Part 13

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Viktorias POV:

Langsam ließ ich mich in die kupferne Wanne sinken. Das warme Wasser entkrampfte meine Muskeln und ich schloss die Augen. Es tat einfach so gut. Nach nur kurzer Zeit versank ich in meinen Gedanken. Ich dachte an meine Eltern, meinen Bruder und meine Großmutter. Ich vermisste sie einfach schrecklich. Ich vermisste die Zeit, wie ich meinen Bruder quer über den Hof gejagt hatte, nur weil er mir mein Brot weggegessen hatte und er mir dann zum Trost immer Beeren im Wald gesammelt hatte, damit ich nicht mit knurrendem Magen schlafen gehen musste. Er war einfach ein toller großer Bruder. Ryan hatte mich immer zum Lachen gebracht. Meine Großmutter ebenfalls, wenn wir durch den Wald gelaufen sind und sie mir lustige Geschichten aus ihrer Kindheit erzählt hatte. So vieles hatte ich von ihr gelernt. Ich weiß noch genau, wie sie mir eines Tages sagte, dass es meine Bestimmung sei, einmal die Heilerin des Dorfes zu werden. Zuerst wollte ich es nicht werden, doch als ich dann sah, wie Großmutter die Kranken wieder gesund pflegte, war ich fasziniert. Sie wurde zu meinem Vorbild. Ob ich jemals ihren Posten übernehmen konnte? Ich wusste es nicht. Mit meinen Fingern strich ich mir eine Haaresträne aus der Stirn und bemerkte, dass meine Fingerkuppen schon ganz runzelig gewesen waren. Ich hievte mich aus der Wanne und wickelte meinen Körper in ein Handtuch. »Jac-« Ich wollte nach Jacqueline rufen, bis mir wieder einfiel, dass sie nicht mehr da war. Ich war allein. Sie war nicht mehr da. Die nette Frau war nicht mehr da, die mich zum Lachen gebracht hatte. Wieder stiegen mir die Tränen in die Augen. Es war einfach alles zu viel für mich. Erst die Entführung, dann die Trennung meiner Familie und nun noch der Verlust von Jacqueline. Wer sollte mir jetzt bei Harolds Wutausbrüchen helfen? Ich war verdammt nochmal auf mich allein gestellt. Er hätte alles mit mir machen können. Ich wollte gerade in mein altes Kleid schlüpfen, als es an der Tür klopfte. Harold kam herein; über seinem Arm hing ein dunkelblaues Kleid. Er lief auf mich zu und reichte es mir. Ich griff danach, jedoch hielt ich mir mit einer Hand das Handtuch am Leib. Wieder kam diese Wut hoch. Die Wut auf ihn. Wäre er nicht gewesen, würde Jacqueline noch leben und ich wohlbehalten bei meiner Familie sein. Alles nur wegen IHM. »Du kannst jetzt wieder gehen! Ich möchte mich umziehen«, zischte ich. Seine Miene wurde nun auch wütend. »Wärst du vorhin nicht so vorlaut gewesen, wäre ich jetzt gegangen, doch...«, er setzte ein anzügliches Grinsen auf, »bin ich gerne bereit mir ein bisschen Vergnügen zu gönnen.« Mein Herz setzte einen Schlag aus und der Griff um das bisschen Stoff, der meinen Körper vor ihm versteckte, umklammerte ich noch mehr. Protestierend schüttelte ich den Kopf. Ich war doch keine Hure, die sich freiwillig vor den Männern auszog. Harold setzte sich im Schneidersitz auf mein Bett und hatte den Blick starr auf meinen Körper gerichtet. Ich wollte gar nicht wissen, welche anzüglichen Gedanken er hatte. Ich lief an ihm vorbei ins Bad und zog mich, so schnell es das Kleid zuließ, um. Danach trat ich wieder heraus und lief nach unten in den Wohnraum. Es dämmerte leicht und es wurde kühl, weshalb ich den Kamin entflammte. Hinter mir hörte ich Schritte und kurz darauf sprach Harold: »Ich wünsche etwas zu essen.« Ich lachte auf. Kann er sich das nicht selbst machen? Als ob ich hier seine Dienerin sein würde, auch wenn er dies von mir verlangte. »Mach dir doch selber was, oder haben dich deine Eltern nicht kochen gelehrt?«, fragte ich schnippisch und sah in die Flammen. Sie erinnerten mich an die kalten Abende mit meiner Familie, wie wir alle vor dem Kamin saßen und uns wärmten, während uns Geschichten erzählt wurden. Ich wollte so gern zurück zu meiner Familie. Neben mir nahm ich Harold wahr, doch ich beachtete ihn nicht. Ich spürte seine Hand in meinen Haaren, als er plötzlich zudrückte und mich an den Haaren in sein Gemach zog. Ich schrie, klammerte mich an meine Haare in der Hoffnung der Schmerz würde nachlassen. Plötzlich spürte ich den Türknauf in meinem Rücken und holte zischend Atem. »Rede nicht so mit mir! Hast du das verstanden?«, knurrte er und ließ meine Haare los. Meine Kopfhaut brannte. Langsam ließ ich mich an der Wand herunter sinken und zog meine Knie an meinen Körper. »Warum bist du so?«, fragte Harold dann wieder sanft und ging vor mir in die Hocke. »Warum ich so bin?«, wiederholte ich seine Frage verständnislos. »Was würdest du machen, wenn du entführst, von deiner Familie weggerissen wirst und die einzige Person, mit der du reden konntest stirbt? Noch dazu bin ich für dich nur etwas wie eine Sklavin.« Er schien zu überlegen. »Wenn du so genau weißt, was ich von dir will, wieso tust du es dann nicht? Ich kümmere mich gut um mein Eigentum.« Er betrachtete mich also als sein Eigentum. »Keiner gehört jemanden, Harold. Jeder Mensch gehört sich selbst«, erklärte ich und sah ihm direkt in die Augen. Betrachtete er mich etwa nicht als Mensch, sondern nur als Spielfigur? Als jemanden, der nur zum Vergnügen seinerseits da war? Harold strich sich einmal durch seine Locken, sah mich an und nickte dann. »Verstehe. Du willst also nicht hier sein.« Etwas ungläubig sah ich ihn an. Hatte er es jetzt erst gemerkt? Schnell nickte ich. Er richtete sich wieder auf und sah auf mich hinunter. »Ich verstehe, dass ich einen Fehler gemacht habe, aber das ist für mich kein Grund, dich gehen zu lassen. Ich habe-« Er wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Verwirrt sah er mich an und ging dann hinunter. Ich blieb in seinem Zimmer. Die Art und Weise wie ich hier saß erinnerte mich daran, wie mich mein Vater gescholten hatte, weil ich nachts in den Wald gegangen bin. Ich vermisste sie alle so schrecklich. Vielleicht sollte ich es noch einmal versuchen zu fliehen. Nachts, wenn Harold schläft. Doch dann fragte ich mich, ob er überhaupt schläft. Meine Gedanken wurde unterbrochen, als die Tür wieder geöffnet wurde und Harold meinte: »Komm runter. Wir haben Besuch.«

Dark LoveTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang