Kein Mensch

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Oben seht ihr das Kleid das Crystal ausgesucht hat

Nemesis starrte auf das Kleid in seinen Händen. Ein Kleid, das er ganz sicher nicht tragen würde. Nicht mehr. Er ließ sich hier doch nicht an der Nase herum führen! Cobalt hatte zwar erwähnt, dass er Serafyn irgendwann einmal heiraten sollte, dabei war aber nicht ein einziges Mal die Rede von heute. Er warf das Kleid wieder auf den Boden und schloss für einen Moment die Augen. Was sollte er denn jetzt tun? Er fühlte sich wieder eingeschlossen. Nein, wie eine nutzlose Schachfigur auf einem Brett umgeben von Königen und Königinnen, während er bloß ein Bauer war. Man bewegte ihn wie man es wollte und er spielte auch noch mit. Interessierte sich denn niemand dafür, was er wollte? Oder von der ganzen Sache hielt? Zählte seine Meinung denn nicht?!

Er war kein Mensch, den man einfach unterwerfen konnte und Befehle erteilte. Bei diesem Spiel würde er nicht mehr mitmachen. Und er würde sich auch nicht mehr in seinen Gemächern verstecken und abwarten, was man ihm als nächstes auftrug. Nemesis hob das Kleid wieder auf und verließ seine Gemächer. Er eilte durch die Gänge und stieß dabei fast mit Dante zusammen.

,,Du hasts ja eilig. Was hast du da?", er blockierte den Weg und folgte seinen Bewegungen, wenn Nem versuchte dem Drachen auszuweichen.
,,Mein Hochzeitskleid. Wo ist der Ballsaal?", im Moment war ihm wirklich nicht danach mit irgendjemandem zu sprechen.
,,Den Gang entlang bis du zu einem großen Tor kommst. Ich wusste gar nicht, dass du heiratest."
,,Ich auch nicht.", murrte Nemesis und huschte an Dante vorbei, bevor dieser den Zusammenhang fand und vielleicht versuchte ihn von seinem Vorhaben abzubringen.

Die beiden Wachen an dem Tor verbeugten sich knapp und öffneten dann die beiden Flügeltüren. Der Ballsaal war riesig. Die Wände schienen so hoch zu sein, dass er darin sogar fliegen könnte und der Boden so poliert, dass sich die Decke mit den Kronleuchtern darin spiegelte. Er hatte nur einen kurzen Augenblick Zeit um alles zu bewundern, denn Serafyn hatte ihn bemerkt und kam stirnrunzelnd auf ihn zu.

,,Was machst du hier, Nem? Und voll allem in diesem Aufzug?!", er hatte beinahe vergessen, dass er noch immer bloß den Seidenbademantel trug. Vermutlich hatten die Wachen ihn deshalb so angestarrt...
Dann fiel Seray Blick auf den Stoffhaufen in seinen Händen, doch bevor er etwas sagen konnte, kam Cobalt gemeinsam mit seinen Cousins zu ihnen.
,,Was ist hier los?", fragte er und sah zwischen ihn, Serafyn und dem Kleid hin und her. Er machte gerade den Mund auf, doch Nemesis unterbrach den Drachen: ,,Ich bin keine Puppe, mit der man machen kann, was man will. Ich spiele hier nicht mehr mit."
Er warf das Kleid gegen Cobalts Brust und machte auf dem Absatz kehrt. Er hörte Serafyns Stimme, aber verstand nicht genau was der Drache sagte. Stumme Tränen rannten entlang seiner Wangen hinunter. Wie hatte er denn nur so dumm sein können und geglaubt man würde ihn wie einen Drachen behandeln, trotz der Tatsache, dass er keiner war.

Er riss die Türe zu seinen Gemächern auf und knallte sie hinter sich zu. Zyra war da und sah ihn verwirrt an. In den Händen hielt er eine Holzkiste und stellte sie auf dem Boden ab.
,,Verschwinde! Sofort!", fuhr Nemesis den Drachen an, welcher überraschender Weise tatsächlich auf ihn hörte und verschwand.
Nem atmete einige Male tief durch. Er wollte nachhause. Weg von hier und den ganzen Drachen, die ihn behandelten wie einen...einen dummen Bauernjungen.
Sie behandelten ihn wie das, was er auch war.

Nemesis sank in sich zusammen und verbarg das Gesicht hinter seinen angezogenen Beinen. Es hatte doch so gut begonnen...
Er zuckte zusammen und sah auf, als die Türe ruckartig geöffnet wurde, bereit sich zu verteidigen, falls er es musste. Aber es war nur Serafyn.
Der Drache sagte nichts, sondern setzte sich neben ihn auf dem Boden. Er wusste nicht genau warum ausgerechnet Seras Präsenz ihn nach allem beruhigte. Einige Minuten verstrichen, in denen kein Wort gefallen war. Vorsichtig legte Serfyn einen Arm um ihn und zog ihn an sich.
,,Ich wusste nicht, dass er heute heiraten sollten, Nem. Mein Vater dachte es wäre eine nette Überraschung, das für uns zu übernehmen."
Tatsächlich? Oder versuchte Sera bloß sich aus diesem Schlamassel herauszureden?
,,Ich will hier weg.", war das einzige, das er hervorbrachte.
,,Nem...ich kann nicht einfach verschwinden, nicht jetzt. Nicht heute.", Serafyn zog ihn vorsichtig auf die Beine und wartete einige Sekunden lang, in denen keiner von beiden etwas sagte.

Er fühlte sich wie ein Gefangener. Durfte er denn auch nicht verschwinden? Woran dachte er denn da eigentlich!? Nemesis wollte den Drachen auf  gar keinen Fall verlassen, aber zugleich wollte er auch nicht den Eindruck machen, dass man mit ihm tun und lassen konnte, was man wollte.

,,Kann ich dich etwas fragen, Nem?", Serafyn wich seinem Blick aus und biss auf die Innenseite seiner Wange. Nemesis nickte knapp und fuhr sich mit dem Ärmel des Bademantels übers Gesicht.
,,Ich....Bitte versteh mich nicht falsch, ja?"
Verwirrt runzelte er die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust.

,,Wieso...willst du mich denn nicht heiraten?"
,,Es ist nicht so, dass ich dich nicht heiraten möchte, Sera! Nur, will ich das tun ohne, dass es mir jemand vorschreibt. Ich will nicht behandelt werden, wie ein willenloses Ding. Ich will selbst entscheiden können."
,,Das heißt also, du würdest mich irgendwann heiraten?"
,,Natürlich, aber nur in der Gegenwart beider Familien. Und nicht in einem Kleid!", etwas Würde wollte er zumindest behalten.

Serafyn atmete erleichtert aus und schlug für einen Moment die Augen nieder.
,,Mein Vater hat es sicher nicht böse gemeint, Nem. Ich verstehe es, wenn du heute nicht am Ball teilnehmen willst. Es ist deine Entscheidung, ob du hingehst oder nicht. Wo der Ballsaal ist weißt du jetzt ja.", Sera strich ihm eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht und fuhr über seine Wange. Er hatte also tatsächlich einmal eine Wahl?
Cobalt hatte ihm dann ja wohl erzählt, dass sie beide miteinander ein Gespräch geführt hatten und Nemesis am Ball teilnehmen durfte.

Nemesis nickte stumm und ließ seine Flügel hängen. Ganz zufrieden war er noch immer nicht mit der Situation, auch wenn er irgendwo verstand, dass Cobalt versucht hatte seinem Sohn eine Freude zum Geburtstag zu machen.
,,Ich weiß noch nicht ob ich teilnehmen möchte. Ich hätte jetzt gerne einfach ein wenig Ruhe.", Nem kehrte dem Drachen den Rücken zu und streckte sich, wobei der Stoff des Bademantels etwas nach oben glitt.

,,Was ist da passiert?", Serafyn strich über den Leinenstoff an seinem Oberschenkel und runzelte die Stirn.
,,Das ist nichts. A...Anaya wollte nur eine Schuppe haben, weiter nichts.", den Teil mit der Tinktur ließ er lieber mal aus.
,,Was?! Hat sie gesagt, was sie damit will?", Nemesis war etwas überrascht über das plötzliche Unbehagen des Drachen. Was war denn schon dabei, wenn sie eine Schuppe von ihm hatte?
,,Nein, sie hat es mir nicht erzählt. Wieso? Sie kann mich damit doch nicht verfluchen, oder?", scherzte Nem und legte eine Hand auf Serafyns Arm.
,,Ich...Ich bin gleich wieder da, Nem. Warte hier auf mich.", ohne weiteres wandte der Drache sich von ihm ab und stürmte regelrecht aus den Gemächern. Verwunderst starrte Nemesis auf die Türe. Ein Gefühl sagte ihm, dass Sere etwas sehr wichtiges verheimlichte...

Er schnaufte und schlich sich ebenfalls zur Türe hinaus und hoffte Serafyn irgendwie folgen zu können.

DrachenblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt