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Das Datum auf dem Display deckte sich mit der Erzählung. Schockiert machte ich das blendende Licht aus. Ich atmete ein paar Mal ein und aus. „Wann kann ich wieder nach Hause?" „Du wirst ab jetzt bei uns leben." Trevors Stimme erstickte jede Wiederrede im Keim. „Darf ich meine Eltern wenigstens sagen, dass ich noch lebe?" Trevor nickte. „Du kannst sie sogar sehe. Aber niemals alleine." Ich schnaubte nur. „Du könntest sie ausversehen verletzten, Aaron.", murmelte Taylor ernst, „Da willst du doch nicht, oder?" Beschämt schüttelte ich den Kopf. Passenderweise flog in diesem Moment die Zimmertür auf. „Ich hab's!" Ein ausgeflippt gekleideter Kerl stand in der Tür. Das Licht vom Gang ließ es wie einen Sonnenaufgang aussehen. Der lange rote Mantel war ja mal total bescheuert. Doch beim genaueren Hinsehen konnte ich Taylors ein Jahr jüngeren Bruder Tristan erkennen. „Tris. Schrei hier nicht so rum! Du bist echt total peinlich!", rutschte es Taylor raus. „Aber du.", erwiderte er unbeeindruckt, „Wer hat denn seine Stellung verloren, weil er sich nicht im Griff hat?" „Schnauze!", fauchte sein Bruder wütend. Der Jüngere lächelte überlegen. Dann fiel sein Blick auf mich. „Oh. Du bist wach?" Ich nickte nur. Tristan und ich konnte man nicht gerade als Freunde bezeichnen. Nicht, dass wir uns hassten. Wir mochten uns einfach nicht.

Sofort stand Tris neben mir. Hatte ich erwähnt, dass ich diese Fähigkeit hasste? Er hielt mir seine Faust unter die Nase. Grundlos musste ich nießen. Ich hatte nichts gerochen. Was für ein Problem hatte meine Nase?

„Die Ärzte wollten es nicht ausprobieren.", lächelte Tris, „Du hättest auch ausrasten können." Neben mir wich Darwin so unauffällig wie möglich zu seinem Vater an die Wand. „Was ist das in deiner Hand?" „Getrocknete Ingwer-Wurzel mit Zusätzen. Werwölfe schätzen es nicht sehr." „Trollpisse nennst du Zusätze?", fauchte Darwin angewidert. Langsam nervte es. Konnte hier niemand Klartext statt in Rätzel sprechen?

„Und was willst du damit? Meine Nase töten?" Tris lachte. „Nein. Sicher nicht. Die Experten meinten, wenn du darauf reagierst, dann ist es eindeutig.", kicherte er, „Schau dir Darwin an. Er würde sich am liebsten die Nase abbeißen." Ich betrachtete Tris ernst. „Und was sagt dir das jetzt?" Tris grinste mich an. „Du bist kein Mensch mehr." „Soweit bin ich auch schon!", fauchte ich den jungen Vampir an. „Du bist auch kein Vampir, kein Werwolf." Genervt schaute ich ihn an. Wie lange wollte er mich noch auf die Folter spannen?

„Die Experten denken, du bist ein Hybrid aus Mensch, Vampir und Werwolf. Die Wahrscheinlichkeit standen 1:1 Googol, dass du es schaffst. Aber hier bist du!", fasste er schließlich zusammen. Hinter Tris atmete sein Bruder erleichtert auf. Meine Ratlosigkeit stieg. Was wollte man mir hier erzählen?

„Möchtest du an die frische Luft?", schlug Tristan vor. Auffordernd hielt er mir die Hand hin. Ich wollte nicken, doch Taylor schüttelte hinter ihm aufgebracht den Kopf. „Ich sollte auf die Ärzte warten.", sagte ich diplomatisch und ließ die Hand sinken. „OK. Ich werde sie sofort zu dir bringen." Schon war er aus der Tür. „Sorry.", murmelte Taylor, „Aber Tageslicht ist schlimmer als Neonlicht." Seufzend nahm ich es hin. „Ich kann aber irgendwann wieder rausgehen oder?" Der Vampir nickte aufmunternd.

In den nächsten Monaten und Jahren lernte ich meine Fähigkeiten zu kontrollieren und sie gezielt einzusetzen. Durch Zufall fand ich heraus, welche Strafen meine bisswütigen Freunde erhalten hatten. Trevor hatte seinem Ältesten die Nachfolge in der Clanherrschaft verweigert. Tristan würde das nächste Oberhaupt werden. Ob das eine weise Entscheidung gewesen war, sei mal dahingestellt. Schließlich war Tristan mehr ein verrückter Wissenschaftler statt eines gewissenhaften Anführers. Taylor durfte zumindest in der Familie bleiben. Im Gegensatz zu Darwin. Sein Vater hatte ihn aus dem Rudel verstoßen. Er nahm es gelassen. Kurzer Hand hatte er ein eigenes Rudel gegründet. In den letzten Wochen vor den Abiturprüfungen lieferte sich Darwins Rudel mit dem seines Vaters bittere Revierkämpfe. Nach mehreren Niederlagen zogen sich die jungen Wölfe an die Stadtgrenzen zurück. Letzten Sommer hat Taylor dann Lewis kennen und lieben gelernt.

Und jetzt sind wir auch schon in der Gegenwart angekommen. Darwin hockte sich ungefragt neben mich. Die letzten vier Jahre hatte sich der Kerl weder entschuldigt noch hatte er sich bei meinem Training blicken lassen! Damit hier niemand etwas missversteht. Verwandelt man jemanden, egal aus welchem Grund, ist man für den ‚Neugeborenen' verantwortlich und ist verpflichtete sich um ihn zu sorgen. Aber was kümmerte es unseren ach so tollen Werwolf. Ich konnte echt nicht mehr nachvollziehen, was ich so süß an ihm gefunden habe. Taylor war da der gleichen Ansicht.

„Wie geht's?" Taylor und ich warfen uns einen eindeutigen Blick zu. Wir würden den ungebetenen Gast ignorieren. Er merkte schnell, was ablief. „Oh ach so. Ignorieren wir den blöden Wolf einfach mal. Danke, Jungs." „Verpiss dich zu deinem Kindergarten.", fauchte ich ungehalten, „Niemand will dich hier haben!" Verblüfft starrte mich Darwin an.

„Vielleicht bin ich hier um dir was zu sagen.", erwiderte er nach ein paar Minuten. „Selbst wenn du mich vor dem Untergang der Welt bewahren wolltest, würde es mich nicht im Geringsten interessieren.", entgegnete ich kalt, „Ich bin keiner deiner dummen kleinen Wölfe, die nach deiner Pfeife tanzen. Und jetzt verschwinde!" Desinteressiert schaute Taylor neben mir auf sein Smartphone. „Unsere Vorlesung startet gleich.", sagte er nebenher. „Ich kann warten.", entgegnete Darwin trotzig. Kopfschüttelnd stand ich auf. Natürlich war die Stunde noch nicht zu Ende. Aber wir wollten beide hier weg.

Ich überlegte, warum Darwin ausgerechnet jetzt auftauchte. Vor einigen Wochen hatten man Logans Rudel angegriffen. Der Alpha, Darwins Vater, soll dabei verletzt worden sein. Aber das Rudel schwieg. Es gab nur Gerüchte. „Was will er auf einmal?", riss mich Taylor aus den Gedanken. „Vielleicht wollte er ein Lob für die Attacke." Zweifelnd kreuzten sich unsere Blicke. „So blöd ist er nicht." Ich zuckte nur mit den Schultern. „Trotzdem auffällig, dass er sich jetzt blicken lässt." Mein bester Freund wusste, worauf ich hinauswollte. Kurz vor dem Angriff auf das Rudel hatte Logan mich vor dem ganzen Campus schlecht gemacht. Er hatte in Biologie einen Vortrag über Werwölfe gehalten. Ein Student hat sich nach Hybriden erkundigt. Logan hat sich total darüber ausgelassen, dass Hybriden wider der Natur sind. Als Laborratten hatte er sie bezeichnet. Irgendwann habe ich nicht mehr hingehört. Als einzigerster Hybrid der Stadt nahm ich das als persönliche Beleidigung. Damals beim Training hatte er mich bereits abwertend behandelt. Wieso sollte sich das jetzt ändern?

„Aber woher soll er das wissen?" „Die Leute reden, Taylor.". Murmelnd setzte ich mich an einen freien Tisch in der Mensa. „Keiner weiß so genau, wer zu seinem Rudel gehört." Nachdenklich nickte Taylor. „Vielleicht finden wir raus, wer zu ihm gehört." Unwahrscheinlich. Aber das wollte ich nicht laut sagen.

Die Freistunde war viel zu kurz. Zumindest als Lewis auf uns zukam. Am Platz steckte er sofort Taylor die Zunge in den Hals. Und genoss es. Sichtlich. Soll ich noch was dazu sagen? Nein. Lieber nicht. Wenig später schliefen wir drei fast in einer Vorlesung ein. Bio. Wie bin ich bloß auf die Idee gekommen sowas zu studieren?



Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now