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„Das habe ich befürchtet." Fragend und abwartend starrte wir den Vampir an. „Es gibt sehr alte und verbotene Blutrituale. Eines deckt sich mit euren Aussagen. Das Ritual wurde früher für die Kriegsführung benutzt. Um die Opferzahlen unter den Vampiren zu minimieren, schickte man Werwölfe unter Gedankenkontrolle in den Kampf." „Das ist barbarisch!", schimpfte Darwin. „Das Ritual ist seit mehreren Jahrhunderten verboten. Es ist leider recht einfach anzuwenden." Mir stockte der Atem. Konnte ich mich so in Luraz getäuscht haben? Er bemerkte meinen Verdacht. Abwehrend hob er seine Hände hoch. „Keine Sorge. Ich habe keine praktische Erfahrung. Lediglich aus alten Büchern kenne ich den theoretischen Ablauf." „Wirklich?" Der Vampir bekam nur noch ein schräges Lächeln zu Stande. „Na los! Wir warten!", forderte Darwin herrisch und wütend. „Meine Eltern hielten früher Werwölfe. Als ich erst fünfzig Jahre alt war, musste ich stets vor dem Sonnenaufgang zuhause sein. Einmal habe ich es nicht geschafft. Dann habe ich den Blutzauber aus der Not heraus ausprobiert. Der betroffene Wolf öffnete mir das Tor öffnete und schleuste mich bis zu meinem Zimmer durch. Ich habe das danach nie wieder getan! Ich schwöre bei meinem Leben!" „Hast du ihn aus dem Zauber entlassen?" Der Vampir nickte sofort auf Darwins Frage. „Gibt es Nebenwirkungen?" Luraz dachte nach. „Der Wolf war ein wenig desorientiert. Naja. Er war schließlich auf einmal in meinen Gemächern. Ich meine mich zu erinnern, dass er über Kopfschmerzen klagte. Leider kann ich nicht sagen, was bei dauerhaftem Gebrauch mit dem Wirt geschieht." Darwin nickte. „Die meisten Wölfe machten einen halb verhungerten Eindruck. Mit ihrer Anzahl haben sie uns trotzdem überrannt. Es müssen hunderte gewesen sein." „Aber wie habt ihr mich gefunden?" Diese Frage brannte bereits die ganze Zeit auf meiner Zunge. „Es war Glück. Pures Glück.", gestand Taylor, „Erinnerst du dich an Vaters Boten?" Ich nickte. „Tja. Es hat sich herausgestellt, dass er ein Überläufer war. Ich habe Vater nach dem Boten gefragt. Als dann aber Alba Montem angegriffen wurde, ließ er seinen Boten per GPS orten. Tatsächlich hat der Idiot weder sein Smartphone abgeschaltet noch die SIM-Karte ausgetauscht. Die INV konnten wir innerhalb eines halben Tages mobilisieren. Zum Glück haben wir es noch rechtzeitig geschafft." Dankbar lächelte ich Taylor an. Auch Darwin lächelte ich zu.

Drei Tage später erklärten mich die Ärzte für transportfähig. Tinur stellte ich Luraz zur Seite. Die beiden sollten als meine Augen und Ohren auf Tasma Island fungieren. Nebenbei nahm ich mir das Recht heraus Luraz offiziell zu meinem Botschafter auf der Insel zu machen. Damit war er selbst für Lord Lorenz unantastbar.

Mit einer INV-Maschine hoben wir schließlich ab. Diesmal würde Darwin sich wohl seine Krallen abbrechen. Doch entgegen meiner Erwartung blieb der Wolf erstaunlich ruhig. Wenn das nicht merkwürdig war. „Die haben mir Medikamente verpasst.", flüsterte Darwin als wir in der Luft waren. Ich grinste ihn wissend an. Die Kratzspuren an einem der hinteren Sitze war mir nicht entgangen. Ich schaute mich weiter um. Dann bemerkte ich Taylor, der sich mit ein paar INV-Soldaten unterhielt.

„Der ist fürs Erste abgelenkt.", murmelte der Wolf neben mir, „Wollen wir reden? Da wo wir aufgehört hatten?" Kurz verstand ich nicht. Dann fiel es mir wieder ein und wurde rot. „Du weißt, dass mir wegen dem Flug schlecht geworden ist." „Hm. Wusste ich das?" Natürlich. Aber ich wollte Darwin ein wenig quälen. Deshalb zuckte ich mit den Schultern. „Heißt, dass jetzt OK oder beweis mir das Gegenteil?" Tiefgründig sah ich dem Wolf in die Augen. „Das darfst du selbst entscheiden.", wisperte ich gegen seine Lippen. Das ließ sich der Alpha nicht zwei Mal sagen. Sanft küsste er meine Lippen. Es lag kein drängendes Verlangen darin. Eine einfache romantische Geste. Ich hätte schmelzen können. Wenn, ja wenn, mich nicht Taylors eisiger und verletzter Blick getroffen hätte. Der Ausdruck verschwand als Darwin meinem Blick folgte. Der Vampir widmete sich sogleich dem Gespräch mit den Soldaten. Darwin und ich schwiegen uns an. Der böse Blick zerstört den Moment zwischen uns.

Kurz vor der Landung setzten sich alle auf ihre Plätze. Die INV hatte einen Außenposten in der Nähe von Torrens auf dem die Militärmaschine federleicht landete. Hinter den Hallen des Stützpunkts wurden wir bereits erwartet. Das Empfangskomitee – Logan, Alan, Samu, Trevor und Tristan – wartete bereits ungeduldig. Mit zwei Escortfahrzeugen ging es Richtung Stadt. Taylors Bruder fuhr den mittleren Wagen. Auf dem Beifahrersitzt hockte Darwins Beta. „Die Sicherheitsmaßnahmen wurden angepasst.", erklärte Tris auf den Weg in die Innenstadt, „Es wurde eine Wohnung in der gesicherten Wohnanlage hinter dem Rathaus für dich eingerichtet, Aaron. Du kannst sie natürlich nach Belieben umkrempeln." „Wir haben natürlich auch eine Lösung für Darwin und Taylor. Damit sie dir nicht dauernd auf den Keks gehen.", ergänzte Samu, „Die beiden haben eigene Zimmer mit Bad." Der Beta zwinkerte mir aufmunternd zu. „Die Anlage ist mit der modernsten Sicherheitstechnik ausgestattet. Neben den Zugangskarten überprüft das System die Stimme und den Fingerabdruck des Besuchers. Gibt es keine Übereinstimmung wird der Eindringling mit Hilfe von Brandschutztüren eingeschlossen. Diese lassen sich nur von der Hausaußenseite öffnen." „Ist das nicht dezent übertrieben?" Tris zuckte nur mit den Schultern. „Der Bürgermeister hat sich das eingebildet." „Und wer ist im System?", erkundigte sich Darwin gähnend. „Nur die Personen des Konvois, der Bürgermeister und ein paar Menschen mit den höchsten Sicherheitsfreigaben. Zu eurem Apartment habt nur ihr drei den direkten Zugang. Letztlich entscheidet ihr, und nur ihr, wer euer Apartment betritt."

Endlich kamen wir am Tor der gesicherten Wohnanlage an. Die drei Fahrzeuge wurden kontrolliert als wollten wir eine Militärbasis betreten. Nach etlichen Minuten durften wir passieren. Die Wohnung belegte den gesamten zweiten Stock. Sie war nett eingerichtet. Als erstes inspizierte ich das Bett. Erledigt ließ ich mich darauf fallen und schloss die Augen.

„Hey, Aaron." Leicht rüttelte Darwin an meiner Schulter, was mir nur ein leises Murmeln entlockte. „Möchtest du nicht etwas essen?" Ich schüttelte den Kopf ins Kissen. „In Ordnung. Ich wecke dich morgen früh."


Das Leben zwischen den StühlenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt