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Der Pfad war gerade breit genug für die Tiere. Von Weitem konnte ich mehrere kleine Feuer zwischen den unzähligen Steinsäulen tief im Wald erkennen. Der immer breiter werdende Weg führte auf eine Sonnenpyramide zu. Einer Pyramide ohne Spitze, die statt dem üblichen Abschluss eine breite Plattform aufwies. Dort warteten bereits drei Gestalten. Sie trugen Masken mit unterschiedlichen farbigen Fratzen und nur im traditionellen Rock gekleidet. Vermutlich die Priester dieses Tempels. Lothar stieg ab und zerrte mich vom Pferd herunter. Unsanft landete ich auf meinem Po. Sofort wurde ich auf meine Beine geschoben. Vor mir tat sich eine lange Treppe auf. Der Zögling des Hauses Stein schubste mich bestimmend weiter. Ehrlich. Ich würde mich jetzt lieber einem Kreuzverhör von Taylor und Darwin zur Frage, was im Flugzeug beim Heimflug passierte, stellen statt hier zu sein.

Die Stufen erreichten eher das Platon als mir lieb war. Ich wurde dem Priester mit der blauen Fratzenmaske übergeben. Dieser führte mich in die Mitte einer runden Steinplatte. In breiten Furchen loderten Flammen drum herum. Die schweren Ketten mit Fesseln waren im Steinboden eingelassen. Kaum zu übersehen. Mein Herz rutschte in die Hose und meine Hoffnung starb hier lebend rauszukommen.

Der Priester mit der roten Maske hielt mir einen Dolch an die Kehle, während die beiden anderen die Handschellen lösten um sie durch die Kettenfesseln zu ersetzten. Dann stand nur noch der Priester mit dem Dolch bei mir. Vor meinem inneren Auge tauchten Zeilen über Blutzauber auf. Ich hatte von vielen Blutzaubern gelesen. Wieso musste mir ausgerechnet jetzt dieser Blödsinn einfallen? Der Priester begann etwas zu murmeln. Aussichtslos, dass ich irgendwas verstehen würde. Dann senkte er den Dolch und trat hinter den Feuerring zurück. Plötzlich bewegte sich das Bauwerk abrupt unter mir. Zitternd wagte ich mich nicht zu bewegen. Zwei Pfeiler versenkten sich rechts und links in den Boden. Gleichzeitig spannten sich die Ketten und zwangen mich rücksichtslos auf die Knie. Ich schrie erschrocken auf. Die scharf geschliffenen Steine, welche genau neben den eingelassenen Fesseln platziert waren, durchdrangen ohne Widerstand meine Haut. Heiß tropfte mein Blut auf den Boden. Es verdampfte sobald es den Untergrund erreichte. Die drei Priester starrten mich an. Dann begannen sie mit geschlossenen Augen und ausgebreiteten Armen ihre Gebete zu murmeln. Mir wurde wieder schwindelig. Unaufhaltsam tropfte und verdampfte mein roter Lebenssaft auf dem Stein. In einem kleinen Eckchen meines Gehirns fragte ich mich, wieso das passierte. Aber im Endeffekt war es nun egal. Taylor und Darwin würden mich tatsächlich nie rechtzeigt finden. Ich war erledigt. Am Ende. Das war's. Aaron meldet sich ab. So hatte ich mir mein Ableben sicher nicht vorgestellt. Aufgeben war nie mein Ding. Doch im Moment arbeitete selbst mein eigener Körper faktisch gegen mich.

Ein lauter Aufprall ließ mich die Ohren spitzen. Auf einmal hörte ich Kampfgeschrei. Mit aller Macht versuchte ich meine Augen zu öffnen. Jedoch verweigerten sie jeden Befehl. Also muss ich mich auf mein Gehör verlassen.

„Aaron! Kannst du mich hören?!" Taylor? Träumte ich etwa. War das eben tatsächlich seine Stimme? Klirrendes Metall, dann wurde ich hochgehoben. Das musste ein Traum sein. Ich hörte ihn noch ein paar Mal nach mir rufen. Doch seine Stimme entfernte sich immer mehr. Ein schleierhafter Nebel legte sich über meine Sinne und ließ mich einschlafen.

Ich hörte Geräusche von weit her. Neugierig folgte ich ihnen aus der Dunkelheit.

„Verdammt! Wie konnte das passieren?" „Das fragst du mich? Wer hat denn behauptet, dass die Wolfsburg uneinnehmbar ist?" Ich verdrehte die Augen. Das erste, was ich hörte und am liebsten wäre ich in meine Nebelwelt zurückgekehrt. Sachte drehte ich den Kopf. Dieses Zimmer. Es kam mir vertraut vor. Ich war definitiv nicht Zuhause. Tasmische Symbole. Neben dem Fenster hatte ein Schreibtisch seinen Platz gefunden. Darauf hatte Tinur seinen Ellbogen gestellt um seinen Kopf mit der Hand zu stützen. Seine Augen waren geschlossen. Die Tür flog auf und ein mies gelaunter Luraz stand auf einmal vor mir.

„Aaron! Ihr seid wach." Sofort hellte sich sein Gesichtsausdruck auf. Benommen starrte ich ihn an. „Ich habe nicht gedacht Euch so schnell wiederzusehen. Noch dazu unter diesen Umständen." Umsichtig begutachtete der Vampir meine Wunden. „Ist es sehr schlimm?" Das Krächzten aus meiner Kehle konnte ich kaum als meine Stimme wiedererkennen. „Die Verletzungen heilen bereits. Das Gröbsten habt Ihr bereits hinter Euch.", erklärte er und wandte sich um, „Tinur. Wärst du so nett unsere Streithähne herbei zu rufen?" Der andere Vampir erschrak, nickte rasch und flitzte sofort aus dem Raum. „Was ist passiert?" Lächelnd gab mir Luraz eine Kurzfassung der Ereignisse. Vor zwei Tagen hatte mich das INV, die international vereinigten Streitkräfte, aus der misslichen Lage befreit. Alle Verantwortlichen wurden vorübergehend festgenommen. Das galt jedoch nicht für Lothar von Stein und die anderen Flüchtigen. Sie saßen bereits in Katakora hinter Schloss und Riegel. Dieses Mal in unterschiedlichen Gefängnissen. Verteilt aufs ganze Land.

Der Vampir hatte eben fertig berichtet als die Tür ein weiteres Mal fast gegen die Wand krachte. Meine zwei Chaoten rannten ins Zimmer, dicht gefolgt von Tinur.

„Wie geht es dir?", erkundigte Darwin beunruhigt. „Hast du Schmerzen? Tut dir was weh?", folgten Taylors Fragen. „Alles gut.", krächzte ich und setzte mich auf. Ganz zum Missfallen der Anwesenden. Sofort stützten mich Darwin und Taylor von links und rechts. Meine Handgelenke lagen in dicken Bandagen eingewickelt. Beruhigend strich mein bester Freund über meinen Rücken, „Du hattest nur noch knapp einen Liter Blut im Körper. Wärst du kein Hybrid, hätten wir dich verloren.", erzählte er ohne das Streicheln zu unterbrechen, „Es wird noch einige Tage dauern bis sich dein Bluthaushalt normalisiert hat." „Dass zumindest sagen unsere Menschenärzte.", fügte Luraz hinzu, „Wenn ich fragen darf. Wieso habt Ihr den Fürstensohn begleitet?" „Das frage ich mich allerdings auch.", murmelte Taylor mit einem fiesen Unterton. Der Anflug von Ärgernis in meinem Blick auf den Vampir neben mir konnte ich mir kaum verkneifen. „Werwölfe. Sie haben mit Werwölfen die Feste angegriffen. Ich weiß nicht wie oder warum. Aber es waren Werwölfe!" Ich drücke kurz Darwins Hand um ihn zu beruhigen. Luraz betrachtete uns nachdenklich. „Woran denkst du?" Lange schwieg der Vampir. „In welchem Zustand waren die Angreifer?" Darwin erzählte ihm von dem zombieartigen Verhalten seiner Artgenossen. Ergänzend fügte ich meine Beobachtungen hinzu.


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now