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„Woher weißt du es?" „Mein Vater hat mich angerufen und er ruft sonst nie an.", erklärte er, „Angeblich soll ein Vampir deines Vaters auf dem Weg hierher sein. Ein Bote." Taylor und ich schauten uns an. Niemand hatte uns aufgesucht. „Ihr solltet gehen.", schlug Taylor vor, „Geht auf die Wolfsburg. Ich bleibe hier und halte die Stellung." Ich war nicht begeistert von diesem Vorschlag. Schließlich konnte ich mich nicht immer verstecken! Doch eine gute Stunde später fand ich mich auf Alba Montem wieder. Ich hockte auf der Brüstung des obersten Verteidigungsrings und schaute verträumt ins Tal. Neben mir saß Darwin. Ihm war das Tal allen Anschein nach viel zu langweilig. Lieber schmachtete er mich von der Seite an. „Willst du darüber reden?" Ich drehte den Kopf zu ihm. „Über was?" Verlegen kratzte sich Darwin am Hinterkopf. „Die Sache im Flugzeug." Ich schaute ihn minutenlang an. „Ich habe schon verstanden, dass ich ein schlechter Küsser bin.", erwiderte ich gespielt beleidigt. „Hat Taylor das gesagt?" Irritiert schüttelte ich den Kopf. „Ich habe das nur so gesagt, Darwin." Er nickte nur und wandte den Blick ins Tal. Wieso drehte er jetzt einfach seinen Kopf weg? Unfassbar, der Kerl! Genervt schaute ich ebenfalls nach unten. Da soll nochmal jemand sagen, Frauen sich kompliziert!s

Am Horizont nahm ich eine leichte Bewegung wahr. Ich konzentrierte mich auf den Punkt. Sofort setzten Kopfschmerzen ein. Schnell zog ich meinen Kopf zur Seite und schloss meine Augen. „Wir bekommen Besuch.", ächzte ich und hielt meinen Kopf mit der Hand, „Sieht nach Werwölfen und Vampire aus." Sorgsam legte Darwin seinen Arm um meine Schulter und zog mich an seine Brust. „Ich weiß. Ich kann sie wittern. Sie gehören aber weder zu meinem noch zu Vaters Rudel. Wir sollten reingehen." Ohne auf eine Antwort zu warten, hob mich der Wolf in seine Arme.

Ich wurde auf ein weiches Bett abgelegt. „Du bleibst hier. Ruh dich ein wenig aus." Dann schloss sich die Tür hinter dem Alpha. Eigentlich musste ich mir kaum Sorgen machen. Die Vampire konnten die Feste nicht betreten und ich hatte nur fünf Werwölfe gezählt. Mit denen würde Darwins Rudel locker fertig werden. Trotzdem beschlich mich ein seltsames Gefühl. Ich schloss meine Augen. Ich musste mich beruhigen.

Ein leises Quietschen durchbrach die Stille, gefolgt von langen Schritten. Jemand hatte das Zimmer betreten. Am Schritt erkannte ich, dass es nicht Darwin sein konnte. Vorsichtig hob ich meine Lieder ein kleines Stück. Eine Person bewachte die Tür, die andere schlich so leise wie möglich zu meinem Schlafplatz. Beide komplett in Schwarz gekleidet. Nur ein kleiner Schlitz für die Augen blieb frei. Ich stellte mich schlafend und verließ mich auf mein Gehör. Kurz bevor der Fremde neben mir zum Stehen kam, rollte ich mich blitzschnell vom Bett. Unsanft landete ich auf dem Fußboden. Leise stöhnend schaute ich unter dem Gestell durch. Der Fremde stand wie festgefroren auf seinem Platz. Verwirrte wartete ich. Wieso bewegte er sich nicht? Ich schielte über die Schulter. Keiner zu sehen. Ein prüfender Blick durch das Bettgestell. Keine Reaktion meines Gegenübers. Ich nahm eine Lichtreflexion wahr. Ein Messer klemmte zwischen den Latten. Gedanklich lobte ich Darwin kurz ehe ich die Waffe vorsichtig löste. Plötzlich bewegte sich der Eindringling. Ohne zu überlegen rollte ich mich unters Bett. Ich folgte seinen Schritten. Sie wirkten mechanisch, wie ferngesteuert. Auf der anderen Seite bleib er stehen. Er verharrte. Hoffentlich duckte er sich jetzt nicht. Mein Versteck war echt bescheuert. Ich überlegte fieberhaft, wie ich aus dieser Nummer wieder herauskam. Wo war Darwin, wenn man ihn brauchte? Er konnte auf keinen Fall Fremde auf seiner Burg herumlaufen lassen!

Eine kräftige Hand zog plötzlich an meinem Arm und zerrte mich mit einer einzelnen Bewegung unterm Bett hervor. Es ging so schnell, dass ich wie versteinert auf dem Boden lag und in leblose Augen starrte. Er roch nach Werwolf, aber sein Verhalten passte nicht. Zitternd hielt ich das Messer mit beiden Händen. Ich traute mich nicht einmal den Blick abzuwenden. Dann kam wieder Bewegung in meinen Gegner. Ich ergriff die Chance und sprang auf. Mit einem Anflug von Mut schubste ich ihn gegen die Wand und rannte an ihm vorbei. Die Wache an der Tür zeigte das gleiche zombieartige Verhalten. Ich drückte mich an der Wand an ihm vorbei. Tatsächlich bemerkte der Eindringling mich nicht. Seltsam. Er hätte mich wenigstens wittern müssen.

Bis zum nächsten Gang drückte ich mich vorsichtig an der Wand entlang. Immer wieder lugte ich pansisch über meine Schulter. Doch wie vermutet, bleib die Zombiewache auf ihrem Beobachtungsposten und rührten sich keinen Millimeter. Kurz bevor ich die Abbiegung erreichte, erklang ein Geräusch dicht hinter mir. Ziellos rannte ich um mein Leben. Kreuz und Quer durch die Burg. Wo blieb bloß das Rudel. Im Inneren begegnete ich keinem hier lebenden Wolf. Dafür aber diesen seltsamen Zombies, denen ich mehr oder weniger geschickt entkam.

Endlich erreichte ich die Platzform des obersten Verteidigungsrings. Hier konnte ich das ganze Ausmaß des Überfalls überblicken. In den unteren Ebenen kämpfte Darwins Rudel um ihr Zuhause. Ich nutzte meine Vampiraugen. Vor dem Tor standen einige Dutzend Vampire mit geschlossenen Augen. Sie kämpften Schattenkämpfe. Mein Blick schnellte zurück auf die fremden Werwölfe. Ich traute meinen Augen kaum. Deshalb diese Zombieverhalten! Die Vampire kontrollierten die Werwölfe. Ich schloss kurz meine Augen. Noch nie hatte ich gehört, dass übernatürliche Wesen einander kontrollieren konnten. Mein Gehör warte mich vor sich schnell nähernden Schritten. Ich musste hier weg! Finnleys Fluchtweg. Ja, klar. Wieso kam ich jetzt erst darauf? Es konnte nicht sonderlich schwer sein die Route zu finden. Leise schlich ich durch die vielen Abzweigungen der Burg. Ich wähnte mich in Sicherheit. Nur noch durch das Gebüsch, dann kam der Burghof. Ich verharrte kurz an der Mauer. Vor mir gingen zwei Werwölfe aufeinander los. Der eine war Samu. Ich konnte ihn wittern. Er hatte seinen Gegner in der Mangel, der sich energisch gegen Darwins Beta wehrte. Ich wollte bereits weiterlaufen. Doch im ungeschützten Rücken des Betas stürzte sich ein zweiter Wolf auf ihn zu. Er würde ihn kaum rechtzeitig bemerken. Ich sprang aus meinem Versteck und hielt das Messer schützend vor mich. Der Angreifer ging lautlos zu Boden. Nur die blutige Klinge bezeugte den tödlichen Treffer. Ich erstarrte bei dem Anblick. Einer der Angreifer nutzte den Moment gnadenlos aus. Gerade noch so packte mich Samu und warf mich zu Boden. Über uns sprang ein feindlicher Wolf hinweg. Am oberen Ende der Wehrmauer tauchten weitere fünf Gestalten auf. Sie trugen Gasmasken.


Das Leben zwischen den StühlenDove le storie prendono vita. Scoprilo ora