Severin

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Nemesis ging ihm ab, als hätte er ihn seit Wochen nicht mehr gesehen, dabei war es erst knappe vier Tage her. Er vermisste die kleine Eidechse die sich zusammengerollt an ihn schmiegte.
Warum musste der Wyvern ihn immer dermaßen ärgern, wenn sie sich mal etwas länger nicht sahen?
Er schnaubte frustriert und streckte sich ausgiebig. Asterin war vorgelogen und kündigte ihre Ankunft an, sodass Severin und der Rest der Wyvern nicht glaubten, angegriffen zu werden.

,,Und? Wie glaubst du reagieren die, wenn sie den zukünftigen König ihres gestohlenen Königreichs sehen?", Arion ließ sich neben ihm nieder und gähnte. Die Sonne ging gerade auf und ein dichter Nebel lag auf der Lichtung. Von weiterem waren die Mondspitzen bereits zu sehen. Das weiße Gestein schimmerte und funkelte wie Nemesis' Schuppen.

,,Tja, ich weiß es nicht. Ich hoffe mal, dass ihnen ihr Kronprinz wichtiger ist.", hatte er vergessen es zu erwähnen? Die Drachen hatten den Wyvern das Land geraubt. Nach dem Krieg hatten die Drachen das Land eingenommen und ohne Rücksicht auf Verluste für sich beansprucht.

,,Was wird eigentlich passieren, wenn Nem seinen Vater kennenlernt? Ich bezweifle, dass der Wyvern-König einfach so wieder verschwindet ohne sein Junges.", knurrte Arion nachdenklich und warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. Sera hatte sich diese Frage auch schon oft gestellt. Er war sich zwar sicher, dass Nemesis nicht einfach mit seinem Vater abhauen würde, gerade jetzt nicht, wo sie beide ja auch Nachwuchs bekamen. Dennoch nagten Sorgen und Zweifel an ihm. Er würde seine Eltern auch nicht einfach so verlassen um mit Nem mitzukommen. Er war schließlich der Prinz. Aber genauso war Nemesis das auch.
Vermutlich würde sich Nems Existenz wie ein Lauffeuer unter den Wyvern verbreiten und ihnen Hoffnung bringen. Immerhin hatten sie geglaubt Severin wäre der letzte aus der Königsfamilie.

,,Ich weiß nicht. Nem wird sicher nicht einfach abhauen. Den Rest werden wir dann wohl irgendwann erfahren.", Serafyn sah nach oben, als Asterin zurück kam und vor ihnen landete. Er blickte finster drein und schnaubte ihnen eine Rauchwolke entgegen.

,,Bringen wir's hinter uns. Wenn ich dieser geschuppten Kröte noch einmal ins Gesicht sehen muss, beiße ich ihm den Kopf ab.", knurrte Asterin und bleckte die Zähne. Offenbar schien Severin wohl nicht allzu...gut mit anderen umgehen zu können.

Von oben sah das Gebirge aus wie ein unendlich großer Ring in dessen Mitte ein großes Schloss türmte. Rund herum standen Häuser und Seen. Es sah aus wie eine eigene Stadt mit allem, was man brauchte. Selbst Stadttore gab es, auf den Gipfeln die von großen Wyvern verteidigt wurden. Er kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Nemesis würde es hier sicherlich gefallen.

Einige Wyvern flogen herum, kleine und große. Es schmerzte ihn ein wenig zu bemerken, dass sie sofort landeten oder von ihnen Abstand hielten, sobald sie sahen, dass es sich bei ihnen um Drachen handelte. Vielleicht würde sich das ja ändern. Asterin flog auf das Schloss zu, auf dessen riesengroße Terrasse. Schon von weitem erkannte Serafyn ein paar Gestalten, die ihnen entgegen blickten. Und Wyvern, die auf sie warteten.

Asterin knurrte und landete knapp vor einem der beiden Wyvern. Serafyn verdrehte die Augen und musterte die Wyvern in ihrer Menschenform. Zwei von ihnen trugen Rüstungen und Helme. Auf ihren Rücken, zwischen den Flügeln, hingen Schwerter. Immer griffbereit, sollten sie sich verteidigen müssen.
Dann fiel sein Blick auf Severin. Als Junge hatte man ihm oft Geschichten über die Wyvern und ihrem grausamen König Severin erzählt, der unzählige Drachen niedergemetzelt hatte. Aber der Mann der vor ihm stand, wirkte anders. Er sah sofort die Ähnlichkeit zu Nemesis. Das glatte, weiße Haar, die ähnlichen Gesichtszüge und die Flügel, die nicht ganz so schimmerten wie Nems. Auf dem Hals und auf der Brust zeichneten sich seltsame Muster in schwarzer Farbe ab und sein Blick war kalt und hart. Ganz anders als Nems.

,,Wie ihr seht sind die Wunden die der Krieg an uns hinterlassen hat noch nicht verheilt. Man fürchtet euch Drachen. Man hasst euch. Warum bedeutet es euch also so viel, dass ich eurer Behauptung glauben schenke?", Severin musterte sie misstrauisch und ging ein paar Schritte um sie herum. Er war nicht bewaffnet, doch Serafyn hatte trotzdem das Gefühl dem Wyvern unterlegen zu sein.

,,Weil es Nemesis wichtig ist. Er hat herausgefunden, dass Faeya schon lange tot ist. Ihren letzten Brief habt Ihr sicher gelesen.", er war sich nicht sicher ob Severin ihn hören konnte oder nicht.
,,Warum ist er dann nicht selbst hier? Diese Frage wollte mir euer Bote nicht beantworten.", Severin blieb vor ihm stehen und sah zu ihm auf.
,,Ich glaube wir besprechen das lieber in Ruhe."
Der Wyvern zögerte und kniff die Augen zusammen, ehe er knapp nickte.

,,Du kannst mit, der Rest bleibt hier draußen."

Das Schloss war hell und offen. Die Saale waren groß und die Decken hoch. Genug Platz um sich verwandelt zu können. An den Wänden hingen Lampen, die zu seiner Überraschung nicht durch Feuer leuchteten sondern durch einen kleinen Kristallkern.
Severin führte sie in einen großen Raum, in der eine Tafel gedeckt mit Früchten und Säften stand.

,,Du siehst aus wie der Vater deines Vaters.", meinte der Wyvern irgendwann und setzte sich an das Kopfende der Tafel. Serafyn setzte sich nach einem kurzen Zögern auf einen der Stühle, die etwas weiter weg standen.
,,Das höre ich oft. Mehr oder weniger zumindest.", und wie oft er hörte, dass er aussah wie sein Vater. Nicht, dass es ihn störte., früher war er nur seiner Mutter sehr ähnlich gewesen, bis sich sein Haar schwarz gefärbt hatte...

,,Wieso ist Nemesis nicht selbst hier?"
,,Wollt Ihr die Kurzfassung oder die ganze Geschichte mit Details?", das erste wäre einfacher, zumindest solange er nicht erwähnte, dass Nem von ihm schwanger war.
,,Vorerst reicht mir die Kurzfassung. Denke ich.", die Züge des Königs waren weicher geworden und er wirkte nicht mehr ganz so kalt und hart. Eher...erschöpft.

,,Nemesis bekommt Nachwuchs.", er lehnte sich soweit es ging zurück und war froh um den Abstand zwischen ihnen beiden, denn hätten Blicke die Fähigkeit zu töten, dann läge er bereits unter der Erde.
Severins Flügel zuckten, als er aufstand und sich auf dem Tisch abstützte. Seine Knöchel traten weiß hervor, so fest ballte er seine Hände zu Fäusten.
,,Wie ist das passiert?!"
Erst verstand Serafyn nicht genau, was der Wyvern meinte. Wer wusste denn nicht wie ein Kind entstand? Nach einigen Sekunden aber, war ihm bewusst worauf Severin hinaus wollte.

,,Keine Sorge, es ist ein Kind der Liebe. Nemesis wurde zu nichts gezwungen oder auch nur auf irgendeine sonstige Art und Weise verletzt. Es geht ihm sehr gut."
Serafyn verstand das Misstrauen ihm gegenüber. Hätte man ihm erzählt, dass er einen Sohn hatte, dieser aber nicht fähig war zu ihm zu kommen, würde er es auch kaum glauben.
Severin atmete tief durch und sah auf: ,,Mit einem Drachen?"
Er nickte leicht und erzählte: ,,Nem ist bisher kaum geflogen. Er musste seine Flügel abbinden um zu verstecken, was er ist. In einem Dorf voller Menschen ist es nicht gut, auch nur Ähnlichkeiten mit Drachen zu haben. Seit er in m....unserer Obhut ist hat er gelernt sich zu verwandeln und zu fliegen, zwar nur sehr kurze Strecken, aber es wird besser."

,,Ich verstehe.", Severin schlug die Augen nieder und massierte sich die Schläfen.
,,Aber ich kann euch nicht einfach blind vertrauen. Auch wenn ihr die Wahrheit sagt, ist es zu gefährlich für mich, in die Hauptstadt zu fliegen. Zu viele von eurer Art wollen meinen Tod."
,,Ich weiß, darum hätte ich Euch ein Angebot gemacht. Asterin lebt im Gebirge auf einer Festung. Niemand kommt dort hinein oder hinaus, ohne dass er es bemerkt. Es ist auch ein Zufluchtsort für viele Menschen und Halblinge. Nemesis wartet dort auf euch. Gemeinsam mit Arsen, falls Ihr euch noch an ihn erinnert."
,,Arsen? Natürlich erinnere ich mich an ihn. Ich habe ihn befreit und er hat mir angeboten mein Spitzel zu sein unter euch Drachen, sodass wir früh genug gewarnt werden, solltet ihr Drachen uns hier finden."

Serafyn formte ein stummes O mit seinen Lippen und richtete sich dann auf um seine Flügel zu strecken.
,,Die Festung liegt sehr abgelegen und weit weg von der Hauptstadt. Es ist also sicher dort. Und kein einziger Drache außer denen, die hier sind und meinem Vater, würden von Eurem Besuch wissen.", erklärte Sera eindrücklich und wiederholte: ,,Niemand weiß von Eurer Reise dorthin oder bekommt davon mit."

DrachenblutWhere stories live. Discover now