-chapter 38-

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Sydneys Sicht:

Als ich meine Augen aufschlug, stand vor mir ein junger Mann. Er blickte überglücklich auf mich herab. „Oh mein Gott, Sydney", sagte er erleichtert und umarmte mich. „Endlich bist du wach! Es tut mir so Leid, es tut mir alles so Leid. Ich-"
„Wer bist du und was hast du mit mir gemacht? Wo ist meine Mom?"
Was war mit mir passiert?
Ich war doch gerade erst mit meiner Mom in die neue Stadt umgezogen und sollte morgen in meine neue Schule gehen. Ging es meiner Mom gut? War sie verletzt?
Mein Kopf dröhnte und ich musste ein paar Mal blinzeln. Der Mann durfte mir nicht zu nahe kommen. Vielleicht hatte er etwas damit zu tun. Ich schaute mich zum ersten Mal in diesem Zimmer um. Ich war in einem Krankenhaus...
„Warum zur Hölle bin ich hier und wer verdammt nochmal bist du?", fragte ich panisch. „Hör mir zu, ich tu dir nichts. Ich bin dein Freund."
Mit großen Augen schaute ich ihn an. „Ich habe keinen Freund und werde auch nie wieder einen haben!", schrie ich ihn an und Tränen sammelten sich in meinen Augen. Der Gedanke an ihn versetzte mich in einen Zustand der Angst. Gleichzeitig erinnerte er mich an Mason und daran, dass er tot war. Ich wich immer weiter ans Bettende und versuchte somit Abstand zwischen uns zu bekommen. Im nächsten Moment kam ein Mann in das Zimmer. Er war ein Arzt. Meine Angst verringerte sich ein wenig, als er diesen komischen Typen aus meinem Zimmer scheuchte. „Guten Tag, Ms. Evans. Wie geht es Ihnen?" Ihnen? Ich war nichtmal 18 Jahre alt...
„Ich möchte zu meiner Mom? Was ist passiert?" Er schaute mich nachdenklich an. „Wissen Sie wer diese Person war, die hier eben vor Ihnen stand?" Ich schüttelte den Kopf und er notierte sich daraufhin etwas auf sein Klemmbrett. „Was ist das letzte, an was Sie sich erinnern können?" Was meinte er damit? Das letzte?
„Ich- ich ehm bin mit meiner Mom in eine Stadt in Illinois gezogen. Ich habe morgen meinen ersten Schultag..."
Er nickte und notierte sich wieder etwas.
Ich schaute aus dem Fenster und erschreckte mich, als ich sah, dass sich die Blätter schon rot und braun verfärbten. Herbst? Es war doch Sommer! „Welcher Monat ist es?", fragte ich misstrauisch. „Es ist Ende Oktober Ms."
Was? Ende Oktober? Das bedeutete, dass ich schon 18 Jahre alt war. Ich hatte am 2. Oktober Geburtstag.
„Das kann nicht sein! Es ist Mitte August."
Er schüttelte den Kopf. „Sie haben eine retrograde Amnesie durch einen Autounfall. Sie haben Ihre Erinnerungen von den letzten Monaten verloren."
Ich konnte meinen eigenen Ohren nicht trauen. Was war in diesen Monaten passiert? Hatte ich wirklich einen Freund - diesen Typen vor der Tür?
Ich hatte das Gefühl, dass ich keine Luft mehr bekomme. Meine Sicht verschwamm und kurz darauf fielen Tränen auf meine zitternden Hände. „Ich möchte mich erinnern! Was ist in der Zeit passiert?!", fragte ich ihn verzweifelt. „Sie werden sich bestimmt bald wieder erinnern. Die Familie Ihres Freundes wird Sie in ein paar Tagen nach Hause bringen und sich um Sie kümmern."
„Nein, nein wo ist meine Mom? Sie kümmert sich um mich!", entgegnete ich. Ich wollte von keinen Menschen gepflegt werden, die ich nichtmal kannte. „Der Standort ihrer Mutter ist unbekannt.", sagte er und löste in mir das Gefühl von Panik aus. „Was wieso? Ist sie in Gefahr?" Er schüttelte den Kopf. „All diese Sachen werden Sie in Ruhe erfahren und aufholen. Ihnen geht es hier gut und niemand will Ihnen etwas Böses. Ihre Mutter ist auch nicht in Gefahr. Ich werde jetzt erstmal die Mutter Ihres Freundes reinschicken."
Mit diesen Worten ging er raus und tatsächlich kam schon paar Sekunden nach ihm eine Frau rein. Man sah die Ähnlichkeit. Sie hatte ebenfalls schwarze Haare, die aber schon gräulich wurden und blaue Augen. „Hey Liebes, mein Name ist Alicia Henderson. Ich konnte mich noch nie wirklich vorstellen", sagte sie mit wässrigen Augen. „Hallo, ich bin Sydney Evans", erwiderte ich, obwohl sie mich anscheinend kannte. Es kam mir komisch vor mich nicht vorzustellen. Sie lachte kurz auf. Danach setzte sie sich auf einen Stuhl, der gegenüber von mir an der Wand stand. „Also Sydney... Wir sind deine Nachbarn, das heißt es ist egal, ob du in unserem Haus oder in deinem wohnen möchtest. Wir sind der Meinung, dass es für's Erste am Besten wäre, wenn du bei uns wohnst. Deine Mutter ist nicht zu Hause, Liebes. Sie ist abgehauen und hat Ermittlungen verlangsamt", fing sie an zu erzählen. „Aber welche Ermittlungen denn?", fragte ich sie verwundert. „Ermittlungen über dich. Du warst fast zwei Monate vermisst. Da du dich nicht erinnern kannst, kann man nicht genau sagen, was passiert ist. Man geht aber erstmal von einer Entführung mit Gewalttaten aus." Sie hörte auf zu Sprechen und ließ mich diese Information erstmal verarbeiten.
Ich wurde entführt? Ich wurde misshandelt?
Warum zur Hölle konnte ich mich an nichts erinnern. Ich strengte meinen Kopf so stark an, wie ich konnte, aber es brachte einfach nichts. Meine letzte Erinnerung blieb der Umzug. Unsere Nachbarn hatte ich bis dahin noch kein einziges Mal gesehen.
„Liege ich wegen der Entführung im Krankenhaus? Wer hat mich gefunden?", fragte ich.
„Du bist hier einmal wegen den Verletzungen der Entführung und weil du angefahren wurdest. Mein Sohn hat dich gefunden, aber da du über eine Straße gelaufen bist und er dich wegen einer Kurve nicht gesehen hat, hat er dich erwischt. Du musst geflohen sein. Die Polizei sucht gerade den anliegenden Wald ab, weil du aus der Richtung gekommen sein musstest. Aiden hat auch erzählt, dass deine Knie, Ellenbogen und Hände voll mit Dreck waren - auch wahrscheinlich von dem Waldboden. Bis auf deinen Gedächtnisschwund und der Gehirnerschütterung hast du keine schlimmen Verletzungen von dem Autounfall, sondern eher von den Geschehnissen davor."
Stille.
Ich hörte ihr fassungslos zu. Ich schaute auf meine Arme, an denen Narben, genähte Schnitte und andere Wunden waren. Ich wollte gar nicht wissen, wie mein Körper sonst noch aussah. Ich würde mich selber nur noch mehr hassen. Die Erinnerungen an Jaxon und die dazugehörigen Narben reichten schon, um mich und meinen Körper zu hassen. Immer mehr Tränen liefen über meine Wangen und auch Alicia weinte.
„Ist da irgendwas, an das du dich jetzt erinnerst?", fragte sie hoffnungsvoll. Ihren Wunsch machte ich durch ein Schütteln meines Kopfes zu Nichte.
„Ich denke du brauchst jetzt ein wenig Ruhe", sagte sie und erhob sich von dem Stuhl. „Bis zum nächsten Mal, Sydney." Mit den Worten verließ sie den Raum. Sie kam mir wie eine sehr herzliche Frau rüber. Ich schaute zu dem Fenster, durch das ich auf den Flur gucken konnte. Neben Alicia und diesem Aiden stand noch eine Person - ein Mädchen. Sie hatte braune Locken und eine Brille. Ich dachte erst, dass sie nicht zu den beiden dazugehörte, aber als sie mich ansah, sah ich die blauen Augen, die die anderen auch hatten. Ich schätzte es war seine Schwester.
Die Drei verschwanden von dem Fenster. Ich wollte mich so gerne erinnern. Womöglich verletzte ich sie damit, dass ich mich nicht an sie erinnerte.
Ich löste meine verkrampfte Haltung und legte mich in eine angenehme Position auf das Krankenbett. Mein Blick wanderte wieder aus dem Fenster und schaute sich die Bäume an. Den Herbst mochte ich schon immer. Man konnte gemütliche und lange Klamotten tragen und sich zu Hause verkriechen. Wenn es mal nicht regnete oder stürmte, konnte man draußen rumlaufen. Ich war mit Mason dann immer im Wald und habe Blätter, Tannenzapfen, Buchecker und weitere Sachen von dem Boden gesammelt. Als ich kleiner war, hatte ich einen Regenanzug und bin auch bei Wind und Wetter raus gegangen. Meine Mom hatte dann immer mit mir geschimpft, weil ich von oben bis unten matschig war. Mein Dad hatte mich unter die Dusche gestellt und meine Klamotten in der Badewanne von dem Matsch befreit.
Die Erinnerung brachte mich zum Lachen, aber gleichzeitig weinte ich. Ich hasste diese Kombination von Gefühlen. Zugleich tat es weh zu lachen. Mein ganzer Körper schmerzte dabei und trotzdem machte ich nicht den Fehler und schob das Kleid oder Nachthemd des Krankenhauses hoch. Ich wollte es einfach nicht sehen, ohne zu wissen, was eigentlich passiert ist.
Kurz nachdem ich aus dem Fenster geguckt hatte, hat es auch schon angefangen zu regnen. Durch den Wind peitschte der Regen an das Fenster. Die Bäume schwangen hin und her und einzelne Blätter gingen ab und flogen durch die Luft. Ich verfolgte sie, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwanden. Danach guckte ich zu den Tropfen an der Scheibe und beobachtete welcher als erstes unten ankam.
Ich konnte nicht sagen, wie lang ich einfach nur raus starrte, aber irgendwann kam eine Krankenschwester in das Zimmer.
„Hi Ms. Evans. Könnte ich mir einmal Ihre Verbände und Pflaster angucken?" Ich schaute sie an und hätte am liebsten nein gesagt. Insgeheim wusste ich aber, dass es keine Frage war. Deshalb nickte ich und ließ sie ihren Job machen.

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Hello, ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen :))

The fear of loveDonde viven las historias. Descúbrelo ahora