Die Krone

386 48 1
                                    

Nemesis war seltsam aufgeregt, als immer mehr Drachen den riesigen Saal füllten. Männer, Frauen, hier und da sogar ein Kind. Serafyn saß zu seiner Linken auf einem hölzernen Stuhl. Er wirkte angespannt und sah genauso wie er selbst dabei zu, wie die Gäste eintraten. Zu seiner Rechten war sein Vater. Hinter ihm standen einige bewaffnete Wyvern mit dunklen Flügeln, darunter auch Kaz. Sein Vater trug zur Abwechslung eine goldene Krone auf dem Kopf mit spitzen Zacken und seltsamen Mustern, die der Krone selbst ohne jegliche Edelsteine etwas sehr eindrucksvolles verliehen. An das Gewicht auf seinem eigenen Kopf musste er sich erst noch gewöhnen. es fühlte sich seltsam an, tatsächlich als Prinz hier zu sitzen. Seine eigene Krone war genauso schlicht, deutlich kleiner und hielt in der Mitte einen kleinen Smaragd. Daemon wurde in die feinsten Stoffe eingewickelt. Goldener und weißer Samt. Das Baby lag unbeschwert in seinen Armen und schlief. Neben Serafyn saßen Cobalt und Crystal, auf dessen Schoß saß Nyx der sich neugierig umsah. Nem entdeckte sogar seinen Onkel etwas abseits stehend.

Sie alle bildeten die Mitte der riesigen Tafel, welche in einer U-Form den ganzen Rand des Saales entlang verlief. Nemesis erkannte Aspen und Azriel gleich an den ersten Plätzen sitzen, neben ihnen Artemis und Anaya. Dante und Arion standen hinter Cobalts Stuhl mit den Rücken, vermutlich als Wachen. Nem war sich nicht sicher, wie schlau die Idee gewesen war, Daemon mitzunehmen. 

Fast eine weitere Stunde verging, bis endlich alle auf ihren Plätzen saßen, jeder einen Kelch vor sich hatte und Ruhe einkehrte. In den Gesichtern der Drachen spiegelten sich viele verschiedene Emotionen wieder. Abscheu, Neugier, Aufmerksamkeit und Langeweile. Der Wyvern griff nach dem Kelch vor ihm und trank einen Schluck von dem Fruchtsaft. Serafyns Hand lag auf seinem Oberschenkel und strich beruhigend auf und ab. Der Drache bemerkte seine Nervosität wohl...

Trotz der vielen Drachen, blieben einige Plätze doch leer. Nicht sehr viele, aber doch einige. Der Saal war eindrucksvoll gestaltet. Sera hatte ihn den Spiegelsaal genannt, was wohl mit den Spiegeln an den Wänden zu erklären war. 

Irgendwann, nach einer kurzen Weile, erhob sich Cobalt und zog somit die gesamten Blicke auf sich. Der Drache räusperte sich und stellte sich kerzengerade auf. Zum ersten Mal war Nemesis wirklich eingeschüchtert von der Präsenz des jetzigen Königs. Er kannte die ernsten Seiten von Serafyns Vater bereits, doch diese Königs-Maske war neu für ihn. Auch sein eigener Vater wirkte angespannt. 

,,Bevor wir beginnen, möchte ich den hier Anwesenden meinen Dank aussprechen. Noch nie zuvor gab es zwei Ratssitzungen in so kurzer Zeit. Aber die Umstände verlangen es neun einmal.", Cobalts Stimme hallte im ganzen Saal wieder.

Die Umstände, dass die Wyvern ihre Freiheit zurück verlangten? Oder dass er und Serafyn heiraten wollten und ein Kind miteinander hatten? Ein Wyvernkind? Die Umstände, dass Nem Circus umgebracht hatte? 

,,Und diese Umstände wären? Gerüchte kursieren im ganzen Königreich umher, mein König. Man weiß nicht, was der Wahrheit entspricht und was nicht. Die meisten sitzen hier, weil sie Antworten wollen.", ein alter Drache in der Mitte erhob sich ebenfalls. Sein Haar war bereits ergraut und seine Flügel ledrig, nicht mehr ganz so straff. An sich machte dieser Drache keinen unguten Eindruck. 

,,Die Umstände sind vielseitig. Begonnen bei Circus' Tod bis hin zu...den Wyvern.", im Augenwinkel bemerkte Nemesis wie Cobalts Blick auf ihn und seinen Vater fiel. Jeder Muskel in seinem Körper verspannte sich noch mehr. Ein Raunen ging durch die Menge. 

,,Circus' Ableben interessiert hier niemanden. Dieser wahnsinnige Bastard soll in den ewigen Abgründen schmoren. Was die Wyvern betrifft aber, sind wir alle der Meinung, dass Ihr uns eine Erklärung schuldig seit. Man munkelt, dass einer von ihnen schon seit einigen Monaten hier in der Hauptstadt sein Unwesen treibt.", derselbe alte Drache sprach schon wieder und viele er Drachen um ihn herum nickten zustimmend. 

,,Manche von euch leben in der Hauptstadt und oder habt hier sicher schon einmal einen Heiler aufgesucht. Einige von euch kennen Arsens Heilkünste, oder etwa nicht?", Anaya war aufgestanden und streckte einladend die Hände aus. Hier und da nickte ein Drache leicht. 

,,Arsen ist ein Wyvern. Drachen haben ihm die Flügel genommen und trotzdem kümmert er sich um uns und unsere Kinder, obwohl er den Krieg zwischen den Wyvern und Drachen miterlebt hat.", sie setzte sich wieder und sah durch die Runde. Viele schienen davon überrascht zu sein. Nemesis hatte nicht gewusst, dass Arsen ein Heiler für die ganze Stadt war. 

,,Dann ist Arsen eben eine Ausnahme.", ein anderer Drache sprang auf, er war deutlich jünger und ambitionierter als jener, der zuerst gesprochen hatte. 

,,Wenn ich euch allen eine Frage stellen dürfte: Was haben die Wyvern uns in den letzten hundert Jahren angetan?", der Drache neben ihm verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Flügel an. Sein Vater gab ein verachtendes Grunzen von sich. 

Eine Weile herrschte Stille, bis derselbe junge Drache nur sehr leise weiter sprach: ,,Gar nichts."

,,Richtig. Circus hielt einen Wyvern seit dem großen Krieg in seinem Kerker fest. Ohne Licht. Ohne die Freiheit zu fliegen und unter ständiger Folter.", Cobalts Stimme war nicht mehr so ruhig wie zu Beginn. Sie war schärfer geworden. 

Nemesis sah ohne es zu beabsichtigen zu Frey hinüber, welcher den Kopf gesenkt und die Arme schützend um sich gelegt hatte. Warum saß er nicht bei ihnen?

,,Warum sitzt Frey nicht bei uns?", fragte er flüsternd, an seinen Vater gewandt, welcher bloß mit den Achseln zuckte: ,,Er wollte nicht. Er meint, er verdient es nicht."

Eine erdrückende Stille folgte auf Cobalts Worte. 

,,Was wollt Ihr mit diesen Andeutungen bezwecken, mein König? Habt Ihr denn schon vergessen, wer Euren Vater ermordet hat?", zum ersten Mal erhob sich eine junge Drachin mit dunkelgrünen Flügeln. Sie schimmerten wie tausende kleine Smaragde. 

,,Doch, das weiß ich. Mithilfe der Wyvern, konnten wir das herausfinden. Gift der Mitternachtslilie hat ihn getötet. Nach Circus' Tod haben wir uns auf seiner Festung umgesehen und das hier gefunden.", Cobalt gab Dante einen Wink, welcher daraufhin eine schwere Truhe aufhob und vor Cobalt auf den Tisch stellte. Der Drachenkönig öffnete sie und holte eine Hand voll Ampullen heraus, in denen sich eine dunkelblaue Flüssigkeit befand. Wieder ging ein Raunen durch die Menge. 

,,Damit hätte er Tausend Drachen töten können. Mein Vater war sicher nicht sein einziges Ziel.", die Truhe wurde wieder zugeklappt und entfernt. 

,,Woher wissen wir denn, dass Circus und die Wyvern nicht zusammen gearbeitet haben, mein König?", die Drachin wirkte zwar geschockt von dem Fund, aber nicht überzeugt. 

Nemesis zuckte beinahe zusammen, als sich sein Vater erhob und sprach: ,,Weil er auch versucht hat meinen Sohn, dessen Onkel, und auch mich zu töten. Fragt euren Prinzen. Er war dabei."

,,Und wer seid ihr?", die Stimme der Frau durchschnitt wieder die folgende Stimme.

,,Die Tatsache, dass keiner der Anwesenden weiß, wer ich bin, ist bloß der Beweis dafür, dass euer Hass gegenüber den Wyvern vererbt wurde. Ihr wisst nicht warum ihr uns hasst, bloß, dass es das richtige ist, denn eure Eltern haben euch das beigebracht. Ich bin Severin. Falls euch dieser Name noch immer nichts sagt: Ich bin der König der Wyvern"

Nemesis hatte nicht damit gerechnet, dass bloß Stille auf die Worte seines Vaters folgen würden. Er hatte eher mit einem Aufstand gerechnet oder etwas ähnlichem. 

,,Jetzt, da sich jeder vorgestellt hat, können wir uns endlich den wichtigen Angelegenheiten widmen: Der Krone."

DrachenblutWhere stories live. Discover now