-chapter 40-

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„Ich würde es gerne wissen", schluchzte sie. „Es sieht so aus, als wäre ich endlich glücklich gewesen."
Sie weinte. Nicht gut...
Ich wusste nicht, ob ich irgendetwas machen konnte oder durfte. Sollte ich sie trösten? Und wenn ja wie?
„Es macht mich nervös, dass du mich kennst. Du weißt momentan mehr über mich, als ich selber über mich." Sie gab ein verzweifeltes Lachen von sich. Ich schluckte den Klos in meinem Hals runter. Am liebsten hätte ich mich auf sie gestürzt, sie auf die Matratze gepresst und dann zerdrückt. Dass sie da saß - traurig - und ich rein gar nichts machen konnte, machte mich so fertig. Momentan gab es nichts anstrengenderes, als in ihrer Nähe zu sein. Aber ich konnte und wollte sie auch nicht alleine lassen. Ihre Tränen fielen auf meinen Pullover. Langsam stand ich auf und lief auf sie zu. Sydney schniefte und wischte ihre Tränen schnell weg. „Ich möchte mich doch erinnern", wimmerte sie. Ich setzte mich neben sie und beobachtete dabei genau ihre Körpersprache. Sobald sie zurückweichen sollte, würde ich sofort wieder auf den Stuhl zurück gehen. Doch sie tat nichts. Mit großen Augen schaute sie mich an. Ihre Nase war an der Spitze rötlich und ihre Augen glasig. Vorsichtig breitete ich meine Arme aus und schaute sie fragend an. Sie nickte und lies sich sofort in meine Arme fallen. Ich atmete tief ihren Geruch ein und schloss meine Augen. Diese Umarmung sollte niemals enden... bitte. Ich strich mit meiner Hand durch ihre Haare und über ihren Rücken rüber. „Sag wenn etwas weh tut." Sie nickte, schmiegte sich aber noch näher an mich und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Nun kamen mir die Tränen und schon bald liefen sie auch meine Wangen runter. Am liebsten hätte ich sie auf meinen Schoß gezogen und noch näher gehabt. Das konnte ich aber mit ihrem jetzigen Wissen nicht tun und respektierte das. „Wie lange war ich denn weg? Wie lange musstest du auf mich warten?", fragte sie und nuschelte dabei ein wenig in mein Shirt hinein. „Einen Monat, drei Wochen und einen Tag. Plus noch einen Tag, an dem ich beten musste, dass du in dem Krankenhaus nicht stirbst." Ich hatte die Tage gezählt. Jeden. Einzelnen. Und an jedem hatte ich gehofft, dass sie einfach wieder auftauchte. Zum Glück tat sie das auch.
„Es tut mir Leid... ich kann dir nichtmal erzählen, was passiert ist. Und jetzt hast du mich sozusagen wieder und ich kenne dich nicht." „Dafür musst du dich doch nicht entschuldigen! Ich hasse mich selber dafür, dass ich dich mit dem Auto erwischt habe. Wäre ich bloß nicht in diese Bar gefahren", fluchte ich. „Lass mich raten, aus Frust hast du dich betrunken nicht war?" Ich nickte. Es war leicht zu durchschauen. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mir die Kante geben konnte, wenn ich frustriert war", lachte sie schon fast, womit sie mich ein wenig aufheiterte. „Naja, ein wenig... ich habe dich zwei Mal, als du betrunken warst in mein Bett gebracht." Ihre Antwort war nur ein - oh.
„Aber gebe dir nicht die Schuld dafür. Es war ein Unfall. Vielleicht hätte mich mein Entführer sonst gefunden und mich getötet. Ich denke so wie es gekommen ist, ist es gut..."
Darüber hatte ich nie nachgedacht...
„Wenn ich mich nicht erinnern kann, möchte ich dich trotzdem kennenlernen okay?" Dieser Satz überraschte mich. Erst dachte ich, dass ich mich verhört hatte, weil sie immer noch in mein Shirt nuschelte. Aber ich war mir sicher, dass ich mich nicht verhört hatte. „Natürlich." Es freute mich, dass sie etwas über mich wissen wollte. „Oder wie wäre es, wenn du mir etwas aus den Wochen erzählst, in denen ich bei dir war." Ich hätte ihr gerne davon erzählt, aber unsere Beziehung lief definitiv nicht immer glatt. Die Wette, die Sache mit Ciara, Andrew, die Sache am See... und das alles nur in wenigen Wochen. „Ich erzähle dir erstmal nur etwas von mir. Deine Erinnerungen werden zurück kommen, hundert prozentig."
Ich fing an über meine Familie zu reden, danach über meine Freunde, meine Hobbys und all diese Sachen.
„Ich lese auch gerne!", sagte sie glücklich, obwohl ich das wusste. Sie schien das in dem Moment vergessen zu haben, ich erinnerte sie aber auch nicht dran, dass ich das wusste.
„Außerdem mochte ich es dich am Anfang offensichtlich zu stalken und es dir auch zu erzählen." Sie lachte darüber. Meine Tränen wollten nicht aufhören über meine Wangen zu laufen und als ich mir die Tränen wegwischte, bekam es Sydney auch mit. Sie löste sich aus der Umarmung und schaute mich traurig an. „Sorry, dafür", sagte ich schnell und blinzelte mehrmals. „Wir können beide nichts dafür."
Damit hatte sie Recht und gleichzeitig Unrecht.
Trotzdem stimmte ich ihr zu.
„Es war schön mit dir zu reden, aber ich denke ich sollte jetzt rüber. Deine Schwester möchte bestimmt bald schlafen. Ich habe ja eben gerade geschlafen, also werde ich noch bisschen wach bleiben. Ich störe euch aber nicht noch weiter." Ich hätte ihr sagen können, dass sie nicht störte und ich auch mit ihr in Haylies Zimmer hätte kommen können, aber ich dachte, dass es das Beste wäre, wenn ich ihr  Zeit für sich selber lassen würde. Deshalb half ich ihr hoch und brachte sie rüber. „Schlaf gut, Sydney. Wenn du irgendetwas hast, dann komm sofort rüber und wecke mich."

Ich tat in der Nacht kein Auge zu. Während Haylie neben mir schnarchte, machte ich mir nur Gedanken um Sydney, die ein Zimmer weiter lag und - hoffentlich - schlief. Ich hoffte, dass sie keine Albträume hat. Würde sie wirklich rüber kommen? Ich bezweifelte es...
Leise stand ich auf und schlich rüber in Haylies und momentan Sydneys Zimmer. Ich klopfte kurz und leise, aber es kam keine Antwort. Langsam drückte ich die Türklinke runter und betrat das Zimmer. Sydney lag wie vorhin eingerollt in der Mitte des Bettes. Ich setzte mich neben das Bett an die Wand. Es war ziemlich dunkel, aber Dank dem Laternenlicht, was von draußen in das Zimmer schien, konnte ich sie wenigstens zum Teil sehen.
So hielt ich die ganze Nacht Wache und passte auf sie auf.

Die nächsten Tage verliefen ähnlich. Sydney und ich waren beide von der Schule beurlaubt und konnten zu Hause bleiben. Sydney musste erst wieder richtig gesund werden und ich kümmerte mich am Tag um sie. Sie konnte schon wieder besser laufen und bat um einen Spaziergang in den Wald. Das musste ich ihr leider aus dem Kopf schlagen. Der gesamte Wald war wegen den Ermittlungen abgesperrt.
„Ich wurde im Wald gefangen gehalten?", fragte sie traurig. „Man geht davon aus."
Man sah eindeutig, dass es ihr zu schaffen machte. Ich wusste, dass Wälder für Sydney immer ein sicherer Ort mit guten Erinnerungen war. „Aber wir können auch ein paar Städte weiter fahren und dort in einen Wald gehen", schlug ich ihr vor. Sie war von der Idee begeistert und zog sich sofort einen Pullover an. Ich ging die Treppen runter und wartete, bis sie fertig war. Als sie runterkam, verliebte ich mich erneut zum tausendstem Mal in sie. Ihre schwarzen Haare lagen über ihren Schultern auf dem braunen Pullover. Sie hatte einen süßen Rock mit einer Strumpfhose an und zog dazu ihre Stiefel an. Sie sah so goldig aus. „Ich bin fertig", sagte sie und verschränkte ihre Hände hinter ihrem Rücken. Lächelnd zog ich mir meine Cordjacke an und öffnete für sie die Tür.

Während ich am Steuer saß und sie aus dem Fenster guckte, hielt ich in einer Seitenstraße. „Kommt dir diese Straße bekannt vor?", fragte ich. Hier hatte ich sie damals aufgegabelt, als sie betrunken war. Sie schüttelte bedrückt mit dem Kopf.
Es fiel mir schwer, aber auf dem Weg fuhr ich auch zu der Kurve, in der ich sie erst gefunden und dann angefahren hatte. „Was ist mit diesem Ort?" Dieses Mal schaute sie sich etwas länger um, aber wieder schüttelte sie den Kopf. Ich gab es schließlich auf und fuhr ein paar Städte weiter in den Wald. Ich fuhr auf einen Parkplatz und öffnete Sydney die Beifahrertür. Sie dankte mir mit einem kurzen Lächeln und folgte mir dann zu einem Wanderweg. „Wälder im Herbst sind so schön!", schwärmte sie und schaute hoch zu den Baumkronen. „Ich liebe diese Farben. Ich denke es sind sogar meine Lieblingsfarben. Dieses orange, rot, gelb und braun sind zusammen einfach wunderschön." Ich lächelte und war glücklich, dass sie es war. „Was ist eigentlich deine Lieblingsfarbe Aiden?", fragte sie nebenbei und lief einige Meter voraus.
Was ich im Kopf hatte, war sehr kitschig. Trotzdem konnte ich mich nicht beherrschen.
„Das Schwarz deiner Haare und das Blau deiner Augen."

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Hello friends, ich hoffe, dass euch auch dieses Kapitel gefallen hat :) das Nächste kommt direkt morgen.

The fear of loveWhere stories live. Discover now