Es nicht größer werden ließ sondern erstickte. 

,,Jetzt verwandle dich, Nemesis."

Es war, als hätte Asterins Befehl etwas in ihm geweckt. Einen Instinkt, einen Wunsch. Nemesis hörte das Knacken seiner Knochen, als sein Körper sich veränderte, sich aus seiner Hülle befreite und sich ausstreckte. Es fühlte sich an, als würde jeder seiner Knochen brechen und wieder heilen. 

Plötzlich verschwanden die Schmerzen und der innere Druck war weg. Das Feuer hatte Platz gefunden um sich zu befreien, sich zu bewegen. Nemesis atmete aus. Seine Lungen fühlten sich an als würden sie jeden Moment platzen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er aufgehört hatte zu atmen. 

,,Streck deine Flügel.", Asterin holte ihn aus seiner Gedankenwelt heraus. Nemesis richtete sich auf und streckte die Flügel durch. Zum ersten Mal fühlte es sich an, als wären sie tatsächlich befreit. 

,,Mach deine Augen auf."

Asterin war...weiter weg. Oder besser gesagt, kleiner. Hatte er es tatsächlich geschafft?!

Er warf den Kopf herum und erkannte tatsächlich, dass sein Körper aussah wie der eines richtigen Drachen. Seine Schuppen schimmerten im Sonnenlicht wie tausende Perlen. 

,,Du bist...ein Wyvern.", stellte Asterin erstaunt fest und ging um ihn herum.

Er öffnete seinen Mund um etwas zu sagen, doch es kam nur ein Knurren hervor. Erschrocken schnaufte Nemesis und schüttelte den Kopf. Das hatte er ja ganz vergessen.

,,Was ist das? Ein Wyvern?"

,,Das ist eine Unterart von Drachen. Sie sind schlanker und ähneln mehr einer Echse. Du hast zwei Beine und zwei Flügel, wie du sicher bemerkst. Wir haben vier Beine."

,,Das heißt ich bin kein Drache?!", er gehörte wieder nicht dazu?!

,,Doch, das bist du. Es gibt viele Unterarten. Wyvern sind kleiner, Wasserdrachen zu Beispiel haben keine Flügel sondern Flossen. Du bist kein gewöhnlicher Drache, sagen wirs so. Das würde auch deinen schlanken Körper erklären. Komm mit, ich bin mir sicher du möchtest sehen wie du aussiehst."

Asterin verwandelte sich und streckte sich erst einmal und trat dann an den Rand der Plattform. Der Drache war um einiges größer als er und sein Körper war muskulöser. Sie standen vor einem weißen Abgrund und blickten nach unten. 

,,Jetzt lernst du zu fliegen.", Asterin machte eine Runde um ihn herum...

..und stieß ihn über den Rand.

Panik machte sich in ihm breit, als er nach unten fiel wie ein Stein und nicht wusste was zu tun war. Aber Asterin würde ihn nicht einfach so hinunter werfen, ohne sich etwas dabei zu denken. 

Wie von selbst breiteten sich seine Flügel kurz vor dem Boden ab und trieben ihn nach oben in die Luft. Der Wind unter seinen Flügeln war kühl und fühlte sic unglaublich gut an. So als würde er ihn tragen.

,,Siehst du, ist gar nicht so schwer.", meinte Asterin, als dieser neben ihm flog und seine spitzen Zähne zu einem Grinsen entblößte.

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