Die Macht einer Krone

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Die Hochzeit war klein gewesen. 

Gerne hätte Nemesis seine Mutter und Brüder eingeladen, aber das wäre laut Cobalt keine so gute Idee gewesen. Menschen auf einem Fest voller Drachen und Wyvern kamen nicht besonders gut an. 

Es wurde getanzt und gefeiert, zum ersten Mal seit Jahrhunderten saßen Drachen und Wyvern zusammen und amüsierten sich. Zwar bestand das Misstrauen auf beiden Seiten weiterhin, es aus dem Weg zu schaffen würde ein langer Weg werden, doch hier und da unterhielten sich beide Arten miteinander oder tauschten sich zumindest ein wenig aus. 

Nemesis hatte sich unter den ganzen Leuten nicht besonders wohl gefühlt und wäre nach der Trauzeremonie am liebsten gleich mit Serafyn verschwunden. Doch das hatte ausbleiben müssen. Eine Feier die ihnen gewidmet wurden und sie waren nicht einmal anwesend. Keine gute Idee, wenn man bedachte, dass sie beide bald den Thron besteigen würden. 

Die Krönung fand einige Tage später statt. Diesmal war der Spiegelsaal randvoll mit Drachen, Halbdrachen und sogar einigen Menschen. Offenbar war eine Krönung ein Spektakel das niemand verpassen wollte. Im Normalfall passierte das auch nur alle paar Hundert Jahre, gleich zwei davon innerhalb so kurzer Zeit war etwas sehr besonderes. Die kalte Krone auf seinem Kopf fühlte sich schrecklich an. Nemesis hoffte inständig, dass er sie nicht jeden Tag tragen musste. Cobalt hatte auch nur sehr selten eine Krone getragen. 

Spät in der Nacht nach der Körnungszeremonie lag Nemesis bäuchlings auf dem Bett und streckte alle Gliedmaßen von sich. Daemon schlief schon seit einiger Zeit in dem kleinem Nebenzimmer und Serafyn knetete seine schmerzenden Füße. 

Sie waren in größere Gemächer gezogen, wo das Baby ein eigenes, kleines Zimmer hatte, sodass sie auch ein wenig Privatsphäre haben konnten.

Der Wyvern war schrecklich froh alles endlich hinter sich zu haben. Sein Körper war ausgelaugt und wollte nur noch rasten. Er wusste, dass es dem Drachen damit nicht anders ging, auch wenn Sera das nicht ganz so offen ausstrahlte wie er. 

,,Bin ich jetzt sowas wie eine Königin?", Nemesis richtete sich auf und drehte den Kopf soweit zur Seite, dass er Serafyn ansehen konnte. Diese Frage stellte er sich schon seit einer ganzen Weile. 

,,Ich glaube es nicht. Du bist keine Frau und immerhin sollen wir beide ja gemeinsam regieren. Eine Königin ist im Normalfall nur Zierde...Zumindest war das bei uns Drachen so.", er spürte wie die Handflächen des anderen entlang der Innenseiten seiner Schenkel nach oben strichen, zu seinem Po und unter den Stoff seines Nachthemdes schlüpften. 

Nemesis schnaubte amüsiert. Ihre körperlichen Bedürfnisse hatten während der letzten Zeit sehr unter den gegebenen Umständen leiden müssen. Sie waren nicht wirklich dazu gekommen mehr miteinander zu tun, als ein paar flüchtige Küsse und Berührungen auszutauschen. Selbst ihre Hochzeitsnacht war eher...langweilig gewesen. Sie waren beide zu erschöpft gewesen. Der Wyvern raschelte mit den Flügeln, als er sich aufsetzte und Serafyn so dazu gezwungen wurde, seine Hand zu entfernen. 

Der verwirrt-enttäuschte Blick des Drachen brachte ihn zum schmunzeln. Nemesis kroch auf allen vieren auf den anderen zu und legte eine Hand auf dessen Wange. Sera schmiegte sich der Berührung entgegen und schloss genüsslich die Augen. Seine Lippen küssten die Innenseite von Nems Handflächen. Sanft und liebevoll. 

,,Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich es vermisse, dich zu fühlen.", schnurrte Serafyn leise und fuhr mit der Hand unter den Ärmel seiner Kleidung. Und ob er das konnte. Er vermisste es doch genauso sehr. 

Nemesis kicherte leise. Die sanften Berührungen des Drachen kitzelten auf seiner Haut und hinterließen an jeder Stelle ein angenehmes Kribbeln. Der Wyvern kletterte auf Seras Schoß und legte die Hände um dessen Hals. 

Die blauen Flügel schimmerten wie Saphire in der untergehenden Sonne, die noch ihre letzten Strahlen in den Raum warf. Nemesis staunte jedes Mal wieder über das Farbenspiel, das Serafyn verursachte. Selbst Daemons Flügel warfen oft winzig kleine tanzende Lichter, von denen das Baby selbst auch immer wieder aufs neue begeistert war. 

,,Ich glaube, wir haben einiges nachzuholen.", flüsterte Nem und legte eine Hand auf die Brust des anderen. Er strich über den muskulösen Oberkörper, über die feinen, blauen schuppen, die hier und da eine kleine Stelle von Seras Haut einnahmen. 

Ein Paar kräftige Hände, legten sich um seine Taille, ehe Nemesis vorsichtig hochgehoben und rücklings auf das Bett gelegt wurde. Serafyn kniete zwischen seinen Beinen, aufrecht und mit ausgebreiteten Flügeln. Wie ein König thronte er über ihm. Wie der König, der Serafyn nun auch war. Der sie beide nun waren. Alleine daran zu denken, welche Macht sie beide nun teilten, kam dem Wyvern falsch vor. Er hatte es schon immer als falsch empfunden, dass eine einzige Person, die Macht über ein ganzes Königreich in den Händen hielt. Eine einzige Entscheidung könnte das gesamte Land in den Ruin treiben, kriege verursachen oder ganze Arten ausrotten. 

,,Wo bist du mit deinen Gedanken?", Serafyns Finger streiften seine Brust, als der Drache die Knöpfe seines Nachthemdes öffnete. Nemesis schlug lächelnd die Augen nieder und schüttelte bloß leicht den Kopf. Solche Gedanken hatten hier in diesem Moment nichts verloren. Sie hatten endlich alle Sorgen zumindest ansatzweise aus der Welt geschafft, oder waren gerade dabei, das zu erledigen. Sie durften es sich erlauben, endlich auszuatmen und anfangen, die Zeit zu genießen. 

Serafyn beugte sich zu ihm hinunter, das Gewicht seines Körpers drückte ihn auf die Matratze, und vergrub das Gesicht in seiner Kehlgrube. Nemesis schmunzelte, als er nahezu deutlich spürte, wie sehr der Drache diese Art von Nähe vermisst hatte. 

,,Ich hoffe Daemon schläft noch länger.", schnurrte Sera und streifte ihm die Ärmel des Nachthemds über die Schultern. Der Drache küsste sein Schlüsselbein, die weichen Schuppen dort, seine Wangen und schließlich seine Lippen. Nemesis streckte die Finger nach den blauen Schwingen aus und kratzte vorsichtig über die Membranen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er Serafyns Schaudern bemerkte. 

,,Das wird eine lange Nacht werden."


Nemesis wusste nicht, wie oft sie es getan hatten. Er hatte irgendwann den Überblick verloren und aufgehört zu zählen. Daemon war irgendwann wach geworden und hatte schreiend seinen Hunger angekündigt. Als das Baby wieder in seiner Wiege lag und zufrieden eingeschlafen war, hatten Serafyn und er noch ein Bad genommen um sich sauber zu machen, dort noch einmal miteinander geschlafen und sich schließlich völlig erschöpft ins Bett gelegt. 

Während Serafyn schnell eingeschlafen war, sorglos und entspannt wie der Drache eben war, hatte Nemesis noch sehr lange gebraucht um endlich zur Ruhe zu finden. Seine Gedanken kreisten immer wieder zu den vergangenen Geschehnissen und was die Zukunft wohl für sie bereit hielt, doch als er am nächsten Tag von warmen Sonnenstrahlen geweckt wurde, die auf die auf Samt gebetteten Kronen schienen, lösten sich die Sorgen ein wenig. 

Mit jedem neuen Tag der anbrach, würden sie als Regenten neue Wege schaffen. Natürlich wusste Nemesis, dass es nicht einfach werden würde, den Grundstein für diese Wege zu legen, doch er musste es ja nicht alleine tun. Serafyn war an seiner Seite, die Wyvern, angeführt von seinem Vater und der Großteil der Drachen ebenso. 

Die Sonne schien auf die Kronen, das Werkzeug, welches sie brauchen würden, wenn sie sich daran machten diese neuen Wege zu formen, als wollte selbst die Natur damit bestätigen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. 

Zum ersten Mal seit einem Jahr, fühlte Nemesis tatsächlich so, als könnte er etwas bewirken. Er war nicht mehr der verkrüppelte Drache, der sich unter den Menschen verstecken und sich deren Willen beugen musste. Er hatte endlich eine Zugehörigkeit, eine Aufgabe und vor allem eine Familie, die ihn genau so sehr liebte, wie er sie.

Nemesis schlug die Augen nieder und atmete währenddessen tief durch. Serafyn regte sich unter ihm und zog ihn fest an sich. Der Wyvern schmiegte sich der Berührung entgegen. Sie waren sich als zwei Fremde begegnet, unwissend, was das Schicksal für sie bereit hielt, und hatten ineinander ein Zuhause gefunden. 





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