-chapter 34-

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Aidens Sicht:

Zwei Wochen und fünf Tage nachdem mich Haylie gefragt hatte, ob ich mit meinen Freunden rausgehen möchte.
Ein Monat, drei Wochen und zwei Tage seitdem sie weg war. In der Schule sprach mittlerweile niemand mehr mit mir. Ich hatte es geschafft, alle zu vergraulen. Zu Hause schloss ich mich in mein Zimmer ein und redete mit niemandem. Wie sich meine Stimme wohl anhören würde, wenn ich wieder rede.
Ich bewegte mich genau so viel in meinem Bett, sodass ich an mein Handy rankam. Es war ein Freitag Abend und all meine Freunde diskutierten gerade, zu welcher Party sie wollen. Ich machte es wieder aus und legte es neben mein Kissen. Ich starrte an die Decke und erinnerte mich an die Nacht zurück, in der Sydney neben mir lag und wir uns das erste Mal küssten. Vielleicht war sie gerade in irgendeinem hübschen Hotel und machte mit einem heißen Spanier rum. Was auch immer sie gerade machte, mit wem oder wo, lange werde ich mit dieser Unwissenheit nicht mehr leben können. Eine stumme Träne lief an der Seite meines Gesichts runter und fiel auf das eigentlich weiche Kissen, das mir mit den Wochen allerdings immer härter vorkam.
Schnell blinzelte ich die restlichen Tränen aus meinen Augen weg und stand aus meinem Bett auf. Ich streifte mir meine Schuhe über, schnappte mir meinen Autoschlüssel und kletterte rüber zu Sydneys Balkon. Ich spähte durch den kleinen Schlitz der Gardine durch, in der Hoffnung ein Lebenszeichen zu finden. Aber wie schon erwartet - natürlich war das Zimmer leer.
Nach einem Schlag gegen die Hauswand kletterte ich runter und stieg in mein Auto. Rasant fuhr ich durch die Stadt und versuchte meine Gedanken zu verdrängen. Mir fiel eine Bar ins Auge, die ich vorher noch nie bemerkt hatte. Ich legte meine Stirn misstrauisch in Falten, gab mir dann aber einen Ruck und stieg aus meinem Wagen aus. Ich knallte die Autotür lautstark zu und ging durch den Eingang ins Innere der Bar. Es roch nach Zigarettenrauch, Schweiß und betrunkenen Menschen.
„Was darf es sein?", fragte mich die rothaarige Barkeeperin sofort. „Ein Whiskey."
„Kommt sofort." Sie versuchte mich charmant anzulächeln und richtete ihre Haare. Danach drehte sie mir ihren Rücken zu und zog ihren Rock höher. Ich rollte mit den Augen und wollte eigentlich wieder gehen. Dennoch setzte ich mich auf einen der Barhocker. „Was führt dich hierher?" Ich hatte gar keine Lust mit dieser Frau Smalltalk zu führen. „Das geht dich nichts an", zischte ich. Gekränkt schaute sie mich an und gab mir mein Glas.
Mein Blick wanderte durch die Bar und beobachtete einige Gestalten, die hier herumlungerten. Ein Mann blätterte durch seine Zeitung und ich erkannte einen bestimmten Artikel. „Immer Noch Vermisst" stand ganz groß auf einer Seite, dadrunter ein Foto von Sydney. „Echt tragisch, was mit dem Mädchen passiert ist, nicht wahr?" Sie war meinem Blick gefolgt und kannte den Artikel anscheinend auch. „Die ist doch jetzt schon einen Monat lang verschwunden. Wenn du mich fragst ist das Mädchen schon längst tot", laberte sie mich voll. Am liebsten würde ich ihren Mund zustopfen. „Naja, ist ja auch nicht so wichtig. Was machst du heute Abend noch?" Sie klimperte mit ihren viel zu langen Wimpern und lehnte sich über die Theke. Nicht so wichtig? Nicht. so. wichtig.?! „Definitiv nichts mit dir", sagte ich knapp, kippte den Rest des Getränks runter und knallte das Geld vor ihr hin. „Bastard", hörte ich sie noch hinter mir murmeln, aber ich hatte keine Lust mehr darauf einzugehen. Ich lief zurück zu meinem Auto und stieg ein. Dennoch fuhr ich nicht sofort los. Ich saß einfach nur da und starrte durch die Scheibe. Irgendwann überwältigten mich meine Gefühle und ich schlug auf das Lenkrad ein. Meine Fäuste taten schon weh. Panisch fuhr ich mir durch meine Haare, die ich auch mal wieder waschen könnte. Ich saß in der letzten Zeit einfach nur rum und machte nichts. Ich war nutzlos. Ich wollte irgendetwas bezwecken und Leuten helfen. Ich wollte Sydney helfen.
Rasend vor Wut fuhr ich los und aus der Stadt raus - über Feldwege und Landstraßen. Ich fuhr zu dem Badesee, an dem ich mit ihr und meinen Freunden war. Ich stieg aus und stapfte durch den Sand. An der Stelle, an der sie an jenem Tag saß, setzte ich mich hin. Mit meinen Fingern hob ich immer ein wenig Sand an und ließ ihn dann wieder zu Boden rieseln. Ich konnte mir selber nicht erklären, warum ich hier war. Vielleicht weil ich hoffte, dass sie hier war. Dass sie vielleicht an genau der Stelle sitzen würde, an der ich gerade saß. Ich stand auf und trottete weiter zum Steg. Mein Herz zog sich bei dem Gedanken, dass sie hier unfreiwillig rein geschmissen wurde, zusammen. Ihr geschockter Blick und die Wut, die sie an uns verständlicher Weise ausließ. Trotzdem wünschte ich mir, dass ich die Zeit hierher zurückspulen könnte. Dann wäre sie nämlich noch hier bei mir und nicht... tot? Ich hoffte so sehr, dass diese verdammte Barkeeperin nicht Recht hatte. Ich warf einen Stein vom Steg in das Wasser und stieg zurück in mein Auto ein. Sie war nicht hier...
Ich fuhr wieder in die Stadt rein und zu der Straße, in der ich sie mit den anderen betrunken aufgegabelt hatte... weiter zur Highschool.  Ich sah sie förmlich, wie sie an uns vorbei in das Gebäude lief... wie ich ihr wehmütig hinterher schaute und die anderen nur mit ihrem Kopf schüttelten. Ich sah sie auf dem Schulhof, auf dem Parkplatz und durch die Fenster in den Klassenräumen. Verzweifelt legte ich meinen Kopf auf meine Arme, die sich an dem Lenkrad festhielten.
Ich raste weiter durch die Stadt und merkte den Alkohol ein wenig. Ich trank nicht viel, weshalb der Whisky schon seine Wirkung bei mir zeigte. Betrunken oder angetrunken am Steuer zu sein, war dumm, das wusste ich. In dem Moment kümmerte es mich aber nicht. An dem Wald fuhr ich ein wenig langsamer. Sydney spazierte hier gerne... Ich schaute abwechselnd in den Wald und auf die Straße. Irgendwann hörte der Wald auf und ein Feld grenzte an der Straße, dem Wald und an ein paar Häusern. Ich beschleunigte, was dumm war, denn ich musste direkt um eine Kurve fahren. Diese Kurve diese verdammte Kurve, meine Geschwindigkeit, der Alkohol, der Frust, die Trauer und diese Nacht...
Meine Reflexe kamen eine Sekunde zu spät. Eine Person lief orientierungslos über die Straße.
Schwarze, lange Haare flogen durch den Wind wild durch die Luft. Blaue Augen, die mich erschrocken ansahen. Wie in Zeitlupe drückte ich auf die Bremse. Meine Reifen quietschten, doch es war zu spät. Ein Scheppern ertönte.

Ich stand in Schock. Mein Körper zitterte. Ein unangenehmes Piepen ertönte in meinem Ohr. Ich hatte jemanden angefahren. Nicht nur irgendwen. Der Fakt, dass ich wusste wen ich angefahren hatte, riss mich auf meiner Starre wie ein Wecker einen Menschen aus seinem Traum. Ich riss die Tür auf und stolperte beim Aussteigen. Ich fiel hart auf den Boden, rappelte mich aber sofort wieder auf. Ich rannte und stolperte gleichzeitig zu ihr. Ihre Haare lagen über ihrem Gesicht. Ihre Figur war zierlicher als sonst. Ihre Hände dreckig und jetzt blutig.
Was hatte ich getan.
Ich fiel vor ihr auf die Knie und hievte sie hoch auf meine Oberschenkel. Sie war so leicht... ich drehte sie in meinen Armen so, dass ich ihr die Haare aus dem Gesicht streichen konnte. Sie hatte eine Platzwunde an ihrer Stirn, ihre Nase und Lippe bluteten, ihr Auge war blau und angeschwollen. „Scheiße, nein, scheiße, scheiße, wach auf!", schrie ich sie an. Tränen fielen auf ihre weichen Wangen. „Scheiße, bitte wach auf bitte! Du darfst hier jetzt nicht sterben, nicht hier in meinen Armen. Du schaffst das! Was auch immer du durchleben musstest, du musst nur noch das hier überleben! Danach kannst du auch dein ganzes Leben lang in deinem Bett bleiben. Bitte, du darfst jetzt nicht sterben Syd!"

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Hello guys,
Es tut mir Leid, dass ich zwischen den Kapiteln wieder so viel Zeit gelassen habe. Es ging gerade einiges bei mir ab, weswegen ich nicht so viel Zeit hatte. In einer Woche habe ich Ferien und da versuche ich mehr zu schreiben :))
Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen ^^

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