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Der Vampir kauerte auf dem Sofa und starrte ins Leere. „Das macht er heute schon den halben Tag. Er sitzt da und betrachtete die Wand.", murmelte Darwin und reichte mir eine Tasse Tee. Ich setzte mich neben Taylor und legte meine Hand auf seine Schulter. Damit erschreckte ich ihn fürchterlich. Er stieß einen markerschütternden, grellen Schrei aus. Darwin war eine Sekunde später bei uns. Der Wolf zog den zappelnden Vampir in seine Arme.

„Beruhige dich, Taylor. Es sind nur wir!" Die leisen Worte drangen nicht bis zu unserer Fledermaus durch. Er wehrte sich vehement. Ich legte meine Hand auf die von Darwin und schüttelte den Kopf. Er sollte ihn loslassen. Das hatte einfach keinen Sinn. Als der Vampir losgelassen wurde, beruhigte er sich langsam. Das Zittern ebbte ab. Seine Augen klärten sich. Dann hob er seinen Kopf als würde er aus einem Albtraum erwachen. Sein Blick hatte etwas Entschuldigendes und einen Hauch Vorwurf.

„Alles wieder gut?" Er nickte. Es war nur für den Moment. Doch es ließ sich als Fortschritt verzeichnen.

Am Abend verweigerte der Vampir seine Blutration. Darwin versuchte ihn zu überreden. Erfolglos. Als wenn er mit einer Wand sprechen würde. Seufzend gab der Werwolf auf. Taylors Verhalten erinnerte mich stark an die Tage nach Lewis Tod. Vielleicht brauchte der Vampir einfach ein wenig Ruhe – eben wie damals.

Es dauerte mehrere Monate. Doch dann ging es Taylor wieder besser. Wir schliefen sogar wieder zusammen in einem Bett.

Heute folgten wir einer Einladung zum Abendessen auf Castel Sanguis. Taylor und Darwin zofften sich seit gestern wieder mal. Es ging um die Logik, wie mit Lorenz von Stein umgegangen wurde. Er wurde lediglich mit Sanktionen belegt für die Taten seines Sohnes.

Trevor und Tristan erwarteten uns bereits auf dem Schlosshof. Der Schlossherr führte uns in den Speisesaal. „Ich habe euch eingeladen um mit euch über Lord Lorenz zu sprechen." Unbemerkt verdrehte ich die Augen. „Vater. Die Sanktionen sind gerechtfertigt.", entgegnete Taylor kühl. „Es geht nur um eine Kleinigkeit." Trevor schaute mir bittend in die Augen. „Es geht um das Recht aufs Festland zu reisen.", erklärte er, „Er hat sich in den letzten Monaten sehr bemüht. Ein Entgegenkommen wäre jetzt angebracht." „Ich denke darüber nach. Nächsten Monat muss ich sowieso auf eine Konferenz.", antwortete ich diplomatisch. Ja. So sieht mittlerweile mein Alltag aus. Ich renne von einer zur nächsten Besprechung. Immer in der Hoffnung es gut zu machen.

Trevor schwieg. Er schnitt das Thema nicht nochmal an. Dafür war ich ihm sehr dankbar. Schließlich hatte ich wenig Zeit für Diskussionen.

„Die Feier im Wolfswald. Ihr wurdet ebenfalls eingeladen, richtig?" Die Vampire nickten auf Darwins Frage hin. Am späten Nachmittag war eine Verbindungsfeier zweier Gefährten angesetzt. Der Alpha hatte uns bis jetzt noch nicht verraten, um wen es dabei ging. Mit den beiden Vampiren im Schlepptau machten wir uns auf den Weg.

Im Wolfswald war bereits mächtig was los. Hauptsächlich waren es natürlich Werwölfe. Mir entgingen die INV-Soldaten in ihrer schicken Ausgehuniform nicht. Es musste jemand ganz besonders sein, wenn die hier waren. Zwischen den Gästen erblickte ich Samu, der sich ausgelassen mit Logan unterhielt. Nur Finn konnte ich nirgends sehen. Vielleicht hatte er wieder einen schlechten Tag und konnte sich vor Schmerzen kaum bewegen. Die Klinge des Zombiewerwolfs hatte bleibende Schäden bei Samus Gefährten hinterlassen.

Vor uns waren ein paar Reihen Stühle. In der Mitte ein breiter Gang, der vor einem Bogen endete. Alles geschmückt mit verschiedenen Blumen und Ranken. Ein paar der Sitzplätze waren bereits besetzt. Darwin schob uns beide in die zweite Reihe. „Bin gleich zurück." Schon war er weg. „Was denkst du wird das?" flüsterte Taylor, „Sieht aus wie eine Hochzeit." Ich lächelte ihm zu. „Mich würde mehr interessieren, um wen es geht." Der Vampir zog die Augenbrauen hoch. „Hast du es vorhin nicht gelesen?" Irritiert schaute ich ihn an. Dann lächelte er schmal. „Dann lass dich überraschen."

Es dauerte knappe zehn Minuten bis Darwin zurückkehrte. Sein Vater stand hinter dem geschmückten Bogen. Hinter uns betrat ein stattlicher Werwolf in festlicher INV-Uniform den Gang. Er wurde von zwei anderen Werwölfe im gleichen Gewandt begleitet. „Ihr werdet nicht viel verstehen.", wisperte Darwin ohne die Lippen zu bewegen, „Die Zeremonie findet im alten Wolfsdialekt statt."


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now