Ein ewiges Versteckspiel

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Es war seltsam hier zu sitzen. In der erdrückenden Stille. Nur das leise Knistern des Kamins leistete seinen leisen Atemzügen Gesellschaft. Serafyn war nun schon seit einigen Stunden weg und er wagte es nicht die Gemächer des Drachen zu verlassen, aus Angst auf Cobalt oder sonst wen zu stoßen. Das war das Letzte das er jetzt gebrauchen konnte.

Irgendwie fürchtete er sich vor der morgigen Nacht. Der Blutmond würde ihn ja soweit nicht betreffen, zumindest noch ein paar wenige Monate lang. Nemesis' Gedanken galten Serafyn. Wie würde der Drache mit ihm umgehen? Würde er überhaupt wissen wer er war? Wenn er so darüber nachdachte war das ganze verdammt seltsam. Ein paar geflügelte Menschen die sich durch den Blutmond verhielten wie Tiere die auf Paarungssuche waren. Bei diesen Gedanken musste er leise lachen.

Ob Wyvern das überhaupt auch betraf? Könnte er lesen, hätte er sich irgendwie in die Bibliothek geschlichen um das herauszufinden, aber leider konnte er das noch nicht so richtig gut. Nemesis streckte sich rücklings auf dem Bett aus und atmete tief ein. Seine Flügel lagen ausgestreckt neben ihm und schimmerten in der Sonne, los wären die zarten Membrane aus Perlen. Es fühlte sich gut an, endlich seine Flügel ausstrecken zu dürfen.

Seit er an seinen Vater gedacht hatte, wollte dieser einfach nicht mehr aus seinem Kopf verschwinden. Dieses ständige was wenn... Was wenn er am leben war? Was wenn Nemesis ihn finden konnte? Was wenn sein Vater ihn hat nicht sehen wollte? Was wenn seine Hoffnungen viel zu groß waren?
Frustriert schnaufte er und schlug auf das Kissen neben sich. Indirekt war er wieder eingesperrt! Wieso ließ er das eigentlich mit sich machen? Er war kein Mensch, der dazu gezwungen war sich den Drachen zu unterwerfen, wieso also tat er das andauernd?! Nemesis musste das Drachensein wirklich noch üben. Er verhielt sich viel zu sehr wie ein Mensch!

Er fuhr hoch, als die Türe geöffnet wurde. Eine dumme Angewohnheit, immer gleich zu erschrecken. Es war bloß Crystal. Crystal?!
,,Keine Panik. Ich habe meinen Vater damit beauftragt dich irgendwie nach zu bringen. Ich wollte nur mal nach dir sehen.", er setzte sich an den Bettrand und atmete hörbar aus.
,,Hast du Angst? Vor morgen Nacht meine ich. Ich hatte damals Angst.", Crystal legte fragend den Kopf schief und sah ihn abwartend an. Irgendwie schon...aber zugleich war er ja auch neugierig.
,,Ein wenig...Tut es sehr...weh?", Nemesis kam sich furchtbar dumm vor mit dieser Frage und bereute es bereits wieder sie gestellt zu haben.
,,Naja, das kommt ganz auf dich an. Verwende die Öle, und entspann dich. Vielleicht gefällt es dir ja sogar. Mach dir darüber nicht so viele Gedanken. Es ist weniger schlimm, als du denkst.", meinte Crystal und schenkte ihm ein leichtes Lächeln. Er musste es ja wissen.
,,Wie ist das eigentlich bei dir und Cobalt?"
,,Oh, er ist ja schon etwas älter, daher hat er es besser unter Kontrolle, aber es betrifft ihn sehr wohl auch. Vielleicht tut ihnen beiden die Ablenkung von dem allem hier ja ganz gut."
,,Wovor denn?"
Überrascht sah Crystal ihn an und runzelte die Stirn: ,,Du weißt es gar nicht?"
Nemesis schüttelte schweigend den Kopf. Ja, er wusste, dass es dem König nicht gut ging, aber meinte Crystal denn das?
,,Der König ist vor etwa einer Stunde gestorben. Es war keinen Krankheit sondern Gift. Cobalt wird morgen Nacht zum neuen König gekrönt und wir werden hier bleiben..."
Nemesis würde lügen, wenn er nun sagen würde, wie leid ihm das tat. Für die Menschen war das vermutlich ein Grund zu feiern. Jeder hatte den König gehasst und ihm den Tod gewünscht.

,,Aber...was wird dann aus meiner Familie? Und Asterin?"
,,Ich habe hier nicht viel zu melden.", bedrückt schlug Crystal die Augen nieder und schnaufte. Er wirkte auch nicht so, als würde ihm das ganze gefallen. Vielleicht war es ja sogar gefährlich für sie. Wenn jemand den König ermordet hatte, hatte dieser jemand es vielleicht auch auf den Rest von ihnen abgesehen.
,,Ist es nicht viel zu gefährlich hier zu bleiben?"
,,Ja, hier ist aber auch der beste Ort um herauszufinden wer es war."

Nachdem Crystal gegangen war, dauerte es nicht lange, bis Serafyn herein kam.
,,Das mit deinem Großvater tut mir leid.", nicht für ihn oder die Menschen, sondern für Sera.
,,Du bist ein schlechter Lügner, Nem.", der Drache warf ihm einen kurzen Blick zu und öffnete dann die Türe die auf den Balkon hinaus führte. Nemesis verdrehte die Augen und folgte Serafyn.

,,Du weißt wie er zu den Menschen war. Und du weißt auch, dass er ein grauenhafter König war. Ein König, ist jemand der ein Königreich anführt. Dein Großvater war ein Herrscher."
,,Du bist aber kein Mensch."
,,Ich habe aber mein Leben lang wie einer gelebt unter der Herrschaft deines Großvaters also nimm es mir nicht übel wenn ich nicht allzu viel Mitleid mit ihm habe.", so langsam wurde er tatsächlich sauer. Asterin hatte gesagt er musste damit aufpassen, ansonsten könnte er sich vielleicht ungewollt verwandeln oder sogar etwas in Brand stecken.
Serafyn schnaufte und drehte sich zu ihm herum.
,,Meinst du das tatsächlich ernst? Auch wenn du kein Mensch bist, ist er dein Kön..."
,,Ist er nicht.", unterbrach Nemesis den anderen. Er versuchte sich etwas zu beruhigen.
Verwirrt sah Sera ihn an und runzelte die Stirn.
,,Ich bin ein Wyvern und wer auch immer über die herrscht, das ist mein König. Und ich werde sicher nicht um jemanden trauern, der sich einen Dreck für sein Volk schert. Und wenn dein Vater anders wäre, dann würde er nicht von dir verlangen einen armen menschenjungen zu vergewaltigen.", es fühlte sich an, als würde er jeden Moment platzen. Offenbar ging es dabei nicht nur ihm so.
Er war überrascht, als Serafyn ausholte und ihm mit dem Handrücken ins Gesicht schlug. Erschrocken hielt er Inne, als sein Kopf zur Seite flog und rührte sich nicht. War er zu weit gegangen?

,,Es liegt wohl in der Familie, die Wahrheit nicht hören zu wollen. Ich muss wieder das verstecken, was ich bin, aber da mache ich nicht mehr mit."
Nemesis stieß den anderen zur Seite und lief in Richtung des Balkongeländers. Er verwandelte sich, spürte wie diese kochende Wut sich in seinem Körper verteilte. Er sprang ab und ließ sich nach unten fallen.

Kurz bevor er auf dem Boden aufschlug entfaltete er seine Flügel und erhob sich hoch nach oben in die Luft. Nemesis hörte die Flügelschläge hinter ihm. Er wusste auch ohne hinzusehen, dass es Serafyn war, der knurrte und fauchte, weil Nem gelernt hatte wie man manche Drachen aus seinem Kopf aussperren konnte. Immerhin sollte ja nicht jeder alles und jeden hören.

Serafyn schnappte nach seiner Schwanzspitze und biss zu. Er schien nicht vorzuhaben ihn loszulassen. Der Wyvern war gezwungen zu landen, denn so konnte er ganz sicher nicht weiterfliegen. Nemesis landete knurrend auf einer verschneiten Lichtung und riss sich los. Serafyn war ein ganzes Stück größer als er und auch deutlich muskulöser, selbst in dieser Form.

Nemesis blieb etwas Rauch aus seinen Nasenlöchern bleckte die Zähne, als Sera auf ihn zu gehen wollte. Verwirrt blieb der Drache an Ort und Stelle stehen und ließ seinen Blick über ihn wandern. Er hatte vergessen, dass Serafyn ihn noch nicht so gesehen hatte.

Sera wagte es ein paar Schritte auf ihn zuzugehen und stieß ihn sanft an, als wollte er sich entschuldigen. Nemesis knurrte leise und wandte sich ab.

,,Was?!", fauchte er und sah auf das verschneite Tal hinunter. Ein paar Häuser waren dort zu sehen, gemeinsam mit einigen Schafen.
,,Du bist wunderschön.", Serafyn schien als hätte er alles bereits vergessen. Er ging um ihn herum und schien sich jede noch so kleine Schuppe ansehen zu wollen.
,,Wie eine Perle.", meinte der Drache und legte sich vorsichtig um ihn herum. Sera ignorierte sein leises Knurren und stieß ihn ein weiteres Mal sanft an.

,,Ich wollte dir nicht weh tun, kleine Eidechse.", Serafyn machte eine kurze Pause und biss leicht in seinen Hals.
,,Auch wenn du meinen Großvater ziemlich in den Dreck gezogen hast, hatte ich kein Recht dazu dich deshalb zu schlagen. Du hast recht mit dem, was du gesagt hast. Er ist...war nicht dein König, genauso wenig wie es jetzt mein Vater sein wird."

,,Ich wollte dich nicht verletzen, Sera.", Nemesis schmiegte sich an den warmen Körper des anderen und verhakte ihre Schwänze miteinander.
,,Ich...ich habe es einfach satt, mich ständig verstecken zu müssen."

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