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„Denkst du, er hat mich geliebt?" Ich war so konzentriert, dass ich bei der plötzlichen Frage richtig erschrak. „Was? Von wem redest du? Etwa von Darwin?" Taylor blickte mich ernst und gleichzeitig sehr traurig an. „Oh. Du meinst Lewis." Er nickte. In seinen Augen bildeten sich bereits Flüsse, die drohten über die Ufer zu treten. „Taylor... Ich mochte ihn von Anfang an nicht. Ich bin denkbar das Schlechteste für ein neutrales und gerechtes Urteil." Taylor sah mich überlegend an. Während er mit der Hand seine Tränen fortwischte. Ich konnte nicht sagen, was er gerade dachte. „Wusstest du, dass er aus Tasma Island war?" „Er hat es mir mal gesagt. Aber für mich machte das nie einen Unterschied. Es war einfach nicht wichtig, woher er kam.", seufzte der Vampir, „Nicht mal bei dieser blöden Black-Union-Veranstaltung hat es bei mir klick gemacht. Ich hätte ihn einfach verlassen sollen!" „Denkst du, dass es dir dann jetzt besser gehen würde?" Er zuckte mit den Schultern. „Früher oder später hätte er mich so oder so angegriffen. Andernfalls hätte dein Cousin jemand anderen geschickt.", redete ich weiter, „Vielleicht wollte Lewis dich wirklich aus Liebe retten, dich aus dem Kreuzfeuer bringen. Vielleicht war das Ganze auch nur Mittel zum Zweck. Wir werden es nie eindeutig klären können, Taylor. Behalte für dich einfach das Bild, dass du von Lewis hättest bevor du die Hintergründe erfahren hast. Der Lewis, in den du dich verliebt hast. Das ist wahrscheinlich das Beste." Der Vampir legte seinen Kopf auf meine Schulter. „Das wollest du nicht hören. Tut mir leid.", murmelte ich. „Nein. Dein Vorschlag ist gut. Ich werde das mal ausprobieren. Bis mir der Nächste das Bild zerstört. Du hast irgendwo recht.", wisperte der Vampir sarkastisch und lächelte schmal.

„Findest du es nicht auch etwas zu still hier?" Ich nickte und horchte wieder. Ganz leise konnte ich Schritte hören. Jemand von drinnen kam auf uns zu. Im selben Moment wurde die Klinke nach unten gedrückt und die Tür ging auf. Darron stand in ihr und schaute sich kurz um ehe er uns wortlos zu sich winkte. Im Zimmer saß Darwin aufrecht auf der Couch. Er hielt sich seinen Kopf mit der Hand. Den Arm hatte er auf dem Oberschenkel abgestützt. An seinem anderen Arm hing ein Infusionsschlauch. Wir schauten gleichzeitig Logans medizinischen Offizier vorwurfsvoll an. „Kein Wort!", warnte Darron gereizt, „Das ist der zweite Teil der Entgiftung. In seinem vorherigen Zustand war es schlicht zu gefährlich." Das beruhigte mich ein bisschen. „Wir werden ihn nach Alba Montem bringen. Dort kann er zur Ruhe kommen. Und ihr beide. Ihr könnt in der Zwischenzeit für ein wenig Ordnung in der Welt sorgen." Das wiederum stimmte mich wütend. Taylor war ebenso mies gelaunt. Der Vampir hatte eben eine Diskussion mit dem Wolf angefangen, da kam Trevor ins Zimmer. „Ihr beide werdet hierbleiben." „Das kannst du nicht bestimmen!", fauchte Taylor seinen Vater an. Dabei fletschte er die Zähne und seine Augen nahmen leuchtendes Blutrot an. Den Älteren beeindruckte das wenig.

„Sohn. Solange wir nicht alle Anhänger dieser Black Union festgesetzt haben, ist es für Aaron hier am Sichersten.", erklärte Trevor in einem Ton, der bereits keiner Wiederrede duldete, „Sag mir bitte, welche Vorzüge die Wolfburg hat?" Langsam normalisierten sich die Augen des jungen Vampirs, nahm ihren dunkelroten Schein an. „Kein Vampir kann sie betreten.", seufzte Taylor. „Richtig. Euer Wolf wird sich dort ausreichend erholen können." „Meine Aufgabe ist es aber Aaron zu schützen.", mischte sich Darwin mit erbärmlich kratziger Stimme ein. „In diesem Zustand kannst du nicht mal dich selbst schützen!", knurrte Darron, „Wir bringen dich auf die Burg und damit basta!" Seufzend setzte ich mich neben meinen Wolf. „Lasst uns bitte kurz allein." Überraschenderweise verließen alle außer Taylor den Raum. Ich war wirklich verblüfft. Genauso wie Taylor. Er setzte sich ebenso zu Darwin.

„Darron und Trevor haben bedauerlicherweise recht. Du musst dich ausruhen. Alba Montem ist weit genug weg, damit du dort nicht gestört wirst." Darwin schnaubte erbost. „Und wer soll auf dich aufpassen? Wenn sie nochmal angreifen verletzen sie Taylor und was machst du dann?" Stimmt. Das hatte ich nicht bedacht. „Ich kann Samu bei euch lassen. Er ist ein guter Kämpfer." Während Darwin den Satz vervollständigte, wurde die Tür aufgerissen. „Nein. Das wirst du nicht.", bestimmte Logan, „Dein Beta wird dich auf die Burg begleiten. Alan wird dich hier vertreten." Die beiden Alphas maßen sich an ihren Blicken, wobei Darwin zuerst den Blick senkte. „Ich überlasse es Aaron.", murmelte er geknickt. Ich sah ihn perplex an. „Also?" „Wenn du mir versprichst dich auszuruhen." Der Wolf nickte widerwillig.

Bereits eine Stunde später war Darwins Rudel auf dem Weg nach Alba Montem. Tristan war so nett gewesen unsere Studienunterlagen zu organisieren. So vertrieben wir uns die Zeit ein wenig. An den Vorlesungen durften wir nur per Liveschaltung teilnehmen. Wobei. Eigentlich betraf die Ausgangssperre nur mich. Taylor hatte sich aber strikt geweigert mich hier alleine zu lassen. Er verhielt sich in letzter Zeit zunehmend merkwürdig. So starrte er mich über Stunden nachdenklich an. Vielleicht schaute er aber nur durch mich hindurch. Ja. So musste es sein.

„Denkst du, Darwin ist noch sauer wegen dem ganzen Zeug, dass ich ihm an den Kopf geworfen habe?", fragte Taylor als wir die Videoschaltung der Biologievorlesung verfolgten. Irritiert schaute ich ihn an. „Keine Ahnung. Auf mich machte er keinen boshaften Eindruck. Ihr habt euch doch recht gut verstanden seid wir gezwungenermaßen Wochen zusammen verbracht haben." Der Vampir zuckte nur mit den Schultern. Das war heute nicht die erste komische Frage in Bezug auf unseren charmanten Wolf. „Manchmal glaube ich, du stehst noch auf ihn.", sagte ich frei raus. Empört sah mich Taylor an. „Niemals!" Ich lachte nur und wandte mich wieder dem Bildschirm zu.

Nach dem Unterricht via Internet wartete mein neuer Job. Ich hatte ein Meeting mit dem Bürgermeister, Trevor und Logan. Es ging um die Beziehungen zwischen Menschen und Wesen. Taylor begleitete mich selbstverständlich.


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now