Part 15

20.5K 1K 59
                                    


Viktorias POV:

Louis und Harold hatten sich bis tief in die Nacht hinein unterhalten. Währenddessen hatte ich mir weiter das Buch verinnerlicht. Wenn ich in mein Dorf zurückkehren würde, konnte ich meiner Großmutter beistehen und die Kranken pflegen. Es war mein größter Wunsch. Aber zuerst müsste ich hier wegkommen. Aber wie? Ich wusste ja nicht mal, ob Harold überhaupt schlief. Als ich neben ihm aufgewacht war, war er bereits wach gewesen. Meine Gedanken wurden unterbrochen, als er mein Gemach betrat. Wenn man vom Satan sprach ... »Ich muss etwas mit dir besprechen.« Ich sah zu ihm und nickte. Wahrscheinlich würde er mich schelten, weil ich ihm nicht gehorcht habe. Was hatte er erwartet? Dass ich, nur weil einer seiner Freunde da war, die kleine Sklavin spiele? Wohl kaum! »Ich veranstalte einen Ball«, erklärte er und setzte sich auf den Rand meines Bettes. Einen Ball? Warum? Zu welchem Zweck? »Ich veranstalte ihn immer einen Monat nach der Vampirnacht.« Ich riss die Augen auf. Sie feierten, dass sie Menschen getötet hatten? Wie abartig. Harold schien meinen Blick richtig zu deuten, denn er fing an zu lachen. »Für uns ist das ein großes Ereignis«, erklärte er. Ich schnaubte. Vampire waren wirklich Monster. Plötzlich stand Harold neben mir und strich mir über die Wange. »Sei froh, sonst wärst du jetzt nicht hier.« »Ich hätte auch gut darauf verzichten können, hier zu sein.« Eine Bewegung hielt inne. In seinen Augen war wieder die Wut zu sehen. »Ich mache dir deinen Aufenthalt hier so schön wie möglich. Ich kann mich auch von meiner anderen Seite zeigen.« Seine Stimme war fast ein Knurren. Demonstrativ sah ich aus dem Fenster. Sein Finger war nicht länger an meiner Wange. »Wie denn auch sei, ich möchte, dass du ein Büfett vorbereitest.« »Essen denn alle Vampire auch menschliches Essen?«, fragte ich ihn, ohne auf seine Forderung einzugehen. »Nein, aber es macht ein besseres Ansehen«, erklärte er. Was für eine Verschwendung! »Wann ist der Ball?« »In einer Woche.« Ich nickte. Ich musste Vorbereitungen treffen. »Ich muss wieder in den Wald, um Kräuter, Pilze und so etwas zu sammeln«, erklärte ich ihm und sah zu ihm auf. Er nickte. Das ist mir bewusst. Du kannst gehen, wann immer du willst, aber...«, er trat noch einen Schritt an mich heran, »sei gewarnt! Wenn du auch nur eine Sekunde daran denkst zu fliehen, wird das dieses Mal kein gutes Ende haben.« Ich riss die Augen auf. Eigentlich hatte ich auf eine solche Gelegenheit gewartet. »Du hast es also schon geplant?«, fragte Harold und sah mir tief in die Augen. Woher wusste er das? »Deine Augen verraten dich, meine Kleine«, lachte er und kam meinem Ohr näher. »Wenn du also nicht willst, dass wir weiter gehen als vor ein paar Tagen, würde ich dir raten es nicht zu versuchen.« Verängstigt nickte ich. ich musste mir eine andere Gelegenheit suchen. »Ich werde es nicht tun«, sprach ich mit fester Stimme. Er nickte wissend und ging dann langsam wieder auf die Tür zu. »Ich weiß, dass du es nicht tun wirst. Dafür hast du viel zu große Angst vor mir.« Gerade wollte ich etwas erwidern, als er die Tür zuschlug.

Nach dem Gespräch mit Harold hatte ich mich schlafen gelegt. Als ich dann aufwachte, stand ich auf und ging hinunter in die Küche. Im Gehen flocht ich noch schnell meine Haare zu einem Zopf und ließ ihn mir über die Schulter fallen. In der Küche traf ich auf Harold, der wohl schon auf mich gewartet hatte. »Guten Morgen«, sagte ich und er erwiderte meinen Gruß. »Ich würde heute gerne alles sammeln. Ist das ok für dich?«, fragte ich ihn. Er nickte. »Gut. Wünscht Ihr etwas zu speisen, Eure Majestät?«, fragte ich lachend. Mit einem Ruck fuhr er zu mir herum. »Woher weißt du das?« Er war vollkommen außer sich. Ich zuckte bei seiner Reaktion zusammen. Louis hatte doch gesagt, dass er es nicht gewohnt war, einen Wunsch abgeschlagen zu bekommen, weil er der König war. Also wurde er doch oft mit »Eure Majestät« angesprochen. »Woher?«, fragte er erneut. Würde er Louis Schaden zufügen, wenn er wüsste, dass er es mir erzählt hatte? Wohl kaum. Sie waren Freunde. »Louis hat es mir gesagt«, erklärte ich. Er ließ ein Schnauben aus. Er murmelte etwas, was sich wie »dieser Hund« anhörte. Dann wurde sein Gesicht allmählich wieder weicher. »Aber um auf deine Frage zu antworten: Ja, ich würde gerne etwas speisen.« »Und was?«, fragte ich ihn? »Ein gebratenes Ei, bitte.« Hatte ich mich gerade verhört, oder hatte er wirklich »Bitte« gesagt? Harold sagte bitte? Ungläubig sah ich ihn an. »Du findest die Eier ganz hinten in der Vorratskammer.« Ich betrat die Vorratskammer und kam mit zwei Eiern wieder heraus. Ich stellte eine Pfanne auf den Feuerherd, dann schlug ich die Eier hinein. Als sie fertig waren, gab ich sie auf einen metallenen Teller und stellte ihn vor Harold ab, der sich bereits gesetzt hatte. »Isst du nichts?«, fragte er mich und sah mich eindringlich an. Kopfschüttelnd erklärte ich ihm: »Ich werde etwas aus dem Wald essen.« Er nickte und begann zu essen.

Ausgerüstet mit einem Korb und einen Umhang von Harold um meine Schultern hängend, lief ich durch den prächtigen Garten und durch das große Tor. Dann umhüllte mich die Düsternis und Kälte des Waldes. Trotzdem genoss ich es, wieder draußen zu sein, die frische Luft in meinen Lungen zu spüren.

Nachdem ich genug Kräuter gesammelt hatte, hielt ich Ausschau nach Pilzen. Auf modrigem Boden fand ich eine große Ansammlung von Steinpilzen. Ich nahm das kleine Messer aus dem Korb und schnitt die Pilze an den Stängeln ab. Immer weiter lief ich in den Wald hinein. Sollte es vielleicht doch wagen zu fliehen? Nein! Er würde mich zurückholen, selbst wenn ich schon wieder zurück in meinem Dorf wäre. Immer noch in Gedanken über die eventuelle Flucht stieß ich auf einen Brombeerstrauch. Ich pflückte mir eine Hand voll und steckte sie mir in den Mund. Der süße Geschmack machte sich auf meiner Zunge breit. Danach füllte ich noch eine Schale mit ihnen und verstaute sie ebenfalls im Korb. Gerade wollte ich mich auf den Rückweg machen, als ich ein leises Quengeln hörte. Ich folgte dem Laut und kam an einen kleinen Bach. Etwas Weißes blickte hinter einem Baum hervor. Zögernd ging ich darauf zu und erschrak als ich sah, was es war: Ein Baby.

Dark LoveWhere stories live. Discover now