Der richtige Umgang mit Verlusten

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Nemesis stockte für einen Moment der Atem. Er war ein wenig verwundert darüber, dass Kaz so mit ihm sprach. Gestern noch hatte der Wyvern ihm noch den Handrücken geküsst und jetzt?

Er ließ sich so einiges gefallen, aber das ging zu weit. Auch wenn er sich selbst nicht wirklich wie einer fühlte, war er ein Prinz und Kaz stand unter ihm.

,,Was fällt dir eigentlich ein? Für wen hältst du dich eigentlich?!", noch nie war Nemesis so dankbar darüber gewesen, sich doch noch etwas angezogen zu haben, ehe er eingeschlafen war. Genau für solche Momente, in denen er nicht einfach nur sitzen bleiben wollte aber auch keine Lust hatte nackt dazustehen.

,,Was mir einfällt?", Kaz wirkte wenig eingeschüchtert, als er vor dem anderen Wyvern stehen blieb und ihn wütend anfunkelte.

,,Ich bin nicht der Prinz, in den alle Hoffnungen gesetzt haben und sich dann als so eine Enttäuschung entpuppt. Da hätte der König dich lieber mal bei deinen Drachenfreunden lassen sollen.", der andere Wyvern machte einen Schritt auf ihn zu und beugte sich über ihn. Kaz' Gesicht war nur um eine Haaresbreite von seinem entfernt.

Er schluckte die Wut und den Ärger den diese Worte in ihm auslösten hinunter und atmete tief durch. Sich hier drinnen zu verwandeln und Kaz den Kopf abzubeißen wäre vermutlich keine so gute Idee...Noch nicht zumindest.

,,Du bist doch nur neidisch, dass du nicht in meinem Bett liegst.", Nemesis legte den Kopf schief und runzelte die Stirn, als der andere Wyvern zurück wich und ertappt mit den Flügeln zuckte. Aha. Er hatte also einen wunden Punkt getroffen.

,,Du hast dir nach gestern sicher schon vorgestellt wie es wohl wäre, hm?", stichelte er weiter. Unwillkürlich verzogen sich seine Lippen zu einem verstohlenen Grinsen.

Nem hatte gar nicht gehört, wie Serafyn das Bett verlassen hatte und sich hinter ihn gestellt hatte. Erst, als der Drache die Hände auf seine Hüften legte, bemerkte der junge Wyvern die Präsenz des anderen.

,,Der König hat mir den Auftrag erteilt dir die Stadt zu zeigen.", Kaz schien sich geschlagen zu geben, ignorierte jedoch den Drachen und würdigte ihn nicht eines Blickes.

,,Wir können uns auch ohne dich umsehen.", obwohl Seras Stimme keinesfalls drohend klang, hatte sie dennoch einen scharfen Unterton.

,,Tsk. Es gibt kein Wir. Drachen sind hier nicht erwünscht, du kannst schön hier bleiben.", der Wyvern warf nur einen kurzen, verachtenden Blick zu Serafyn und verschränkte die Arme vor der Brust.

Nemesis war sich sicher, noch nie so viel Wut in sich gespürt zu haben. Am liebsten würde er Kaz aus dem Fenster werfen, aber irgendetwas sagte ihm, dass diese ganze Aufregung dem Baby nur schaden würde, je länger diese anhielt.

,,Unser Baby würde also in Gefangenschaft aufwachsen, sollte es ein Drache werden und Nem sich dazu entscheiden hier bleiben zu wollen?", Serafyn betonte das erste Wort ganz besonders stark, als wollte er klar machen, dass Kaz sowieso keine Chance hätte.

Für einen Moment breitete sich Verwirrung auf dem Gesicht des anderen Wyvern aus, während er zwischen ihnen beiden hin und her sah.

,,Ach? Der Prinzling hat es dir also noch gar nicht gesagt?"

Oh nein. Er wollte auf gar keinen Fall, dass Serafyn es so erfuhr.

,,Verschwinde, Kaz. Es reicht jetzt."

,,Du hast es ihm also tatsächlich noch nicht gesagt.", stellte der Wyvern erstaunt fest. Serafyn stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben, gemeinsam mit noch etwas anderem. War es Zorn? Besorgnis?

,,Was hast du mir nicht gesagt, Nem?", die Stimme des Drachen jagte einen kalten Schauer über seinen Rücken. Sera war definitiv sauer.

Nemesis schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter und atmete zittrig durch. Er spürte bereits wie sich Tränen in seinen Augen ansammelten.

,,Ja Nem, warum hast du es deinem Geliebten denn nicht gesagt? Schließlich ist es doch nicht nur dein, sondern euer Kind.", Kaz schien das ganze wohl Spaß zu machen, und um ehrlich zu sein verstand Nemesis nicht, weshalb Serafyn den anderen Wyvern nicht schon längst zum Teufel gejagt hatte. Stattdessen standen sie nebeneinander und redeten auf ihn ein.

,,Nemesis. Was verheimlichst du mir?", es kam selten vor, dass der Drache ihn bei seinem vollen Namen nannte.

,,Wenn unser Kind ein Drache werden sollte, stirbt es. Ich hoffe ihr seid jetzt zufrieden!", platzte es schließlich aus ihm heraus, ehe Kaz den Mund noch einmal aufmachen konnte.

Nemesis verließ eilig seine Gemächer, ehe die ersten Tränen über seine Wangen rollten. Er hatte versucht es irgendwie auszublenden, indem er nicht daran dachte. Aber jetzt, wo er es zum ersten Mal tatsächlich selbst ausgesprochen hatte, traf es ihn wie ein Schlag ins Gesicht.

Der klägliche Versuch tief durchzuatmen scheiterte und endete als ein Schluchzen. Die Tränen in seinen Augen trübten die Sicht des Wyvern, und er stieß mit jemandem zusammen. Noch schlimmer konnte es wohl nicht werden...

,,Nemesis? Was ist denn los?", als er aufsah und das besorgte Gesicht seines Vater erkannte atmete er beinahe schon erleichtert auf. Er fühlte sich wie ein Kind, als er spürte wie sich zwei Arme um ihn legten und fest hielten.

Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er tatsächlich von seinem Vater in den Arm genommen wurde. Auf eine bestimmte Art und Weise, fühlte es sich seltsam an, von einem anderen Mann umarmt zu werden, außer Serafyn. Er hörte entfernte Schritte, die immer näher kamen und verbarg sein Gesicht an Severins Brust. Der Geruch seines Vater hatte etwas beruhigendes an sich, etwas, dass ihm das Gefühl von Sicherheit gab.

Nicht auf dieselbe Weise, wie bei Serafyn. Sondern eben...anders.

,,Komm mit. Wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen.", nichts lieber als das. Er brauchte nun einfach seine Ruhe. Ohne Serafyn, ohne Kaz.

Es war beinahe schon seltsam wie sehr ihn die Anwesenheit seines Vaters dabei half sich zu beruhigen.
Severin stellte keine Fragen, er leistete ihm einfach nur Gesellschaft.

Auf eine merkwürdige Art und Weise fühlte er sich sicher und geborgen. Nemesis kannte die Verhaltensweisen der Wyvern nicht wirklich und wusste daher auch nicht, ob das etwas ganz normales war.

Seine Spezies hing sehr an ihren Jungen und kümmerten sich auch um sie, und auch sein Vater hatte einmal erwähnt, dass die Eltern eine sehr starke Bindung zu ihren Jungen aufbauten.

Sein Vater hatte sie in eine Höhle geführt, in der kleiner Wasserfall vor sich hin plätscherte und in ein Steknbecken fiel.

,,Deine Mutter und ich haben uns hier oft vor unseren Eltern versteckt. Um genauer zu sein vor meinen."

Nemesis Kopf schnellte nach oben und erwartungsvoll blickte er in die grauen Augen seines Vaters. Sie hatten nicht nicht wirklich Zeit gehabt um über ihre Vergangenheiten zu reden. Sicherlich wollte sein Vater wissen, wie er seine Kindheit verbracht hatte und mit wem, genauso wie er alles darüber erfahren wollte, was Severin betraf.

Nem konnte sich gut vorstellen, wie seine Eltern in der genau selben Position hier lagen, wie sie beide in diesem Moment.

Ein weiteres Mal bedauerte er es, seine richtige Mutter nie kennengelernt zu haben. Er fürchtete sich davor, das umgekehrte Schicksal auch noch durchmachen zu müssen.
Sein Kind niemals kennenzulernen.

,,Wie bist du damit umgegangen, als du gedacht hast, Mutter und ich seien tot?", vielleicht konnte sein Vater ihm ja dabei helfen. Immerhin hatte dieser ja Jahre lang so gelebt.

Nemesis spürte das Vibrieren des anderen Körpers als Severin summte.

,,Nemesis, dein Kind ist nicht tot. Bei weitem nicht. Es wächst doch gerade erst heran, jetzt schon das schlimmste zu befürchten ist nicht richtig.", der andere Wyvern machte eine kurze Pause wandte seinen Kopf dann ihm zu.

,,Es ist möglich, dass euer Kind nicht überleben wird, aber es ist nicht in Stein gemeißelt. Ich weiß, dass meine nächsten Worte dir keinerlei Trost spenden werden, aber es ist leichter, ein Kind gleich bei der Geburt zu verlieren, als nach einiger gemeinsamen Zeit."

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