Gefundenes Fressen

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Seit dem Vorfall mit Kaz waren inzwischen einige Tage vergangen. Serafyn und er hatten sich die Stadt angesehen, ohne den anderen Wyvern natürlich. Während in den meisten Gesichtern der Bewohner Verwirrung und Entsetzen zu erkennen war, gab es auch einige, die ihnen freundlich entgegen blickten und ein paar Kinder die ihnen folgten, weil sie noch nie einen Drachen gesehen hatten.

Nemesis' Existenz und Anwesenheit mussten sich wohl sehr schnell herumgesprochen haben, denn trotz Serafyn, und dem Wissen dass er ein Drache war, behandelten ihn alle mit Respekt und mehr als ein paar Blicke wurden ihnen nicht zugeworfen. Keine Beleidigungen, keine Drohungen oder Angriffe. Gar nichts. 

Mit großer Sicherheit verließen sie sich darauf, dass ihr König nicht einfach so einen Drachen hier duldete.

,,Was möchtest du heute machen?", während Serafyn ausgestreckt im Bett lag und noch vor sich hin döste, war Nemesis gemeinsam mit dem Baby wach geworden. Als er zum ersten Mal die Bewegungen des Kleinen gespürt hatte, befürchtete er bereits sich alles nur eingebildet zu haben. Immerhin waren es doch erst etwas mehr als vier Monate in denen er schwanger war. Manchmal vergaß Nemesis, dass es bei Wyvern nicht annähernd so lange dauerte wie bei Drachen und Menschen. Von seinem Bäuchlein war noch nicht allzu viel zu sehen. Eine kleine Rundung, als hätte er etwas zu viel gegessen, aber nicht mehr. Umso mehr wunderte es ihn, dass das Kleine schon so aktiv war. 

Er hatte eigentlich damit gerechnet die meiste Zeit der Schwangerschaft im Bett zu verbringen, oder gemütlich in einem Stuhl mit einem Buch, das er mittlerweile lesen könnte, stattdessen fühlte er sich so energiegeladen wie noch nie zuvor.

,,Nemesis, die Sonne ist noch nicht einmal aufgegangen. Lass mir noch ein paar Stunden Schlaf, ja?", murrte der Drache und kehrte ihm den Rücken zu. Er konnte es Serafyn keinesfalls übel nehmen, dass dieser um diese Zeit noch nicht so munter war wie er. Vor allem nicht jetzt, wo Sera die ganze Zeit um ihn herumschwirrte und bemutterte. Für den Drachen musste seine Aktivität schrecklich erschöpfend sein. 

Nemesis zog die Vorhänge wieder zu und warf sich einen dünnen Seidenmantel über, ehe er leise seine Gemächer verließ. In den Gängen war es noch recht ruhig. Hin und wieder kam ihm ein Diener oder ein Wachmann entgegen, ansonsten war es ruhig in dem Schloss. 

Etwas verwirrt runzelte der Wyvern die Stirn, als er eine seltsam bekannte Stimme hörte. Bildete er sich das nur ein?

Nemesis traute seinen Augen kaum, als er tatsächlich Asterin und Anaya, gemeinsam mit Arion und Dante am Ende des Ganges stehen sah. Die Drachen unterhielten sich mit seinem Vater, welcher selbst so aussah, als hätte man ihn direkt aus dem Schlaf gerissen. 

Seine Freude verflog so schnell wie sie gekommen war. Was machte die Truppe hier? Er war sich sicher, dass sie nicht einfach nur Lust hatten ihnen einen Besuch abzustatten. 

,,Na wen haben wir denn da?", Arion war der erste, der ihn bemerkte, als Nemesis sich zu ihnen gesellte. 

,,Ist etwas passiert?"

,,Noch nicht. Cobalt hat ein Ratstreffen verlangt. Und alles genauere, wirst du wohl aus Asterin heraus quetschen müssen. Wir sind nur die Aufpasser und Anaya sorgt für ausreichend Unterhaltung.", antwortete Arion leise und zwinkerte ihm schief grinsend zu. 

Ein Ratstreffen? Davon hatte der Wyvern noch nie gehört. 

,,Führen wir dieses Gespräch in Ruhe fort, nicht hier.", sein Vater unterbrach Asterin und wandte sich dann ihm zu: ,,Mach dir keine Sorgen, Nem. Geh wieder ins Bett und ruh dich aus."

,,Ich würde aber gerne dabei sein. Ich kann ohnehin nicht mehr schlafen und weiß nichts mit mir anzufangen.", eigentlich hatte er bloß genug davon immer und immer wieder von wichtigen Besprechungen ausgeschlossen zu werden. Betraf es ihn denn nicht?

Doch, und wie es das tat. Es betraf ihn, sein Kind, seine Art, es betraf jeden.

Einen Moment lang schien sein Vater unentschlossen zu sein. Warum durfte er denn nicht dabei sein?

,,Irgendwann einm werde ich dich auf deinem Thron sitzen und dann habe ich keine Ahnung von Versammlungen oder sonst etwas von dem, was du tust, wenn ich nie dabei sein darf.", naja der Hauptgrund war eigentlich seine Neugier. Es musste einfach etwas vorgefallen sein!

Sein Vater masssierte sich die Schläfen und schnaubte:
,,Du tust sowieso das was du willst. Geh und hol Serafyn auch dazu."

Wo der Wyvern nun einmal recht hatte da hatte er recht.

Serafyn sah aus als würde er jede Sekunde einschlafen. Er hatte sich zwar gefreut endlich wieder ein paar Drachen zu sehen, soviel konnte Nemesis sagen, aber das hatte nichts an der Müdigkeit seines Gefährten geändert.

Sie saßen in einem großen Saal mit einem Kamin und bequemen Couchen. Draußen ging gerade die Sonne auf und warf ihre ersten Strahlen über die Stadt.
Ein wunderschöner Anblick, wenn nicht diese unangenehme Anspannung in der Luft lag.

Jeder von ihnen wusste, dass etwas vorgefallen sein musste, wenn Cobalt ein Ratstreffen verlangte. Wie Nemesis mitbekommen hatte, war dies nämlich nichts gewöhnliches. Drachen aus dem gesamten Königreich würden teilnehmen, egal, ob sie am anderen Ende des Landes lebten oder nicht weit weg.

,,Das Treffen wird in einem Monat stattfinden. Crystal hat mich darum gebeten euch davon zu informieren. Da es ein Drachenratstreffen sein wird, sind Wyvern davon ausgeschlossen. Bevor du also auf die Idee kommst zu fragen: Nein Nemesis, hierfür gibt es keinerlei Ausnahmen, esseidenn Cobalt will sich das gesamte Königreich zum Feind machen.", begann Asterin und wandte sich ihm zu.

Sein Vater murmte etwas unverständliches und verdrehte die Augen.

Verdutzt runzelte Nem die Stirn. Unter normalen Umständen hätte er darauf bestanden mitzukommen, aber nicht wenn zu diesem Zeitpunkt sein Kind zur Welt kommen würde.

,,Aber das heißt doch, Serafyn wird bei der Geburt unseres Kindes nicht hier sein...", Serafyn schien auf einmal hell wach zu sein. Er wirkte auch nicht gerade begeistert von dieser Vorstellung.

,,Ich verstehe nicht, was meine Rolle dabei sein wird. Noch bin ich nicht König. Bis dahin interessieren mich solche Sitzungen also auch nicht. Ich bleibe hier, bei Nem.", Sera legte einen Arm um ihn und zog ihn etwas näher an sich heran.

Einen kurzen Moment lang herrschte Stille und nur ein paar Blicke wurde ausgetauscht.

,,Serafiyn, von allen hier verstehe ich dich am besten, wenn es darum geht bei seinem Kind sein zu wollen, aber du bist der Thronfolger und wenn Circus auftaucht und allen Anwesenden klar macht, dass sich ihr zukünftiger König einen Dreck für die Sitzung interessiert, weil er lieber bei den Wyvern bleibt, was denkst du wird dann passieren?", es war das erste Mal, dass er Asterin so verärgert erlebte.

Manchmal vergaß er, dass Serafyn noch immer der Thronerbe der Drachen war und damit auch seine Pflichten hatte, denen er nachgehen musste, im Gegensatz zu ihm.

Circus schien ein wirklich ernstes Problem zu sein. Mit seinem Hass gegenüber den Wyvern hatte er sicher auch noch viele Anhänger... Vielleicht war es ja gerade deshalb so wichtig, dass Serafyn auch anwesend war...

,,Was wenn wir gleich zurück in die Hauptstadt fliegen? Dann ist Serafyn schon dort und... ", ehe Nemesis den Satz zu Ende sprechen konnte, wurde er von seinem Vater unterbrochen.

,,Auf gar keinen Fall, das kommt nicht in Frage. Bis du dein Kind in den Armen hältst und selbst gesund bist, wirst du mein Königreich nicht verlassen. Ich werde das Risiko nicht eingehen, dass dir etwas passiert. Du bist ein Wyvern und auf einer Featu g voller Drachenkönigen bist du gefundenes Fressen."

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