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Am späten Nachmittag liefen wir nach Hause. Taylor wohnte praktisch bei Lewis. Ich dagegen wieder bei meinen Eltern. Ich war wirklich froh zu meiner Familie zurück zu dürfen. Unter den Vampiren war es zwar nett, aber ich war einfach kein Teil der Gesellschaft. Dass ich besser hören und sehen konnte stellte manchmal eine Herausforderung dar, wenn ich Zuhause war. Das neueste Hobby meiner Eltern ist neuerdings streiten. Versucht mal mit dem Gehör eines Wolfs einen Streit zu überhören. Es geht nicht. Ich habe es zich mal ausprobiert.

An der Kreuzung trennten sich unsere Wege. Taylor drückte mich wie immer kurz und bog dann mit Lewis ab. Vor unserem Haus stand ein fremder Wagen. Skeptisch schloss ich die Haustür auf. „Mum? Dad?" Eilig lief ich durchs Haus. Ein fremder Geruch lag in der Luft. Meine Wolfsgene mahnten mich zur Vorsicht. Die Geruchsdatenbank meines Gehirns startete einen Abgleich. Ich kannte diesen Geruch, konnte ihn aber nicht sofort zuordnen. Definitiv ein Wolf.

Ein Geräusch ließ mich aufschrecken. Gelächter drang an mein Ohr. Langsam folgte ich den Lauten. Sie führten mich in den Garten hinter unserem Haus. Ich schellte mich einen Idioten als ich IHN da neben meinen Eltern sitzen sehe. Darwin. Eigentlich hätte ich es wissen müssen! Er hatte mich auch schon bemerkt. Ein feines Zucken seiner menschlichen Ohren hatte ihn verraten. Darauf achtete ich erst, seit mich einer meiner Ausbilder darauf aufmerksam gemacht hatte. Der Alpha des junge Rudels unterhielt sich weiter ungestört mit meine Eltern. Ich hätte platzen können! Was suchte der Arsch hier?! Trevor hatte mir gesagt, dass Mum und Dad nicht wussten, wer mich verwandelt hatte. Das sollte auch so bleiben.

Ich überwand die letzten paar Meter zur Sitzgruppe. „Oh. Hallo, mein Schatz.", begrüßte mich meine Mutter. „Hallo.", murmelte ich, ließ Darwin nicht aus den Augen. „Wie war die Uni?", erkundigte sich der Wolf ohne zu zögern. „Das geht dich wohl kaum was an.", erwiderte ich kalt, „Was willst du überhaupt hier?" „Mich erkundigen wie es dir geht. Vorhin wolltest du nicht mit mir sprechen." Ich lachte humorlos. Das sollte hoffentlich ein Witz sein! Unerwartet spürte ich eine Hand an meinem Arm, die mich auf einen Stuhl zog. „Aaron, mein Schatz. Sei doch nicht so unhöflich..." „Unhöflich?", unterbrach ich meine Mutter, „Darwin hat mich im Stich gelassen als ich ihn am meisten gebraucht haben!" „Falsch!", hielt der Wolf dagegen, „Ich wollte mich um dich kümmern, aber mein Vater hat mich ohne Rücksicht aus der Stadt gejagt! Wirklich, Aaron, ich wollte bleiben, aber..." Ich hob die Hand und brachte ihn zum Schweigen. „Ich glaube dir kein Wort!" „Aber..." „Darwin. Es interessiert mich nicht und ich möchte, dass du jetzt gehst." Ohne zu warten, stand ich auf. In meinem Zimmer knallte ich die Tür zu. Meine Ohren zuckten bei dem Knall. Darwin sollte nicht glauben, dass er hier einfach auftauchen und seine Märchen erzählen konnte. Ich ließ mich aufs Bett fallen als würde mich es vor der Welt verstecken.

Etwas später klopfe es an meiner Tür. Meine Mutter steckte ihren Kopf ins Zimmer. „Aaron, Schatz. Darf ich reinkommen?" Ich nickte und legte das Buch weg, in dem ich gelesen hatte. „Warum bist du so böse zu ihm?" „Mum, sorry, aber das gehört leider zu dem ‚Darf ich nicht erzählen'-Teil." „Oh.", sagte sie nur. Ich atmete kurz durch. Wie ich es hasste ihr nicht alles erzählen zu können. Doch ich musste mich an die ein oder andere Regel halten. Die meisten Menschen der Welt hatten übernatürliche Wesen mittlerweile als Teil der Gesellschaft anerkannt. Trotzdem hatte jede Spezies seine eigenen Gesetzte – inklusive der Landesgesetzte natürlich.

Meine Mum seufzte. Ihr ging das genauso auf den Keks wie mir. Ich muss zugeben, manchmal nutzte ich es aus um meine Ruhe zu haben. In diesen Fall wollte ich sogar unbedingt meine Ruhe. Und das nicht nur damit ich nichts ausversehen ausplapperte. Ich wollte nicht über den Kerl reden, der mich beinahe flachgelegt hätte und mich sitzen ließ. OK. Taylor hat es mir erzählen müssen. Ich konnte mich bis heute kaum an die Nacht erinnern. Trotzdem. Ich war stocksauer auf diesen Kerl! Zum Glück fragte meine Mum nicht weiter nach und ließ mich alleine. Ich schnappte mir mein Smartphone. Lewis wird mir morgen wieder was erzählen, aber ich brauchte jetzt meinen besten Freund!

Ich lächelte. Auf Taylor war eben immer Verlass. Gerade wollte ich mein Smartphone weglegen als es vibrierte. Unknown User stand auf dem Display. Solche Anrufe nehme ich generell nicht an und drückte ihn weg. Gleich darauf poppte eine Nachricht auf. „Willst du das jetzt immer abziehen?", schrieb ‚Last Warrior'. Wer zum Henker ist das denn? Darwin konnte es kaum sein. Wer war so blöd ihm meine Nummer zu geben. Wenn ich recht überlegte... Meine Eltern vielleicht? Die zwei kannten Darwin schließlich kaum. Und meine Mum war mir gegenüber immer übervorsichtig. Wenn der Wolf auch nur angedeutet hatte mich zu beschützen, hätte sie die Nummer ohne Zögern rausgerückt. Ich setzte ‚Last Warrior' auf die Blockiert-Liste. Seufzend schloss ich die Augen und legte meinen Kopf in den Nacken. So schön weich, mein liebes Bett.

Die Zimmertür wurde geöffnet und leise geschlossen. „Pennst du?" „Nein.", murmelte ich und öffnete die Augen. Taylor legte sich neben mich auf das Schlafsofa. Besorgt schaute er mir in die Augen als könnte er meine Gedanken lesen.

„Taylor?" Murmelnd schob ich mich auf den Rücken. „Ist er weg?" Der Vampir nickte. „Hab ihn nicht zu Gesicht bekommen." Ich zeigte ihm die Nachricht. „Wer ist das?" „Darwin, denke ich." Taylor stutzte. „Bin mir sicher, dass er sie von Mum hat." Der Vampir schüttelte den Kopf. „Was machen wir gegen ihn?" „Weiß nicht. Ich möchte warten. Die Nummer habe ich schon blockiert. Vielleicht lässt er uns in Ruhe." „Glaubst du das wirklich?" „Einen Versuch ist es wert." Seufzend schüttelte Taylor den Kopf. Er legte seine Arme um mich. „Hoffen wir, dass du richtig liegst." „Ich will einfach keinen Streit auslösen." „Den hat Darwin schon angezettelt. Ich war vorhin kurz Zuhause. Logan hat den Angriff überlebt, ist aber schwer verletzt.", erzählte mein bester Freund während er über meinen Rücken streichelte. „Solange wir rausgehalten werden.", murmelte ich leise. Unter Taylors Streicheleinheiten schlief ich schließlich ein.



Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now