-chapter 39-

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Es waren nun einige Tage vergangen und ich durfte aus dem Krankenhaus raus. Für mich war es komisch einfach mit Fremden irgendwo hinzugehen. Naja... eher schieben. Die Ärzte haben mir einen Rollstuhl gegeben, weil ich meine Kräfte noch aufbauen musste.
Aiden fuhr mich gerade durch die Gänge des Krankenhauses zu dem Parkplatz. Jetzt musste ich zu Fremden in ein Auto steigen... Es fühlte sich alles so komisch an. Sie halfen mir mich auf die Rückbank zu setzen und verstauten dann den Rollstuhl im Kofferraum. Das Mädchen, deren Name ich immer noch nicht kannte, setzte sich neben mich und Aiden vorne neben seine Mutter. Erst herrschte eine komische Stille, bis das Mädchen anfing zu sprechen: „Wenn es für dich okay ist, überlasse ich dir mein Zimmer und schlafe bei Aiden." Ich dachte kurz nach. „Ich kann auch auf einer Couch schlafen oder einer Luftmatratze."
„Das kommt gar nicht in Frage", unterbricht Alicia unsere Unterhaltung. „Aiden kann sich auch ein Weilchen sein Zimmer teilen."
Normalerweise hätte ich von einem Jungen wie ihn erwartet, dass er protestiert. Wer teilte schon gerne sein Zimmer und Bett mit seiner Schwester. „Wenn es für alle in Ordnung ist und ich keine Probleme bereite", sagte ich und fummelte an den Ärmeln meines Pullovers rum. Alicia hat ihn mir vorhin gebracht, bevor ich mein Zimmer verlassen hatte. Der Pullover roch sehr gut und kam mir bekannt vor. Es lag mir praktisch auf der Zunge. Aber irgendetwas war da, was mir die Tür zu der Erinnerung zu hielt. Ich wusste nur, dass ich den Geruch kannte.
Aiden schwieg die ganze Fahrt über und hatte auch kein einziges Wort im Krankenhaus zu mir gesagt. Nachdem er von dem Arzt rausgeschickt wurde, hat er nicht mehr mit mir geredet. Er schaute gerade stumpf aus dem Fenster, aber als mein Blick zu seinen Händen glitt, sah ich, dass er mit seinen Ärmeln genau das Selbe machte wie ich. Dabei zappelte er mit seinem rechten Bein. Seine Mutter gab ihm einen Seitenblick und atmete hörbar ein und aus. Ich schaute auch wieder aus dem Fenster und für den Rest der Fahrt war es still. Ich kannte hier keine einzige Straße und keinen einzigen Laden. Das Einzige, was mir auffiel war eine große Stadtbibliothek. In die würde ich gerne mal rein... wenn ich nicht schon mal da gewesen war. Der Gedanke machte mich fertig.
Das Auto wurde langsamer und kam zum stehen. „Da wären wir", sagte Alicia und stieg wie die anderen beiden aus. Es war mir peinlich, dass ich sitzen bleiben und warten musste, bis sie mir helfen.

Aiden half mir die Treppe hoch und setzte mich auf das Bett von seiner Schwester ab. „Ich bin zu schwer oder?", fragte ich ihn. Er schaute mich mit großen Augen an und schüttelte dann seinen Kopf. „Du hast dich nicht geändert." Ich verstand nicht, was er mit der Aussage meinte. „Was hat mich dieses Mal verraten?", fragte er ein wenig belustigt. „Dein Herzschlag", murmelte ich leise. „Wie letztes Mal schon gesagt, du bist nicht zu schwer", sagte er und verschwand dann aus dem Zimmer.
Ich sah mich in dem Zimmer um und sofort fielen mir Fotos ins Auge. Fotos, auf denen ich mit drauf war. Ich hiefte mich hoch und humpelte zu der Fotowand. Drei andere Mädchen waren auch hin und wieder auf ein paar Fotos drauf. Ich sah mich selber auf einem Selfie, das das Mädchen geschossen hatte. Ich tanzte auf einer Party mitten in der Menge und sie machte ein Foto. Und da war ich nochmal - mit ihr und den anderen Mädchen in einer Cafeteria an einem großen Tisch sitzend. Ich sah so glücklich aus. Das Foto daneben war fast identisch mit dem hier, außer, dass Aiden in das Foto gesprungen ist und einen Arm um meine Schulter gelegt hatte. Ich hatte mich zu ihm gewendet und breit gelächelt.
Es gab noch weitere Fotos und Selfies aus ihrer Schule, einem Kino, der Stadt, einem Auto und einem See.
Ich hinkte zurück zum Bett und guckte mir weiter ihr Zimmer an.
Für Haylie, stand auf einem Briefumschlag, der an ihrer Wand über dem Schreibtisch hing. Ich guckte da aber definitiv nicht rein. Schließlich war dies trotzdem allem nicht mein Zimmer. Meine Frage über ihren Namen hatte sich dann aber geklärt. Ihr Name schien wohl Haylie zu sein.
Müde zog ich meine Hose aus und lies sie auf den Boden fallen. Meine zerkratzten und dünnen Beine kamen zum Vorschein. Beim Umziehen im Krankenhaus musste ich mich dann doch betrachten... Meinen Pullover behielt ich an. Ich ertappte mich dabei, wie ich etwas zu lange an dem Stoff roch. Kopfschüttelnd krabbelte ich in die Mitte des Bettes und rollte mich zusammen. Ich weinte mich in den Schlaf, weil mich der Gedanke, dass ich wenigstens für einen kurzen Zeitpunkt glücklich war, so unendlich traurig machte. Einfach nur, weil ich mich nicht erinnerte...

Aidens Sicht:

Ich konnte es nicht mehr aushalten. Ich hatte mein Mädchen endlich wieder zurück und dann war ich für sie nichts anderes, außer ein Fremder. Das was sie vorhin gesagt hat, hatte sie an dem Abend der Party auch zu mir gesagt.

Flashback:

„Ich bin zu schwer oder?", fragte sie verschlafen. „Was? Nein, natürlich nicht. Wie kommst du denn drauf?", fragte ich verwundert. „Dein Herzschlag... er ist so schnell", antwortete sie leise. Ruhig lag sie in meinen Armen und ich musste lachen. Mein Herzschlag war wegen ihr schnell, ja, aber nicht, weil sie schwer war. Sie machte mich nervös und dass sie für mich nur eine Wette sein sollte, machte mich noch nervöser...
Doch als sie paar Sekunden später in meinen Armen schlief, waren alle Sorgen von mir verflogen.

————

Mittlerweile war es Abend. Ich öffnete die Tür zu Haylies Zimmer einen Spalt und spähte hinein. Mein Herz flatterte, als ich Sydney eingerollt auf dem Bett liegen sah. Nachdem was die durchmachen musste, sollte ich bei ihr sein und ihr all die Zuneigung, Aufmerksamkeit und Hilfe geben, die sie wollte.
Wären ihre verdammten Erinnerungen nur nicht weg.
Ich schloss die Tür wieder und lief zu meiner Familie an den Esstisch. „Aiden, Schatz", sagte meine Mutter und lächelte mich an. Schwach erwiderte ich ihr Lächeln und setzte mich neben meinen Dad. Haylie holte das Essen aus der Küche und stellte den Top in die Mitte des Tisches. Wir fingen an zu essen, bis mein Dad anfing zu reden: „Wir haben einen Bunker in dem Wald gefunden." Ich musste mich bemühen das Essen, das gerade in meinem Mund war, nicht sofort auszuspucken. „Wir denken, dass Sydney dort gefangen gehalten wurde. Wir haben einen Stapel an Frauenkleidung gefunden und... weitere Sachen, die darauf hinweisen."
„Habt ihr ihn geschnappt?", war meine einzige Frage. „Noch nicht. Es wäre einfacher, wenn Sydney uns sagen könnte, wer er ist oder eine genauere Personenbeschreibung geben könnte." Ich knirschte mit meinen Zähnen, bei dem Gedanken an dieses Monster. „Wir finden ihn bald", versprach er mir.
„Kann ich mich zu euch gesellen?", hörte ich Sydneys Stimme hinter mir. „Natürlich, Liebes", antwortete meine Mom. Sie kam schüchtern lächelnd auf mich zu uns setzte sich neben mich. Ich lächelte sie kurz an, was sie erwiderte. Sie war irgendwie das komplette Gegenteil von der Sydney, die ich am ersten Tag kennengelernt hatte. Zwar konnte sie sich nicht daran erinnern, was passiert ist, aber ihre Art hatte sich geändert. Sie war nicht kalt, genervt oder abweisend. Eher still, schüchtern und bescheiden. Der Mistkerl hatte definitiv ihre Art so geändert, dass sie die Leute, die sie neu kennenlernt nicht verachtet, obwohl sie auf dem Stand ihres unglücklichen Ich's war.
Ich füllte ihr etwas von dem Reis und der Soße auf, woraufhin sie sich leise bedankte. Mir wäre es lieber, wenn sie mich schreiend beleidigen würde, wie am Anfang. Naja... irgendwie auch nicht. Ich wollte einfach nur die alte Sydney mit ihrem eigenen Kopf zurückhaben. Ich wollte, dass sie mich kennt und mich liebt.
Wir aßen alle still weiter. Zu meinem Überraschen bemerkte ich, wie Sydney mir einige Male einen Seitenblick schenkte. Ich wüsste nur zu gerne, was dabei in ihrem Kopf vorhing. Haylie bemerkte es wohl auch, da sie erst zu Sydney sah und mich dann anschmunzelte.
Nach dem Essen half ich Sydney wieder die Treppe hoch. „Wenn du das nächste Mal runter möchtest, dann sag einfach Bescheid. Ich helfe dir dann." Sie nickte, aber bevor ich sie in ihr Zimmer bringen konnte, tippte sie mich an. Fragend schaute ich sie an. „Kann ich mit in dein Zimmer?", fragte sie und mein Bauch fühlte sich so an, als würde darin eine Achterbahn fahren. „Natürlich", antwortete ich sofort und nahm sie mit in mein Zimmer. Ich setzte sie auf mein Bett und mich selber auf meinen Schreibtischstuhl. Sie beäugte mein Zimmer, bis sie aus dem Fenster guckte. „Da wohne ich doch oder?" Ich gab ihr ein Nicken als Antwort und ließ sie weiter mein Zimmer angucken. In einer Nacht hatte ich ein Foto von ihr gemacht, es ausgedruckt und über meinen Nachttisch aufgehangen. „Bin ich das?", fragte sie unglaublich. „Natürlich bist du das", antwortete ich und lachte. „Hmm" Sie dachte nach und machte dabei diesen Laut. „Was ist los?" Sie zögerte kurz, bis sie sagte: „Wie konnte jemand wie dich jemanden wie mich lieben?" Das konnte störte mich ziemlich, aber ich ging nicht darauf ein. Ich liebte sie immer noch über alles und dass ich es ihr nicht zeigen konnte, machte mich wahnsinnig.
„Wenn du wüsstest, was wir alles durchlebt haben, müsstest du dich eher fragen, wie du jemanden wie mich lieben- konntest."

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Hello,
Ich werde jetzt wahrscheinlich regelmäßiger und schneller Kapitel hochladen. Ich versuche die Geschichte bis zum 18. August fertigzubringen, damit ich sie auch bei den Wattys2022 einreichen kann.
Ich hoffe natürlich, dass euch das Kapitel gefallen hat :))

The fear of loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt