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Gemütlich sitzen wir im Gras vor der Uni. Amüsiert beobachte ich die Ersties mit dem Tourenführer. „Ich heiße euch willkommen an unserer Universität in Torrenz.", begann der ältere Student. Seine Stimme war eine Abwechslung zur Taylors Gejammer über sein Liebesleben. So hatte ich mir meine Freistunde nicht vorgestellt. Aber mein bester Freund bekam davon zum Glück kaum etwas mit. Die Tour lief weiter zum nächsten Checkpoint. Meine Aufmerksamkeit schenkte ich wieder dem Vampir vor mir. Ja, richtig, ein Blutsauger und mein bester Freund. Bevorzugte Mahlzeit sind Kaninchen- und Rotwildblut sowie seine geliebten Cheeseburger. Wenn man ihn so ansieht, könnte er locker als Siebzehnjähriger durchgehen. Bevor jetzt irgendjemand mit den allgemeinen Vampirklischees daherkommt – Taylor ist tatsächlich zwanzig, liebt ausgiebige Sonnenbäder und ist das absolute Gegenteil von einem Gruftvampir. Er ist der totale Frauenschwarm an der Uni. Und alle wissen, dass er nicht zu haben ist. Lewis straft jeden – selbst mich – mit bösen Blicken, wenn jemand es wagt seinen Taylor auch nur anzugucken. Ehrlich. Ich kann den Typen nicht ausstehen. Was Taylor an ihm hat? Keine Ahnung. Dass ich es jemals verstehen werde? No Way! Jedenfalls Lewis ist ebenfalls Blutsauger. Er ist ein Gruftvampir oder ein Gothic, wie man sagen würde. Und ich? Ich bin... normal? Naja, bis auf meine Genetik stimmt das ja: 1,70 groß, schwarzblaue Haare und meine übernatürlichen roten bzw. gelben Augen. Nebenbei erwähnen sollte man, dass ein ich Hybridwesen bin. Ein ungewöhnlicher Misch aus Mensch, Vampir und Werwolf.

Taylor warf mir einen kurzen Blick zu als wollte er prüfen, ob ich zuhöre. Theatralisch seufzte ich. Jeden zweiten Tag hörte ich eine ähnliche Geschichte. Als wenn es etwas ändern würde, dass Lewis einen Schuss hat! Zum Glück wohnte der Arsch gerade eine seiner Vorlesung bei.

„Was hält dich bloß beim ihm?", sprach ich meinen Gedanken laut aus und betreute es sofort. Taylors wütender Blick ausweichend, fixierte ich einen Punkt in der Ferne. Unverhofft tauchte in meinem Blickfeld eine Person auf. Ich schob meine schwarzen Fransen aus dem Gesicht – verdammt, die musste ich mal kürzen! – und versuchte den Fremden zu erkennen. Während Taylor weiter neben mir wetterte, fokussierte ich die Person. Ich hatte in den letzten vier Jahren einigermaßen gelernt mit meinen Vampir- und Werwolfsgenen umzugehen. Die Pupillen meiner Augen wurden dunkelrot, getränkt mit dem Virus der Vampire. Damit konnte ich mehrere hundert Meter weit sehen. Mein ausgeprägtes Hörvermögen und den nahezu perfekten Geruchssinn hatte ich den Werwölfen zu verdanken. Das Einzige doofe ist: Ich kann mich weder in einen Wolf verwandeln noch habe ich die stabilen Knoche der Spezies. Das Schicksal gestand mir wenigstens einen Teil der Selbstheilungskräfte der beiden Spezies zu. Einfach kacke!

Trotzdem allem erkannte ich auf die Entfernung den Alpha des jungen ortsansässigen Werwolfrudels. „Was will Darwin hier?", unterbrach ich Taylors Wutpredigt. Sofort stoppte mein bester Freund und folgte meinem Blick. „Keine Ahnung. Solange er nicht zu uns kommt." Klar. Ich wusste, warum Taylor so reagierte.

Vor vier Jahren wurden Taylor und ich auf eine Fete eingeladen. Auf Darwins Fete. Sein Rudel hatte ihm zum achtzehnten eine Party organisiert. Jener Tag, an dem ein junger Wolf seinen Gefährten finden oder erkennen soll. Ein paar schicke Tänzerinnen, viel Alkohol und eine Menge Leute. Die meisten kannte ich nicht. Nach zwei Stunden hockten Taylor und ich sabbernd an einem der kleinen Tisch. Darwin stand ein paar Meter vor uns. Oben ohne! Habt ihr schon mal den durchtrainierten Körper eines jungen Werwolfs gesehen? Sein sexy Eightpack. Yummie! „Wir sollen noch was trinken.", murmelte Taylor. Er stand auf und ging rüber zur Bar. Ich gaffte weiter auf Darwins Rücken. Was würde ich tun, um ihn kurz berühren zu dürfen? Seufzend löste ich meinen Blick um ihn gleich wieder an diesem starken Rücken fest zu tackern. Ich könnte da jahrelang hinsehen. Wie er langsam seinen Kopf drehte, lächelte und sich in Bewegung setzte... Was?!

Ich riss meine verträumten Augen auf. Darwin kam in meine Richtung! Zu mir! Wie in Zeitlupe kommt unverhofft Taylor ins Bild. Seinen Blick hat er auf den Fußboden, damit er nicht – betrunken wie er war – über seine Füße stolpert. Bei Alkoholeinfluss täuschten sogar einen Jungvampir seine Sinne. Statt über seine Füße stolpert er über Darwin und rennt ihm volle Kanne rein. Der Inhalt der beiden Cocktail-Gläser ergießt sich auf Darwins Oberkörper bis runter zur Hose. Wenn ich nicht so entsetzt gewesen wäre, hätte ich das echt hinreißend gefunden. Aber in diesem Moment hätte ich Taylor einfach nur umbringen können!

Geschockt starrte der Vampir das Geburtstagskind an. „T... tut mir leid!" Aufgedreht versuchte mein bester Freund die Situation zu retten. Doch Darwin nahm lässig eine Serviette von unserem Tisch und legte den Wasserfall trocken. Vor meinen Augen. Verdammt! Ich sabberte schon wieder!

„Kein Problem.", lächelte der Wolf und zog Taylor zu sich, „Danke für die Dusche." Schon wieder könnte ich dem Vampir an den Hals springen! Natürlich stellte sich Darwin breit grinsend an unseren Tisch. Unseren Tisch! Er hatte Taylor noch im Arm als er mich anlächelte. Ich hätte zerfließen können. An der Taille zog er mich zu sich. Mein bester Freund und ich in den Armen des heißersten Typen weit und breit.

„Vielleicht sollten wir die Party wo anders fortführen?" Verführerisch schaute uns der Werwolf abwechselnd in die Augen. Taylor hatte mir erzählt, dass Darwin über der Bar eine kleine Wohnung hatte. Ich biss mir auf die Unterlippe. Darwin war so... unbeschreiblich. Braune Locken, gelbe Augen, dieser Körper und dieses Selbstbewusstsein. Auch Taylor konnte kaum widerstehen. Der Alkohol tat sein Übriges. Der Werwolf führte uns nach oben. Direkt in das Schlafzimmer. Oh mein Gott! Was tat ich hier eigentlich? Ich wusste ja, dass Taylor schon mal hatte... Aber ich nicht! Ich begann leicht zu zittern. Neben mir bewegte sich die Matratze. Der Gastgeber hielt mir ein Glas hin. „Taylor hat vorhin ja alles verschüttet." Lächelnd nehme ich das Getränk entgegen. Dabei berühren wir uns kurz. Darwin grinst zurück und schnappt sich Taylor. „Setz dich, mein besoffener Vampir." Mein bester Freund kam der Bitte nach. Seine Bewegungen waren fahrig. Er musste noch betrunkener sein als ich. Wirklich Taylor war einfach eine Katastrophen-Vampir. Ich zerbrach mir über meinen besten Freund den Kopf, da lag ich schon unter Darwin. Mein Glas hatte er mir flink aus der Hand genommen und auf den Boden gleiten lassen.

Lange sah er mir nur verführerisch in die Augen. Meine langweiligen damals noch braunen Augen. Bis sich Taylor neben mich legte. Er streichelte meine Wange und strahlte mich an. Darwin nutzte die Ablenkung und küsste mich am Hals entlang. Neben mir leuchteten hellrote Augen. Taylors Augen. Es erregte ihn zuzusehen. Von Darwin kam ein Knurren und seine Augen leuchteten gelb auf. Ihm ging es genauso wie uns beiden. Vorsichtig wurde ich auf den Schoß des Werwolfs geschoben. Einen Moment später hockte Taylor hinter mir. Über meine Schulter küssten sich die beiden. Erst vorsichtig, dann wurden sie mutiger und der Zungentanz begann. Ich ließ mich auch nicht lange bitten. Darwins Hals war so schön ungeschützt. Mit der Zunge fuhr ich langsam nach unten um mich wieder nach oben zu küssen. Wieder knurrte der Werwolf leise. Der Kuss der beiden wurde unterbrochen. Stattdessen hingen beide an meinem Hals. Doch satt Küsse spürte ich plötzlich zwei Paar Fangzähne in meine Haut eindringen. Ein heißer Schrei löste sich aus meiner Kehle. Dann wurde es Schwarz vor meinen Augen.



Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now