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„Sehr geehrte Damen und Herren. Ich bedanke mich für Ihr Vertrauen. Trotzdem möchte ich Sie bitten sich für heute zurückzuziehen. Nochmal vielen Dank Ihnen allen für Ihr Verständnis." Ein paar im Publikum klatschten anerkennend. Stolz drehte ich mich um. Meine erste offizielle Rede und dazu aus dem Stehgreif! So gut wie ich mich damit eben fühlte, ich wollte unbedingt zurück zu Darwin und Taylor. Samu führte mich zurück zum Zimmer. Obwohl ich einen schlechten Orientierungssinn hatte, merkte sogar ich, dass wir definitiv einen anderen Weg einschlugen. Natürlich bemerkte der Beta mein Unwohlsein. „Ihr drei habt euer eigenes Zimmer.", erklärte er ruhig, „Dorthin bringe ich dich."

Tatsächlich brachte mich Samu zu meinen Freunden. Versteht mich nicht falsch. Ich vertraue Darwins Beta. Aber die letzten Tage hatten mich Vorsicht gelehrt.

Darwin schlief noch. Neben ihm hielt Taylor Wache. Der Beta von Logan hockte unweit der beiden und befasste sich mit der Zeitschrift in seiner Hand. Er schaute kurz auf als wir eintraten. Ich ließ mich neben dem Vampir nieder. „Wie geht es ihm?" „Unverändert.", wisperte Taylor. Sein Blick blieb an dem schlafenden Wolf kleben. So besorgt hatte ich ihn nur selten gesehen. Noch dazu, wenn es um einen Werwolf ging. Dem Vampir lag wohl auch die Nacht vor so vielen Jahren im Magen. Bei diesem Gedanken musste ich lächeln. Ich legte meinen Arm um Taylor und zog ihn leicht zu mir. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Es ist Darwin. Er packt das." Der Vampir legte seinen Kopf auf meine Schulter. „Ich weiß. Ich mache mir trotzdem Sorgen. Er ist ein Großmaul, aber auch seine Selbstheilung hat Grenzen." Ich versuchte Taylor stumm zu trösten.

Die behandelnden Ärzte erklärten Darwin für nicht transportfähig. Unter keinen Umständen wollten weder Taylor noch ich den großkotzigen Werwolf alleine lassen. Trotz Protest des Sicherheitsteams quartierten wir uns im Zimmer ein.

Fünfzehn lange Tage wohnten wir nun hier. Logan und Trevor vertrieben sich die Zeit mit den gefangenen Black-Union-Member, die ebenfalls im Gebäude untergebracht wurden. Allerdings im aus dem Mittelalter stammenden Kellergewölbe, dem ehemaligen Hexenkerker. Die Ermittler zogen den Kreis immer weiter um die Lords von Stein zu. Als Oberhaupt der Black Union glaubten die Verhörspezialisten Lothar von Stein identifiziert zu haben.

Fast täglich wurden Taylor und ich über den neuesten Stand informiert. Und jetzt war es wieder so weit. Mir fiel sofort Tristans verzogene Miene auf als er mit seinem Vater den Raum betrat. Ohne Worte ließ er sich neben seinem großen Bruder nieder. „Kann ich dich kurz hier loseisen?" Taylor schüttelte betrübt den Kopf. „Ich muss mit dir reden. Allein." Wieder verneinte der Vampir. Darwins Kopf ruhte auf meinem Schoß. Die Vampire knieten nebeneinander vor der Sitzgelegenheit. „Es ist wichtig, Taylor." Der Ältere reagiert nicht und hielt weiterhin die Hand des Wolfes. „Wenn du mir etwas sagen willst, dann erzähl es jetzt.", murmelte Taylor schließlich. Tristan seufzte ergeben. Er konnte seinen Bruder nicht umstimmen, das war ihm klar.

„Vater hat Lothar nochmal verhört. Er ist eingeknickt. Er hat uns ein paar Details verraten." Tristan zögerte. „Er hat auch über Lewis gesprochen.", fuhr er leise fort. Ruckartig drehte Taylor seinen Kopf. „Was hat er gesagt?" Tristan schaute seinen Bruder mitleidig an. „Lewis wurde vor Jahren nach Torrens geschickt. Er sollte den Hybriden, also Aaron, finden und töten. Er soll sich geweigert haben als rausgekommen ist, dass es dein bester Freund ist. Lewis wollte deine Gefühle nicht verletzten." Taylor schnaubte wütend. „Wieso hat er ihn dann in meiner Gegenwart – auf unserem Schloss! – angegriffen?!" „Lothar hat ausgesagt, dass er dich töten lassen wollte, wenn Lewis nicht gehorcht hätte. Am Ende wusste Lewis sicherlich, dass er gegen dich keine Chance hat. Er ist lieber in deinen Armen gestorben und hat dich damit gerettet ohne dich zu verraten." Ausdruckslos starrte Taylor seinen Bruder an. „Er hat mich gerettet?" Traurig zog Tristan seinen großen Bruder in die Arme. „Er hat dich wirklich geliebt. Er hätte alles gemacht um bei dir zu sein." Eine kleine Träne verließ Taylors Auge. „Woher willst du das wissen?", schniefte er verletzt, „Woher will unser Cousin das wissen?" Tristan schwieg und hielt seinen Bruder fest an sich gedrückt. Ich konnte die Nähte der seelischen Wunden meines besten Freundes praktisch sehen und wie der junge Vampir sie unbeabsichtigt wieder aufriss. Am liebsten hätte ich Taylor fest in den Arm genommen. Aber weil Darwins Kopf auf meinem Schoß ruhte, gestaltete sich das schwierig. Still beobachtete ich die Brüder vor mir. Plötzlich war da eine Hand. Jedenfalls nicht meine. Ich blickte nach unten und erstarrte. Darwin. Er bewegte sich! Seine zitternde Hand legte sich auf Taylors Kopf und strich ihm durchs Haar. Der Vampir hob verwirrt den Kopf. Verweinte Augen starrten den Werwolf an. „Darwin.", wisperte er und drehte sich zu ihm, „Du bist wach!" Glücklich fiel er ihm um den Hals. Die Szene machte mich fast eifersüchtig. Nein. Ich war eifersüchtig! Sehr sogar! Doch das legte sich als Darwin seine Hand nach meiner Wange ausstreckte und sanft darüberstrich. Er sah mich ebenso an wie damals und Taylor schenkte er den gleichen Blick.

„Wie fühlst du dich?" „Gut." Krächzend erwiderte der Wolf mein Lächeln. Er klang richtig schrecklich. Im Augenwinkel bemerkte ich wie Alan hektisch aus dem Raum sprintete. Taylor und ich schauten uns kurz an. Wir hatten wohl beiden den gleichen Gedanken. Laut aussprechen tat es nur keiner.

Im nächsten Moment scheuchte uns Darron zur Seite. Unser Protest wurde vehement ignoriert. Der Vampir und ich wurden aus dem Zimmer verbannt. „Was erlaubt der sich eigentlich?!", knurrte Taylor aufgebracht, „Er gehört nicht mal zu Darwins Rudel!" Er marschierte mit verschränkten Armen auf und ab. Genervt zog ich ihn neben mich auf den Boden. „Wir sind ebenso wenig sein Rudel." Der Vampir schwieg. „Wir könnten es aber sein.", murmelte er kaum hörbar. „Willst du mir etwas erzählen?", fragte ich provokativ. Er schüttelte nur den Kopf und legte diesen auf seine angezogenen Knie. Schweigen breitete sich auf dem breiten Gang aus. Hin und wieder ging jemand vorbei. Niemand nahm von uns Notiz oder sie machten einen großen Bogen um uns. Ich lauschte, versuchte etwas vom Geschehen hinter der Tür mitzubekommen.


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now