Part 12

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Harolds POV:

Jacqueline nahm noch ein letztes Mal Atem, bevor sie von uns gegangen war. Neben mir schluchzte Viktoria auf. Sie tat mir besonders leid. Nun war sie alleine. Alleine mit mir. ich konnte ihre Angst verstehen. Mein Verhalten war unverzeihbar. Ihre Tränen benetzten ihr Gesicht und ihre Wangen waren rot angelaufen, genau wie ihre Augen. Sachte strich ihr über den Arm, doch sie entzog sich sofort meiner Berührung. »Fass mich nicht an«, zischte sie und stand auf. Schnell lief sie aus dem Zimmer und wischte sich im Gehen die Tränen weg. Und nun saß ich hier allein. Jacquelines Gesicht bedeckte ich mit einer Decke und lief dann hinunter in den Garten. Dort nahm ich mir einen Spaten und hob ein Grab für Jacqueline weit hinten im Garten aus. Danach ging ich in mein Gemach und zog mir einen edlen Anzug an. Ich wollte Jacqueline die nötige Ehre erweisen. Nun stand ich am Fenster und knöpfte die Knöpfe meines Hemdes zu, als ich Viktoria sah, wie sie in den Wald lief. Sie tat mir einfach so leid. Sie hatte alles verloren, was sie hier hatte. In Jacqueline hatte sie eine Freundin gefunden, die ihr half, hier mit mir zu Recht zu kommen. Oft hatte ich gehört wie Jacqueline ihr Geschichten über mich erzählte. Und was sich wie Gruselgeschichten anhörte, war alles wahr gewesen. Das hatte ich Jacqueline wirklich angetan. Gerade wollte ich mich umdrehen und nach unten laufen, als ich sah, wie Viktoria wieder zurückkam. Mit einem großen Strauß Blumen in der Hand. Ihr Haar wurde vom Wind hin und her getragen. Ich löste mich von ihrem Anblick und lief in das Gemach von Jacqueline, wo ich ihren Leichnam nahm und ihn hinunter in den Garten trug. Dort legte ich sie in ihr Grab und faltete ihre Hände. Sie sah so friedlich aus. Nur das Blut auf ihrer Kleidung zeugte davon, was für Qualen sie erlitten haben musste. Und ich habe mich nicht um sie gekümmert. Ich hatte alles auf Viktoria abgeschoben und bin erst im letzten Moment gekommen, um mich von ihr zu verabschieden. Schande über mich! So hatten mich meinen Eltern nicht erzogen, doch nach den ganzen Jahrhunderten hatte meine Erziehung doch Risse bekommen. Ich brauchte mich nicht umzudrehen um zu sehen, wer auf mich zukam. Es konnte ja nur Vitoria gewesen sein. Kurz bekreuzigte sie sich und stand dann neben mir. Ich begann die Erde auf Jacqueline zu schaufeln. Viktoria stand die ganze Zeit da und sah mit leeren Augen auf das Grab hinab. Tränen liefen ihr in Strömen über die Wangen. Als ich fertig war, legte sie den Blumenstrauß, den sie die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte, auf Jaquelines Grab nieder. »Es tut mir leid, Jacqueline. Es tut mir leid, dass ich dich nicht retten konnte«, flüsterte sie. Dann drehte sie sich um und lief wieder ins Haus. Auch ich verließ die letzte Ruhestätte von Jacqueline und brachte den Spaten an seinen vorherigen Platz.

Als ich wieder ins Haus kam, sah ich, dass Viktoria in einem Sessel im Wohnzimmer saß. In ihren Gedanken versunken starrte sie ins Feuer. Sie musste es entfacht haben, denn erst seit einigen Tagen wurde es immer kälter. Der Herbst nahte und die Nacht brach immer schneller über den Tag herein. Auf ihren Armen hatte sich trotz der Wärme des Feuers eine Gänsehaut gebildet. Langsam trat ich näher an sie heran. »Vielleicht solltest du ein Bad nehmen«, sagte ich zu ihr und strich sanft über ihren Arm. Bei der Berührung zuckte sie wie immer zusammen und zog ihren Arm weg. Ohne etwas zu sagen stand sie auf und lief in die Küche, wo sie eine Kanne Wasser über der Feuerstelle befestigte und dann frisches Wasser aus dem Brunnen holte. Nachdem sie das vierte Mal Wasser schöpfen wollte, hielt ich sie auf. »Ich weiß, dass du traurig bist, aber dein Schweigen wird Jacqueline auch nicht mehr helfen.« Dann geschah etwas, was ich nie erwartet hätte. »Es ist alles DEINE Schult!«, schrie sie mich an. Ich spürte die Wut in mir austeigen. Ich mochte es nicht, von einer Frau angeschrien zu werden. »Hättest du Jacqueline nicht zu Boden geworfen, wäre sie nicht in den Scherben gelandet und hätte sich auch keine Blutvergiftung zugezogen. Das alles ist deine Schult! Wegen dir lebt sie nicht mehr.« Tränen liefen über ihre Wange. Sie war völlig außer sich, doch auch ich ballte meine Fäuste. »Schrei mich verdammt nochmal nicht an! Dazu hast du kein Recht«, schrie ich nun sie an. Nun sah ich wieder die Angst in ihren Augen und mir tat sie schon wieder leid. Erschrocken wich sie zurück, nahm dann das heiße Wasser von der Feuerstelle und ging aus der Küche. Ich verdrehte die Augen und lief ihr hinterher. Sie kann nicht immer vor ihren Problemen weglaufen. Hätte ich das damals getan, wäre ich nicht König geworden, obwohl es ein langer Weg war. Viele wollten keinen so »jungen« König wie mich. Ich wurde mit 21 Jahren verwandelt. Dafür konnte ich ja nichts. Viktoria schien bemerkt zu haben, dass ich ihr folgte, denn sie verschnellerte ihren Gang und schloss schnell die Tür hinter sich. Als ob mich die Tür zu ihrem Gemach aufhalten würde. Nun stand ich in ihrem Gemach, doch sie war nirgends zu sehen. Ich öffnete die Tür zu ihrem Bad und sah, wie sie gerade dabei war, das Wasser in die Kupferwanne zu schütten. Sie sah mich nicht, da sie mit dem Rücken zu mir stand. Sie stellte die Kanne weg und begann ihr Kleid aufzuschnüren. Ich wusste, dass ich jetzt eigentlich die Tür schließen sollte, und ihr ihre Privatsphäre lassen sollte, doch ich konnte mich nicht von ihrem Anblick lösen. Die langen blonden Locken, die ihr über die Hüfte reichten. Ich musste mich wirklich zusammen reißen, nicht zu ihr zu gehen und ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Sie hatte sich so sehr verändert. Von dem kleinen Mädchen im Wald waren nur noch das Lächeln und die Lebenslust geblieben. Sie hatte sich zu einer Schönheit entwickelt. Aus dem kleinen Mädchen war mein Mädchen geworden.

Dark LoveWhere stories live. Discover now