Rote Schuppen

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,,Er verschweigt uns etwas, Serafyn!", Nemesis konnte noch immer nicht glauben, dass Sera so locker damit umging, während er selbst aufpassen musste sich nicht gleich vor Wut zu verwandeln. Sein Vater würde ihnen sicher nichts verheimlichen, dass ihre Sicherheit beeinflusste.

,,Nem, vielleicht geht es um persönliche Dinge oder die Heimat der Wyvern oder etwas ähnliches. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, ja?", der Drache umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen.

,,Freu dich doch lieber darauf, Artgenossen zu treffen. Sie werden sich sicher freuen, wenn sie von dir erfahren und dann auch noch von unserem Nachwuchs.", Seras Versuche ihn abzulenken waren lieb, aber nicht wirklich hilfreich.

Ob die Wyvern sich wohl immer noch so sehr freuten, wenn sie erfuhren, dass er den Thronfolger der Drachen liebte? Vermutlich eher nicht...

,,Ich weiß woran du denkst, Nem. Geh nicht immer vom Schlimmsten aus."

,,Wieso nicht? Dann freue ich mich wenigstens, wenn es nicht ganz so schlimm wird...", er hatte sich schon immer der Kopf über solche Dinge zerbrochen. Auch damals, als er mit seinem Ziehvater in die Hauptstadt gegangen war. Warum hatte er mitgehen müssen und keiner seiner Brüder?

Vielleicht hatte sein Ziehvater ja gehofft, er würde an Erschöpfung sterben...

Nemesis verließ das Bett und stellte sich vor den Spiegel. War es selbstverliebt zu sagen, dass er sich selbst hübsch fand? Nemesis erkannte sich selbst oft nicht wieder. Von dem Jungen von damals war nichts mehr zu sehen. Seine Flügel waren frei, sein Körper nicht mehr unterernährt und kränklich. Und seine Haut nicht mehr so fahl. Die dunklen Ringe unter seinen Augen waren schon längst weg und er konnte mittlerweile sogar schon ein bisschen lesen. Kurze und unkomplizierte Worte. Alles was mehr als fünf Buchstaben hatte war noch immer eine Herausforderung für ihn.

,,Wenn ich an den Jungen zurück denke, der damals in der Hauptstadt so tollpatschig gegen mich gelaufen ist, fällt es mir schwer zu glauben, dass es derselbe Junge ist, der hier vor mir steht.", Serafyn stellte sich hinter ihn und legte die Hände auf seine Hüften. Seine dunklen Flügel schimmerten im Kerzenlicht wie Saphire. 

Als hätte der Drache bemerkt, dass er gerade seine Schwingen bewunderte, breitete Sera sie aus. Ein wenig verlegen senkte Nemesis den Blick. 

,,Wir sollten langsam schlafen gehen, Nem. Morgen wird ein langer Tag."

Vermutlich hatte Serafyn recht. Auch wenn die Zweifel an ihm nagten wie Mäuse und seine Gedanken keine Ruhe geben wollten, er musste versuchen zu schlafen. Noch weiter herum zu grübeln war auch nicht die beste Idee. Er bezweifelte stark, dass sein Vater ihm etwas verheimlichte, dass eine Gefahr darstellen konnte. Vielleicht war es ja etwas, das seine Familie betraf, oder seine Mutter. Etwas, das nicht jeden zu interessieren hatte. 



Die Sonne war gerade dabei aufzugehen, als Nemesis den Hof betrat. Er trug einen dicken Schal um den Hals und einen Mantel. Er vergaß manchmal bei den eisigen Temperaturen in den Bergen, dass es beriets Frühling war. 

Auch wenn sie nun ein paar Tage unterwegs sein würden, konnte er es kaum fassen bald unter Artgenossen zu sein. Noch vor ein paar Monaten hatte er in einer alten Hütte im Wald gelebt und jetzt war er ein Wyvernprinz. 

,,Guten Morgen.", die Stimme seines Vaters riss ihn aus den Gedanken und ließ ihn aufsehen. Der weiße Wyvern beugte den Kopf zu ihm hinunter und stieß ihn sanft an. Unwillkürlich schlich sich ein müdes Lächeln auf sein Gesicht. Ein Teil von ihm würde liebend gerne selbst fliegen. Aber die Vernunft hatte glücklicherweise die Überhand gewonnen. 

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