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„Samu!" Beunruhigt deutete ich auf meine Entdeckung. Der Beta rappelte sich auf und zog mich mit sich. Er steuerte den Weg durch das Gebüsch an. Hinter uns tat sich ein vernichtender Nebel aus Rauch auf. Sowohl Darwins Wölfe als auch die Zombiewölfe fielen einfach um. Wir erreichten die Sträucher. Doch der Nebel kroch beständig in sie hinein. Halb ohnmächtig zog Samu mich voran. Meine Augen wurden schwerer und schwerer. Schließlich gaben meine Beine nach und ich fiel der Länge. Ein traumloser Schlaf erwartete mich in der Leere.

Nach endloser Dunkelheit kam ich wieder zu mir. Irritiert schaute ich mich um. Meine Hände waren mit scharfkantigen Handschellen an einem Rohr hinter mir befestigt. Dagegen hatte ich freie Sicht. Man hatte sich nicht die Mühe gemacht mir einen Aufenthaltsort zu verheimlichen. Wobei. Ich konnte nicht sagen, wo ich mich befand. Künstliches Licht erhellte den Metallraum. Es gab eine durchgehende Rundung an der Decke. Hockte ich in einem Frachtflugzeug? So wie die Fracht um mich herum gesichert wurde, konnte das gut möglich sein. Aber ich konnte keine flugzeugtypische Geräusche wahrnehmen. Ich seufzte frustriert. Selbst wenn Darwin und Taylor bereits nach mir suchten, so schnell konnte ich nicht auf meine Rettung hoffen. Mit ruhigem Atem dachte ich nach. Wer konnte sich einen Vorteil erhoffen, mich zu entführen? Natürlich hatte mich nicht alle auf meiner Rundreise mit offenen Armen empfangen, aber niemand war offensichtlich ablehnend auftreten. Nicht einmal die von Steins. Aber Moment. Was für ein seltsamer Zufall wäre es, dass ich am gleichen Tag entführt werde, an dem Lothar von Stein mit seinen Anhängern aus dem Gefängnis ausbrach? Wenn ich wenigstens ein paar Anhaltspunkte hätte um meine Theorie zu stützen.

Plötzlich hörte ich einen unterdrückten Schrei. Ich lugte an dem Frachtstück vorbei. Mir schräg gegenüber hockte eine junge Frau mit hellroten Haaren. Ihre Kleidung bedeckte nur das Nötigste. Ihre Hände waren ähnlich gefesselt wie meine. Nur hatte sie schwarze Plüschhandschellen. An ihrem Hals hing seinem Geruch nach ein Kerl mit langen weißen Haaren, die auf die Seite gefallen waren. Ich witterte Blut. Eindeutig ein Vampir.

Leise sank ich auf meinen Platz zurück. Der kleine Ausguck hatte meine Handgelenke eingeritzt. Eine rote Linie bildete sich an den Kanten. Aber das war es wert gewesen. Das Tattoo im Nacken des Weißhaarigen untermauerte meine Vermutung. Ob die Black Union noch meinen Tod wollten, wusste ich nicht. Wohin brachten sie mich? Etwas nach Tasma Island? Hier würde mich sicher jemand erkennen. Luraz auf jeden Fall. Grübelnd bemerkte ich nicht, wie der Weißhaarige vor mich trat und mich anstarrte als wäre ich eine Schaufensterpuppe. Er sagte etwas. Erschrocken starrte ich ihn an. Ich verstand kein tasmanisch. Der Vampir grinste mich nur an ehe er sich umwandte und wegging.

Stundenlang hockte ich nun schon auf dem Metallboden. Meine Arme und Beine waren längst taub. Von meinem Hintern ganz zu schweigen. In Abständen liefen verschiedene Vampire an mir vorbei. Kaum einer schenkte mir Beachtung, was ich nicht misste. Mir wurde bewusst, dass es mehrere Menschen an Bord geben musste. Lebende Blutreserven für die Vampire. Aus irgendeinem Grund funktionierten weder meine Augen noch Ohren oder gar mein Geruchssinn einwandfrei. Meine Wahrnehmung beschränkte sich auf die umliegenden Meter. Frustrierend! Eben schritt der achte Vampir an mir vorbei. Gleich danach folgte ein total Vermummter. Wieder das Geräusch des stummen Lauts. Nach etwa zehn Minuten kam der Eingehüllte zurück. Es dauerte lange bis der zweite Vampir an mir vorbei wankte. Er hatte eine verheilende Wunde am Hals. Sein Zustand glich einem Betrunkenen. Der Blutsauger stolperte. Gerade noch konnte er sich an einem Frachtstück festhalten. Ausgerechnet dem, dass meine „Kabine" markierte. Der Vampir glitt daran herunter. Sein Blick war starr an das nächste Frachtstück geheftet. Vielleicht konnte er mich nicht wahrnehmen. Wie versteinert versuchte ich mit dem Flugzeug zu verschmelzen. Das leise Rascheln der Handschellen reicht aus um die vollständige Aufmerksamkeit des Vampirs zu erlangen. Seine Augen begannen zu leuchten. Oh, oh. Plötzlich stand ich doch auf der Speisekarte. In meiner aufkommenden Panik bemerkte ich nicht das blinkende Armband meines Gegenübers. Mit einem Satz hockte der Vampir keine zehn Zentimeter von mir entfernt. Seine Reißzähne schwebten vor mir. Aus seinen Mundwinkel lief ihm ein Wasserfall aus Speichel herunter. Angsterfüllt drückte ich mich in meine Ecke als der Vampir nach mir schnappte. Blitzartig wich der Vampir zurück und hielt sich wimmernd seine linke Hand. Er krümmte sich verzweifelt.

Einen Moment später tauchten drei andere Vampire auf. Einer packte den Verletzten und ohrfeigte ihn ehe sie ihn wegschleppten. Dann kehrte wieder Ruhe ein. Lediglich das Geräusch von Wind war hörbar als das Flugzeug ihn durchschnitt. Die Klimabedingungen mussten sich geändert haben. Oder meine übernatürliche Wahrnehmung kehrte zurück.

Nach gefühlten Tagen setzte der eiserne Vogel zur Landung an. Der Untergrund fühlte sich nicht nach Teer an. Demnach handelte es sich bestimmt nicht um einen offiziellen oder frei zugänglichen Flugplatz. Die Beleuchtung änderte von weiß zu rot. Ein paar Meter entfernt von mir öffnete sich langsam die Ladeluke. Die neun Vampire ketteten die Menschen ab um die Hände diesmal vor dem Körper zu fesseln. Nach einander wurden sie ins Freie geführt. Wie auch mich. Neben mir lief der vermummte Blutsauger. Mein Geruchssinn kehrte langsam zurück. Es war die letzte Möglichkeit zu wittern, wer mich da entführen ließ. Viele verschiedene Düfte klebten an meinem Begleiter. Aber der Nase-hoch-Geruch der Lords von Stein blieb unverkennbar. „Wie lange wollt Ihr Euch noch unter der Kapuze verstecken, Lothar?", wisperte ich ohne die Lippen zu bewegen. „So. Du kannst wieder Gerüche wahrnehmen?", kam es unfreundlich von der Seite, „Deine Freunde werden dich trotzdem nicht rechtzeitig aufspüren können." Das beantwortete meine Frage in keinster Weise. Doch es schürte meine Angst. Schweigend ließ ich mich zu den wartenden Fahrzeugen führen. Was zum Teufel hatte Lothar gemeint? Wollten sie mich tatsächlich kalt machen?


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now