Ein kleines Geschenk

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Nemesis verbrachte den restlichen Tag in seinem Bett. Serafyn leistete ihm zwar Gesellschaft, doch er fühlte sich trotzdem allein. Seine Familie war gar nicht seine Familie, man hatte ihn ein Leben lang angelogen. Jetzt stellte sich auch noch heraus, dass er scheinbar von einer königlichen Blutlinie abstammte. Was kam als nächstes? War er vielleicht gar kein Mann sondern eine Frau?

Manchmal wünschte er sich sein altes Leben zurück. Ja es war furchtbar gewesen, voller Angst und Kummer, aber er hatte seine Brüder bei sich gehabt und seine Mutter, von denen er bisher noch geglaubt hatte, sie wären tatsächlich seine Familie. Er verstand, weshalb Sera es ihm noch nicht sagen wollte und bereute es, so neugierig gewesen zu sein.

,,Ich...habe dir eigene Gemächer für heute Nacht vorbereiten lassen.", meinte Serafyn irgendwann und strich ihm durchs Haar. Verwirrt runzelte Nemesis die Stirn und richtete sich leicht auf.

,,Willst du mich nicht mehr bei dir haben?"

,,Nein! Das ist es nicht, ich dachte nur vielleicht hättest du heute lieber deine Ruhe.", Sera setzte sich neben ihn auf das Bett und schlüpfte zu ihm unter die Bettdecke.
Nemesis schmiegte sich an den warmen Körper und zog die Flügel eng an sich.
,,Ich will nicht alleine sein. Ich habe niemanden mehr außer dich. Keine Freunde, keine Familie, rein gar nichts. Alles, was ich jemals hatte ist weg.", flüsterte er unter Tränen und vergrub sein Gesicht in dem Kissen. Irgendwie schämte er sich vor Serafyn so herum zu heulen wie ein kleines Kind.

,,Sie sind doch nicht weg, Nem. Sie haben dich aufgenommen und großgezogen. Auch wenn sie nicht deine leibliche Familie sind, heißt das doch nicht, dass sie einfach weg sind.", Serafyn strich über seine Wange, um die tränen fortzuwischen. Die Anwesenheit des Drachen hatte etwas beruhigendes an sich. Irgendwo hatte er ja recht, auch wenn es sich im Moment nicht so anfühlte.

Nemesis versuchte tief durchzuatmen und drehte sich dann mit dem Gesicht zu Serafyn. Er schmiegte sich an die Brust des Drachen und schloss für einen Moment die Augen. Es hätte alles so perfekt sein können...

Er hatte nicht bemerkt, dass er eingeschlafen war. Serafyn lag nicht mehr neben ihm, sondern schien im Badezimmer zu sein. Zumindest hoffte Nem das. Wer sonst sollte denn in seinen Gemächern sein und dann noch nett baden gehen. Cobalt ganz sicher nicht. Er richtete sich träge auf und gähnte. Draußen war es bereits dunkel geworden. Wie lange hatte er denn geschlafen?
Und was zum Teufel war das?
Stirnrunzelnd starrte er auf die Kleiderpuppe, die eine Art von Gewand trug, das er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Er konnte gar nicht richtig beschreiben um was es sich dabei handelte. Eine Mischung aus Kleid, Umhang und Hose traf es wohl noch am besten.
Daneben stand eine hölzerne Schatulle und ein Paar edle Schuhe. Das war doch nicht etwa für ihn gedacht, oder? Nein, ganz sicher nicht. Es musste für Serafyn sein, auch wenn das Gewand recht klein aussah.

Neugierig verließ er das Bett und ging um die Puppe herum. Wie erwartet war der Rücken frei, nur ein paar goldene Kettchen hingen runter als Zierde.

,,Sieht aus, als würde es dir gefallen.", Serafyns amüsierte Stimme lenkte seine Aufmerksamkeit von dem Gewand ab.
,,Das ist doch nicht etwa für mich, oder?"
Sera kam auf ihn zu und nickte, während er die Schatulle aufhob und ihm reichte.
,,Doch, ist es. Das ist die Kleidung, die Wyvern im Normalfall bei festlichen Anlässen tragen, oder so ähnlich zumindest. Anaya hat es besorgt als kleines Trostgeschenk. Woher sie das hat wirst du sie selbst fragen müssen, vorausgesetzt du gehst mit mir auf den Ball.", der Drache öffnete die Schatulle und holte eine kleine Krone heraus, die er vorsichtig auf seinem Kopf platzierte.

,,Würdet Ihr mir die Ehre erweisen und mit mir auf den Blutmondball gehen, mein Prinz?", Sera deutet eine übertriebene Verbeugung an und streckte ihm seine Hand hin. Unwillkürlich musste er lächeln. Das Gewand war schön. Sehr schön sogar und irgendein Teil von ihm hatte auch gehofft, dass es für ihn sein würde.

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