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Taylor und ich alberten noch ein wenig herum. Natürlich versuchte ich auch mit meinen Eltern Konversation zu betreiben. Es wurde nur nicht mehr als ‚Wie geht's?', ‚Gut.' und ‚OK'. Da konnte ich dann auch darauf verzichten. Die Beziehung zwischen mir und meine Eltern wurde zunehmen schwierig. Ich konnte nicht sagen, was der Grund war. Vielleicht, weil ich nicht mehr nur ein Mensch war? Wer weiß.

Taylor lenkte mich ein bisschen ab. Seinen Freund ärgerte das Zusehens. Nach dem Essen verzogen sich mein Lieblingsvampir und ich uns auf das Gästezimmer. Lewis folgte uns mit einigem Abstand. „Kann ich bei dir pennen?", wisperte Taylor. Bei seinem bittenden Blick würde eine Kerze schmelzen. Ich guckte kurz zu Lewis. „Wollt ihr euch nicht erst vertragen?" „Ich glaube, wir müssen beide eine Nacht darüber schlafen." Lewis nickte nur und verließ das Zimmer. „Jetzt ist er noch mehr angepisst, Taylor." Er zuckte mit den Schultern. „Er hat es verdient. Ich glaube auch nicht, dass ich mir diese Beziehung noch lange antue." Skeptisch sah ich ihn an. „Das hast du schon oft gesagt." Er seufzte und legte sich aufs Bett. „Lewis hat ein paar neue Freunde. Sie haben ihn verändert." „Wie meinst du das?" „Er ist oft grundlos schlecht drauf. Ich weiß, ihr beide habt euch selten gut verstanden. Seit er zu dieser Gruppe gehört, schimpft er nur noch auf dich. Oder auf Fran. Über die Arme kann er auch nur meckern, weil sie mit einem Menschen zusammen ist." „Wer ist Fran?" „Eine aus dem Okkultismus-Kurs. Lewis regt sich über alles möglich auf. Letztes Mal hat er sogar Logan dumm angemacht. Vater war extrem sauer deswegen." Ich knipste das Licht aus. „Vielleicht redest du morgen nochmal mit ihm?" „Ich versuch's. Gute Nacht." Wir kuschelten uns aneinander, so wie wir es früher getan hatten, und schliefen ein.

Mitten in der Nacht weckte mich mein Instinkt. Ich hörte ein leises Knacken. Als würde jemand über das Parkett schleichen wollen. Unbewusst aktivierten sich meine Vampiraugen. Doch die brauchte ich nicht. Rotglühende Augen starrten mich überrascht an. Ich konnte den Vampir nicht identifizieren. Ich stieß Taylor leicht an. Er lag mit dem Rücken zu mir der Wand zugewandt. Der Kopf drehte sich langsam. Kleine Augen starrten mich über seine Schulter an. Bevor ich auf den Eindringling aufmerksam machen konnte, wurde mir der Mund zugehalten. Im selben Moment wurde ich aus dem Bett gezerrt und an die gegenüberliegende Wand gedrückt. Ich quietschte auf und versuchte die Hand wegzubekommen. Aber der Vermummte erhöhte unerbittlich den Druck. Taylor war durch meinen unterdrückten Schrei sofort hellwach und sprang aus dem Bett. Eine Klinge war plötzlich an meiner Kehle. Ich erstarrte zu einer Salzsäule.

„Lass ihn los! Sofort!", fauchte Taylor und fletschte seine Zähne. „Wieso sollte ich das tun? Er ist wider der Natur! Hybriden sollte es nicht geben!" Lewis! Ich erkannte seine Stimme sofort. Schockiert trafen sich Taylors und mein Blick. „Lass ihn los, Lewis. Ich sag es nicht nochmal!" „Wieso verteidigst du ihn bloß?!" Kurz nahm Lewis das Messer von meinem Hals. Ich versuchte mich loszureißen. Doch der Vampir hatte mich fast gleichzeitig wieder im Griff – und stach zu. Ich spürte noch den harten Boden. Taylor rief von weitem meinem Namen. Ich erkannte die Schatten der Blutsauger ehe es dunkel wurde.

„Aaron! Aaron, kannst du mich hören?" Tristan? Ich öffnete langsam meine Augen. Taylors jüngerer Bruder kniete neben mir. „Nicht bewegen!", sagte er eindringlich, „Du bist schwer verletzt." „Taylor? Wo ist er?", stammelte ich. Tris blickte über seine Schulter. „Er ist OK. Wir bringen dich jetzt erstmal weg von hier!" Ich wurde abtransportiert. „Wohin?", wisperte ich. „Zu Logans Rudel. Es gibt dort einen Spezialisten für deine Verletzung." „Taylor?" „Er kommt nach. Versprochen. Jetzt musst du dich ausruhen."

Im Quartier der Wölfe kam ich wieder zu mir. Ein junger Wolf wechselte gerade den Verband. „Finnley?", wisperte ich. Der Wolf lächelte mich warm an. „Tut mir leid. Ich bin Darron. Finnleys Bruder." Ich kniff die Augen zusammen. Meine Sicht war ein wenig verschwommen. „Ruh dich aus. Dann wird es dir bald bessergehen." Die Lieder wurden schwerer. Ich brauchte wirklich eine Auszeit.

Als ich das nächste Mal zu mir kam, hockten die Wolfsbrüder neben mir. „Fühlst du dich besser?", erkundigte sich Finnley. Ich nickte. „Wo ist Taylor?" „Beim Alpha. Er wird bald kommen.", wurde mir erklärt. Darron hielt mir eine Schale an den Mund. „Das ist Suppe. Sie wird dir guttun." Artig trank ich. Lecker! Diese Wölfe konnten echt super kochen. Aber das lag wohl nicht am Rudel. Bei Darwin hatte ich ähnlich gut gegessen. Aaah! Wieso dachte ich jetzt an IHN?!

„Möchtest du noch etwas?" Dankend lehnte ich mit einem Kopfschütteln ab. Dabei versuchte ich auch den Gedanken an Darwin loszuwerden. „Ich sehe mir deine Wunde kurz an, in Ordnung?" Darron wartete nicht auf eine Antwort und macht sich ans Werk. „Wie lange war ich weg?" „Zwei Tage. Logan wollte dich ins Krankenhaus bringe lassen.", erzählte Finnley. „Und wieso bin ich hier?" „Weil mein lieber, kleiner Bruder hier der medizinische Offizier unseres Rudels ist. Somit steht er in diesen Belangen sogar über unserem Alpha." Finnley hatte nun ein breites Grinsen im Gesicht. Er war mächtig stolz auf seinen Bruder. Ich flüsterte ein leises ‚Danke', das mit einem Nicken quittiert wurde. „Ich mag Krankenhäuser auch nicht.", gab Darron nebenbei zu, „Deswegen arbeite ich in unserem Lazarett. Es ist..." Ich wollte aufmerksam zuhören – ehrlich! Verlockend stieg mir ein vertrauter Geruch in die Nase. Taylor! Ich drehte mich leicht. Soweit es der Verband eben zuließ. Da stand er auch schon in der Tür.

„Nicht bewegen.", mahnte Darron, „Sonst reißen die Nähte auf!" „Wie schlimm ist es?", erkundigte sich Taylor sofort. „Eine Niere wurde abgestochen. Wir mussten einen Teil entfernen. Der Stich hat eine tiefe Narbe hinterlassen. Wir mussten sie nähen. Ich glaube, dass irgendetwas ätzendes an der Klinge war. Leider konnte nichts an dem entnommenen Gewebe nachgewiesen werden. Die Fäden werden sich von selbst auflösen. Da müssen wir also nicht mehr ran." Der Vampir nickte. „Wann kann er zurück nach Hause?" „Das kommt auf seine Heilkräfte an. Bei einem gewöhnlichen Werwolf würde ich ungefähr zehn Tage sagen. Aber bei Aaron kann ich es dir beim besten Willen nicht sagen." Die beiden unterhielten sich noch über meine Genesungsphase. Abermals schlich sich ein Duft in meine Nase. Ich konnte ihn identifizieren. Das war unmöglich? „Ist Darwin hier?" Augenblicklich herrschte Stille. Schweigend starrten mich die drei an. Seufzend nickte Finnley. „Wir hätten wissen müssen, dass du ihn bemerkst. Eine Morgenpatrouille hat ihn heute Morgen vor der Dorfgrenze erwischt. Er sitzt auf Anordnung des Alphas in der Arrestzelle." Ich war sprachlos. Was machte Darwin hier? Gut. Ich war von seiner Burg geflohen. Wieso aber riskiert er es in Logans Revier einzudringen und geschnappt zu werden? Daraus erschloss sich für mich keine Logik.


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now