Übermut

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,,Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht.", waren Asterins erste Worte, als er den Speisesaal betrat und sich hinsetzte.
,,Fang mit der guten an."

Asterin schnaufte und holte erst einmal tief Luft: ,,Ich habe Severin gefunden."
Das war doch mehr als nur gut! Nemesis würde es kaum glauben können! Bevor der Prinz den Mund öffnen konnte, fuhr der ältere Drache fort: ,,Das Problem ist, er traut uns nicht. Würde ich auch nicht, wenn ich von allen Drachen gehasst werden würde. Ich habe ihm Faeyas Brief gezeigt und selbst dem gegenüber war er sehr misstrauisch."

Serafyn runzelte die Stirn und kaute auf der Innenseite seiner Wangen herum. Eine Überraschung war das nicht. Wyvern waren gejagt worden und vertrieben, da war es kein Wunder, dass Severin nicht sofort aufsprang und los flog. Es war viel zu gefährlich.
,,Dann fliegen wir eben zu ihm."
,,Ich glaube nicht, dass Nemesis einen so langen Flug mitmacht. Er hat es damals kaum hier her geschafft. Und jetzt ist er auch noch schwanger. Wyvern stecken das besser weg, aber ich glaube trotzdem nicht, dass die Anstrengung gut für ihn wäre.", meinte Asterin ernst und massierte sich die Schläfen.
,,Wie lange bist du geflogen?"
,,Etwa vier Tage. Die Nächte habe ich mich ausgeruht."
Auch wenn sie die Nächte rasten würden, war die Anstrengung für Nem mit Sicherheit viel zu groß.

,,Was wenn ihr ihn bitten auf deine Festung ins Gebirge zu kommen? Wir erklären ihm die Umstände, vielleicht lässt er sich ja davon überzeugen. Ich werde mit dir zu ihm fliegen, vielleicht ist es ja auch etwas anderes, wenn er sieht dass ich dabei bin.", immerhin war er der zukünftige König. Die Festung im Gebirge war sicher. Niemand kam dort hin ohne, dass Asterin das wollte.
,,Das könnte tatsächlich funktionieren. Und wann machtest du los fliegen?"

,,Morgen früh. Ich werde Nem aufklären.", der Wyvern würde mit Sicherheit nicht gerade begeistert davon sein, wenn er für knappe acht Tage von ihm getrennt sein würde, aber Serafyn war sich ziemlich sicher, dass Nemesis es verstehen würde.
,,Tu das."


,,Habe ich dir nicht gesagt, du sollst dich nicht von der Stelle rühren?", Nemesis hatte sich einen Seidenmantel über geworfen und saß im Schneidersitz auf dem Bett.
,,Spart euch diese Spielchen bitte für später auf.", Arsens Stimme war nun nicht gerade das, was er hören wollte. Der ältere Wyvern legte gerade ein paar Holzscheitel in den Kamin und wandte sich dann wieder an ihn: ,,Gibt es Neuigkeiten? Ich habe gehört Asterin ist zurück."

Im Augenwinkel bemerkte er Nemesis' verdutzten Blick.
,,Nem, wir haben deinen Vater gefunden. Er ist am Leben und Asterin war bei ihm.", es jetzt noch länger geheim zu halten war vermutlich keine gute Idee. Der junge Wyvern war mit großer Sicherheit bereits jetzt nicht mehr bei bester Laune. Immerhin hatte jeder von ihrem Vorhaben gewusst außer ihm.
Nem öffnete einige Male den Mund, bevor er mehr als nur ein Stutzen heraus bekam.

,,Wieso....?"
Serafyn warf einen kurzen Blick zu Arsen, welcher sofort verstand was er von ihm wollte, und die Gemächer verließ.
,,Ich kann verstehen, dass du jetzt sauer oder verletzt bist, wirklich. Ich weiß, du wolltest nicht mehr nach ihm suchen, also hab ich es getan. So wäre dir der Schmerz der Wahrheit erspart geblieben.", erklärte der Drache und setzte sich an den Bettrand. Nemesis schluckte schwer und vermied es ihn anzusehen.
,,Und dann? Hättest du mich ewig belogen? Was wenn ich doch wieder nach ihm suchen wollen würde? Hättest du mich auf eine Irrfahrt ins Nichts geschickt?", fauchte der Wyvern und schlug seine Hand weg, als Sera versuchte ihn zu berühren.

,,Nein, ich hätte dir die Wahrheit gesagt. Wenn du die Suche nach ihm wieder aufgenommen hättest, dann wärst du sicher auch bereit für die Wahrheit gewesen. Aber so ist es jetzt nicht. Asterin hat mit deinem Vater gesprochen.", Serafyn versuchte noch einmal Nemesis zu berühren, ihm seine Hände ums Gesicht zu legen, damit Nem ihn ansehen würde. Dieses Mal ließ der Wyvern ihn gewähren.

Die goldenen Augen schimmerten glasig wegen der Tränen, die sich in ihnen angesammelt hatten und funkelten ihn an wie zwei Edelsteine.
,,Ich werde morgen früh mit Asterin zu deinem Vater fliegen. Wir werden versuchen ihn davon zu überzeugen, mit uns auf die Festung im Gebirge zu fliegen. Dort ist es sicher für ihn. Währenddessen fliegst du gleich dorthin."
Bevor Nemesis widersprechen konnte, fuhr Serafyn fort: ,,Der Flug dauert insgesamt beinahe acht Tage, Nem. Das ist zu viel für dich. Und erst recht jetzt."

,,Dann fliege ich eben auf dir....Ich will nicht mehr herum sitzen und warten..."
,,Ich weiß. Aber es geht nicht anders. Dein Körper in dieser Form würde selbst wenn du auf mir fliegen würdest, vor Erschöpfung zusammenbrechen.", erklärte er ausführlicher und strich dem Wyvern ein paar lose Haarsträhnen hinters Ohr.
,,Also gut."

Nemesis:

Im Hof tummelten sich einige Drachen. Ein Haufen bunt gemischter Echsen unter denen er nicht nur wegen der Farbe seiner Schuppen, sondern auch so hervor stach. Er war kleiner und schlanker, mal abgesehen davon, dass er nur ein Paar Beine besaß. Serafyn lag bei ihm und ließ sich die Morgensonne auf die Flügel scheinen. Den ersten Teil des Weges würden sie gemeinsam fliegen. Ihre Wege trennten sich erst in der Nähe der Gebirgsfestung. Unter den vielen Drachen erkannte er auch Arion und Dante. Auch Arsen war anwesend. Er würde auf Arion mit fliegen, damit jemand auf der Festung war, der sich auskannte, was Wyvern anging. Und natürlich wollte er seinen rechtmäßigen König sehen.

Es klang so...surreal. Sein Vater ein König, er ein Prinz, der in einem mickrigen Dorf aufgewachsen war und im geheimen darüber was er war leben musste.
Nemesis konnte das Ganze nicht so richtig glauben. Würde er tatsächlich endlich seinen Vater kennenlernen? Was wenn dieser ganz anders war, als er sich erhoffte? Was wenn dieser enttäuscht von ihm sein würde, weil er sich in einen Drachen verliebt hatte?

Serafyn stieß ihn sanft an und leckte über die weichen Schuppen an seiner Kehle.
,,Ich hoffe du bist nicht einsam in den nächsten acht Tagen.", knurrte der Drache amüsiert und biss leicht zu. Nemesis schnaubte.
,,Ich kann ja jederzeit an dich denken, damit wirst du es eher schwerer haben."
Wenn Sera schon meinte, ihn ärgern zu müssen, dann durfte er auch ein bisschen gemein sein.
,,Sieh an, wie mutig du auf einmal bist.", Serafyn schnurrte wie eine Katze. Er konnte das Grinsen des anderen an dessen Tonlage förmlich heraushören.
,,Was hat das denn mit Mut zu tun?"
Der Drache blies ihm eine Rauchwolke ins Gesicht und knurrte dann leise: ,,Es ist ziemlich mutig von dir zu glauben, dass ich dich nicht an Ort und Stelle auf den Rücken drehe und vor allen anderen hier nehme."

Könnten Wyvern erröten, dann hätten seine Schuppen nun dir Farbe einer Erdbeere. Er war immer wieder überrascht wie Serafyn solche Dinge sagen konnte ohne dabei auch nur mit der kleinsten Wimper zu zucken.
,,Was macht dich so sicher, dass ich nicht genau das möchte?", Nemesis räusperte sich und versuchte möglichst gleichgültig zu klingen, auch wenn diese Worte ihn gerade alles an Mut und Selbstvertrauen gekostet hatten, das er aufbringen konnte.
Er spürte wie Serafyn jeden Muskel in seinem Körper anspannte und kaum hörbar knurrte. Nemesis nahm die sanften Vibrationen wahr und schmiegte sich neckend an die warmen Schuppen.

,,Werd nur nicht übermütig."

DrachenblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt