Güte

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Nemesis hatte herausgefunden, weshalb er sich nicht verwandeln konnte. Eine seltsame Tinktur die in dem Wasser war, das er zu trinken bekam. Offenbar hatte auch Circus mitbekommen, dass er sich dieses Wissen angeeignet hatte.

,,Wenn du schlau bist, dann trinkst du das Wasser. Ich will es dir nicht aufzwingen müssen.", der Drache lehnte sich gegen die Gitterstäbe und streckte die Hände zwischen ihnen hindurch. Er hielt wieder einen Becher in der Hand. Nemesis beachtete den Drachen gar nicht. Sein Blick lag auf der gegenüberliegenden Wand. 

Er hörte das leise Lachen des anderen: ,,Weißt du, du sitzt sogar genauso da wie sie. Wenn ich dein Gesicht nicht sehen würde, dann wäre es tatsächlich Faeya, die hier vor mit sitzen würde."

Nem atmete tief durch und schlang die Decke enger um sich. Seine Flügel schmerzten bereits, durch die Fesseln und die raue Wand, gegen die sie durchgehend gepresst wurden. Sie waren mit Sicherheit schon wund und aufgeschürft. 

,,Wie lange bin ich schon hier?", er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Das einzige Licht waren die Fackeln. Ob es Tag oder Nacht war wusste er nicht. 

,,Wenn du trinkst, sage ich es dir.", Circus streckte den Becher von sich und sah ihn abwartend an. Nemesis schnaubte und erhob sich. Langsam, denn alle seine Glieder schmerzten. Er schnappte sich den Becher, um dem Drachen erst gar nicht die Chance zu geben ihn zu berühren, und wich einige Schritte zurück. Er nahm das Wasser in den Mund und schluckte. Nur ein bisschen, den Rest behielt er in seiner Mundhöhle. 

,,Na geht doch. Du bist nun seit vier Tagen mein Gast. Gib mir den Becher wieder. Ich habe nur den einen."

Dieses Mal wagte Nemesis es, näher an den anderen Drachen heran zu treten. Er reichte ihm den Becher und spuckte ihm dabei das Wasser ins Gesicht. 

Circus versuchte ihn zu packen, war aber zu langsam. er sah wie sich Wut im Gesicht des Drachen ausbreitete: ,,Du...!"

Wutentbrannt wischte er sich das Wasser aus dem Gesicht und trat gegen die Gitterstäbe. Circus wusste, dass es keine besonders gute Idee war, die Zelle aufzusperren. Auch wenn der Drache ihm überlegen war, so bestand doch die Möglichkeit, dass er sich verwandelte und dabei den anderen zerquetschte oder es zumindest irgendwie schaffte zu entkommen. 

Zumindest alleine sollte er die Zelle nicht betreten. 

,,Das lass ich mir nicht von einem Wyvern bieten.", er sprach das Wort Wyvern aus, als wäre es eine Krankheit. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit. Nem hatte nicht wirklich nachgedacht. Nemesis wollte nur nicht den Anschein erwecken, ein unterwürfiger Hund zu sein. Auch wenn man es ihm nicht wirklich ansehen mochte, hatte er doch einen gewissen Biss. Manchmal zumindest. Er sah dem Drachen nach, als dieser verschwand und runzelte verwirrt die Stirn. War das...alles? Circus stapfte davon wie genervtes Kind? 

Nemesis ließ sich wieder zu Boden fallen und zischte leise, als ein stechender Schmerz in seine Seite fuhr. Die Wunde war noch immer da, sie heilte nur langsam, vermutlich auch etwas, das diese seltsame Tinktur verursachte. Ob das wohl eine Narbe hinterlassen würde? Er hatte keine Narben auf Serafyns Körper gesehen...Oder auf seinem Vater, wobei er letzteren ja auch Gott sei Dank nicht nackt gesehen hatte. Schnell verbannte er diesen Gedanken aus seinem Kopf. Wenn er doch nur irgendetwas tun konnte. Die Gitterstäbe waren zu stark, die Wand zu dick und er war nicht in der Lage sich zu verwandeln. Noch nicht. Er spürte zwar, wie die Wirkung nachließ, jedoch nur sehr langsam. Vier Tage war er nun bereits hier. Wie lange würde es dauern, bis sein Vater davon mitbekam und direkt in die Falle tappte? 

Frustriert raufte er sich das Haar. Er musste doch irgendetwas tun können! der Wyvern sah überrascht auf, als er Schritte hörte. Mehr als sonst. Es waren drei Drachen. Unter ihnen auch Circus, der die beiden anderen voran schickte. Sie öffneten die Zelle und kamen herein, ehe die Türe quietschend geschlossen wurde. 

,,Hast du solche Angst vor mir, dass du dich nicht einmal selbst in die Zelle traust?", Nemesis stand auf, die beiden Drachen waren ohnehin schon größer als er selbst. 

Einer der beiden warf ihm ein Stoffstück an die Brust und beinahe hätte er die Decke fallen gelassen. Es war ein überraschend hübscher Seidenmantel, dessen Farbe so dunkelrot war wie Blut. Er sah zwischen den Drachen hin und her und kehrte ihnen dann den Rücken zu. Der Stoff fühlte sich kalt an auf seiner Haut und die Farbe bildete einen starken Kontrast zu seiner Haut und den Flügeln. In manchen Büchern hatte er gelesen, dass Gefangenen meistens schöne Kleidung gebracht wurde, bevor man sie zu ihrer Hinrichtung führte. Auch wenn er bezweifelte, dass Circus ihn umbringen würde, löste dieser Gedanke doch ein ungutes Gefühl in ihm aus. 

,,Passt auf, dass er nicht wegläuft.", Circus nickte den beiden Drachen zu, ehe die beiden sich links und rechts von ihm stellten und ihn an den Armen packten. Der Linke öffnete die Zelle gab ihm einen Ruck, sodass er beinahe über die Schwelle stolperte.

,,So furchteinflößend bin ich also, dass du gleich zwei Drachen brauchst die mich festhalten. Willst du mich nicht auch noch in Ketten legen? Ich könnte mich ja immerhin bereits wieder verwandeln.", spuckte Nemesis versuchte mit den schnellen Schritten der Drachen mitzuhalten. 

,,Erstens, habe ich vor einer Maus größere Angst, als vor dir. Zweitens, habe ich dir viel mehr von der Tinktur gegeben, als für deine minderer Körpergröße notwendig wäre und drittens...", Circus blieb stehen und drehte sich zu ihm um, ehe er fortfuhr: ,,...solltest du aufhören meine Geduld zu strapazieren. Es ist bereits viel zu gütig, dass ich dich nicht nackt durch meine Festung laufen lasse."

,,Warum tust du es dann nicht?! Ich brauchte deine Güte nicht.", fauchte der Wyvern wütend und zuckte unter der Berührung des anderen zusammen.

Circus legte eine Hand auf seine Wange und fuhr mit dem Daumen über die dunklen Ringe unter seinen Augen. 

,,Oh doch, die brauchst du. Wäre nicht so gütig, dann würdest du nicht in dieser Zelle sein, sondern in meinen Gemächern, nackt, und hättest ein Auge weniger. Also genieße meine Güte, solange sie noch da ist, denn so langsam werde ich ungeduldig.", mit schnellen Schritten eilte Circus voraus und er wurde von den Drachen mitgeschleppt. 

Er war froh darüber, dass es Nacht war. Die Sonne hätte ihn wohlmöglich nur geblendet. Er erkannte die Sterne auf den unbewölktem Nachthimmel und atmete die frische Luft tief ein, als sie an einem Fenster vorbeikamen. Die Festung selbst war dunkel, an den Fenstern hingen rote Vorhänge und auf dem Boden lagen immer wieder Tierfelle, der Rest fühlte sich kalt an unter seinen nackten Füßen.

Sie blieben vor einem schweren Tor stehen warteten, bis zwei weitere Wachen sie öffneten. Nemesis hätte sich am liebsten übergeben. Ein großer, dunkler Raum ohne Fenster. In der Mitte stand eine Art Steintafel und an den Wänden hingen zahlreiche Flügelpaare. Er entdeckte auch einige weiße. 

,,Keine Sorge, die gehören nicht alle zu deiner Familie, sondern auch zu Crystals.", meinte Circus unbekümmert und führte sie in die Mitte. 

,,Weißt du, wie Flügel abgetrennt werden?", der Drache stellte sich direkt vor ihn und zum ersten Mal verspürte Nem tatsächlich Angst gegenüber Circus. Er schluckte und schüttelte den Kopf. 

,,Ich zeige es dir."


DrachenblutWhere stories live. Discover now