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Unser nächstes Ziel war eine Inselgruppe. Ich muss wohl nicht erwähnen, was Darwin mal wieder mit seinem Sitzplatz angestellte.

Das Vereinte Königreich Tokata wurde von Menschen regiert. Sie interessierten sich wenig für meine Person oder die Prophezeiung. Ich wurde nur aus diplomatischen Gründen empfangen. Das hatte mir der Kronprinz übersetzten lassen.

Die Menschen lebten auf der großen Hauptinsel. Offiziell hielten sich Vampire und Werwölfe getrennt von voneinander auf kleinen Inseln auf. Alle Rassen betrachteten sich mit Respekte, hielten sich jedoch in der Regel gebührenden Abstand zueinander.

Auch hier bat ich darum mich umsehen zu dürfen. Die Zustimmung war vermutlich ebenso diplomatischer Art. Ein paar Vampire und Werwölfe trafen wir auf dem Festland, die meisten lebten jedoch zurückgezogen auf den besagten Inseln. In diesem Land hielt es mich nicht sonderlich lange. Mir fielen keine Verbesserungsvorschläge ein. Alle schienen mit ihrer Situation zufrieden. Also fand ich mich schließlich damit ab.

Von meinen Semesterferien waren nur noch ein paar Woche übrig. Das störte mich nicht. Mein unfreiwilliger Job ging sowieso vor und die verpassten Vorlesungen würde ich noch irgendwie nachholen. Was mich langsam wahnsinnig werden ließ, waren Taylor und Darwin und ihre Ignoranz mir gegenüber. Wir waren auf dem Weg zum Flugplatz als mir der Kragen platzte.

„Was ist los mit euch?", fauchte ich gereizt, „Ihr ignoriert mich!" „Wer hat uns denn rausgeschmissen?", knurrte der Wolf zurück. „Vielleicht habe ich es statt, dass ihr immer hinter meinem Rücken Dinge besprecht, die mich beinhalten. Ich war müde und wollte schlafen!" Sofort zog Darwin mich in seinen Arm und grinste blöd. „Dann ist doch alles gut. Ich dachte, wir nerven dich.", kicherte der Wolf. Manchmal. Aber das dachte ich mir lieber bloß. Auch Taylor schenkte mir ein kleines Lächeln. Mehr konnte ich nicht von ihm verlangen.

Ich wusste, welchen Kontinent, welches Land wir nun ansteuerten. Tasma Island. Die Hinterwäldler, wie ich sie privat nannte. Soweit ich wusste, hockte Lothar von Stein in Katora im Hochsicherheitsknast wegen Verschwörung ein. Ich konnte mich also auf einen eisigen Empfang einstellen. Der Flug dauerte vier Stunden. Je näher wir der abgelegenen Insel kamen desto schlechter wurde das Wetter. Im dichten Nebel landeten wir.

Gesandte erwarteten uns am Flugplatz. Nach einer kurzen, höflichen Begrüßung, brachten man uns zum Hauptsitz der Lords von Stein. Nach dem offiziellen Geplänkel mit Taylors Verwandten, wollte ich mich im Land umsehen. Schließlich hatte ich das in allen anderen Ländern ebenfalls so getan. Der Herrscher stellte sich ein bisschen quer. Er hatte es wohl noch nicht überwunden, dass sein Sohn festgenommen wurde. Die Berater von Lord Lorenz von Stein überredeten ihn schließlich.

Als wenn mein Heer aus Beratern und Aufpassern nicht groß genug gewesen, stellte mir der Lord von Stein zwei Adlige zur Verfügung, die mir verschlossene Türen öffnen sollten. Beide strotzen nur vor Motivation. Jeder der beiden hatte einen Sekretär dabei. Eher bessere Laufburschen. Einer trug den klangvollen Namen Luraz. Er war – im Gegensatz zu seinem Chef – sehr weltoffen eingestellt, sprach sogar fließend katoranisch.

Am Abend bot ich ihm an mit Darwin, Taylor und mir zu Essen. Er willigte ein und betonte mehrmals was für eine Ehre das für ihn sei. „Erzähl doch bitte mal offen, wie es in eurem Land, eurer Insel so läuft." Erwartend schaute ich den jungen Mann mit den silberfarbenen, langen Haaren an, der kaum älter erschien als wir selbst. Seine Vampiraugen starrten mich überlegend an bevor er antwortete. „Nun. Bis auf die Alte Ordnung unterscheiden wir uns kaum von anderen Staaten." Eine sehr diplomatische Antwort. Taylor verschluckte sich an seinem Rehblut und hustete. Schnell schlug Darwin ihm auf den Rücken. „Danke.", murmelte der Vampir. Dann wandte er sich seinem Artgenossen zu. „Es wäre mir neu, dass die Alte Ordnung Ausgrenzung gestattet!" „Nein, das nicht.", bestätigte Luraz, „Jedoch hat Tasma Island die Menschenrechte anerkannt. Daher waren wir gezwungen Teile der alten Ordnung außer Kraft zu setzten und dafür neue Paragraphen einzusetzen." „Wie alt bist du?", fragte mein Werwolfsgefährte. „Einhundertsiebzehn.", antwortete Luraz. „Kompliment. Siehst älter aus." Taylor und mir blieb der Mund offenstehen. Dieser Wolf hatte und würde nie Taktgefühl haben. Luraz jedoch schien es tatsächlich als Kompliment aufzufassen. Die nächsten Minuten vergingen schweigend.

Nachdenklich stocherte ich in meinem Steak herum. „Schmeckt's nicht?" Gierig starrte Darwin das halbe Steak an. „Kein Hunger." Der Bedienstete im Raum stand sofort neben mir und wollte den Teller abräumen. Mit einer Handbewegung unterband ich es sofort. Stattdessen tauschte ich die Teller und ließ den Bediensteten dann seine Arbeit tun. Darwin fiel sofort über das Steak her.

„Luraz. Wäre es möglich ein paar von diesen Ausgegrenzten kennenzulernen?" Der Vampir betrachtete mich ratlos. „Da werde ich mit meinem Vorgesetzten Rücksprache halten müssen." „Das ist sehr freundlich." Nach einer Weile dreht der Vampir sein Glas nervös am Stil.

„Gibt es vielleicht etwas, dass du mir sagen möchtest? Inoffiziell, versteht sich." Die Frage war provokativ. Das war mir bewusst. Vielleicht konnte ich in so aus seinem Schneckenhaus locken.

„Ist es wirklich Euer Wunsch? Einen Verbannten kennen zu lernen?" Ich nickte bestimmt. Natürlich wollte ich das. Wie sollte ich die Welt zu einem besseren Ort machen, wenn ich mir nicht vorher ein Bild von der aktuellen Lage machte.

„Fällt dir jemand Bestimmter ein?" Prüfend betrachtete mich Luraz. Dann fiel sein Blick auf den Bediensteten. „Ich denke, wir benötigen deine Dienste im Moment nicht. Sollte wir etwas benötigen, werden wir dich selbstverständlich rufen." Der Bedienstete verbeugte sich stumm und verließ den Raum.

„Was hast du gegen ihn?", erkundigte sich Darwin während er sich seine Finger abputzte. „Ich traue den Menschen nicht. Es gibt einige, die ihre Seele verkaufen um vor Lord Lorenz von Stein besser da zu stehen." Beleidigt zog ich einen Schmollmund. Luraz seufzte. „Ich bin in den Staatsdienst gegangen um etwas zu bewirken, etwas zu ändern.", erzählte er, „Nun gut. Wir haben seit achtzig Jahre das Recht auf Leben für alle Rassen. An grundlegenden Sachen oder in der Praxis hat es wenig geändert." Luraz unterbrach sich in dem er einen Schluck nahm. „Ich hatte früher einen Bruder, einen Zwilling.", fuhr er fort, „Aber als Verbannter wurde er gemäß den Gesetzen aus dem Stammbaum meiner Familie getilgt." Mein Blick fiel auf Taylor. Er war genauso überrascht und schockiert wie ich.


Das Leben zwischen den StühlenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt