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„Ich träume in letzter Zeit oft komisches Zeug. Es ist immer der gleiche Traum.", erzählte ich, „Manchmal stehe ich nur im schwarzen Nichts. Doch dann taucht eine kleine Fledermaus und ein Werwolfswelpe auf. Sie setzen sich zu mir. Wenn ich sie berühre, verwandeln sie sich und werden älter bis sie bei ihrem jetzigen Altem stehen bleiben." Ich machte eine Pause. Die beiden schauten mich ratlos an. Mit Verzögerung ging den beiden ein Lämpchen auf.

„Wie deutest du deinen Traum?", erkundigte sich Taylor besonnen. „Entweder beide oder keiner.", antwortete ich entschlossen. „Und wieso denkst du sollte das nicht funktionieren, sag mal?", erwiderte der Werwolf fast beleidigt, „Vielleicht fragst du uns vorher?" Ich schaute ihn perplex an. Wie sollte ich das verstehen? Hatte Darwin tatsächlich zwei Gefährten? „Ich war nicht sauer, weil du Darwin geküsst hast. Ich bin sauer, dass ich das nicht darf!" Halt. Moment. Was? Dieses Geständnis überraschte mich sehr. Taylor war so lange mit Lewis zusammen gewesen und jetzt zeigte er sich eifersüchtig?

„Erinnerst du dich noch? Damals im Rosis? Glaubst du wirklich, Darwin hätte uns beide mit hochgenommen, wenn er nur auf einen scharf gewesen wäre?" Der Vampir lächelte frech. „Er ist ein polygamer Wolf. Er hat zwei Lebensweißen." „Bei uns nennt man es Gefährte, Taylor.", korrigierte der Wolf sofort.

„Hast du wirklich zwei Gefährten?" Er nickte breit grinsend. „Das wusste ich damals schon als ich euch gesehen habe.", bestätigte er und klang dabei total stolz. „Aber ich dachte... Wieso?" „Glaube nie alles was du in einem Buch gelesen hast.", lächelte Darwin und zog mich auf seinen Schoß, „Polygame Werwölfe sind eine Anomalie. Wir sind individueller als andere." „Ok. Aber was genau wollt ihr beide mir sagen?" Taylor rückte auf und küsste mich auf den Mund. „Dass wir dich nie mehr alleine lassen, wenn du es zulässt.", flüsterte der Vampir gegen meine Lippen. „Was sagst du? Akzeptierst du uns als deine Gefährten?", wisperte Darwin in mein Ohr. Lächelnd nickte ich.

Als die Dämmerung einsetzte, wurden Lagerfeuer entzündend. Die Gäste tanzten lachend um die Feuer. Meine beiden Helden und ich hockten weiter unter unserer Eiche und kuschelten. Gähnen legte ich den Kopf in Taylors Schoß. „Möchtest du nach Hause?" Müde nickte ich. „Ich werde Samu kurz Bescheid geben. Geht doch schon vor." Im selben Moment verschluckte die Menge meinen Wolf. Der Vampir zog mich auf die Beine. Träge fiel ich gegen ihn. „Komm, mein Schatz. Es ist nicht weit." Taylor griff mir unter die Arme und sprang hoch. Im Null Komma nichts standen wir vor der Wohnanlage. Mein Lieblingsvampir brachte mich ins Bett. Sekunden vergingen ehe mein Kopf das Kissen berührte und mich glücklich einschlafen ließ.

Am nächsten Morgen wachte ich in einem Kokon aus Wärme auf. Taylor hielt mich im Arm und schlief mit dem Gesicht zu mir gewandt. In meinem Rücken hatte sich Darwin ran gekuschelt. Seine Hand ruhte auf meiner Hüfte. Unmöglich mich aus diesem Klammergriff zu befreien ohne mindestens einen der beiden zu wecken. Es wäre trotzdem schön meinen Freunden ein wohlverdientes Frühstück zu entrichten. Vorsichtig krabbelte ich ans Fußende. Dabei schob ich Darwin ein wenig zu auffällig zur Seite. Fragend schauten mich ein Paar verschlafener Augen an. „Muss kurz aufs Klo.", wisperte ich, „Schlaf weiter." Der Wolf nickte. Dann fiel sein Kopf zurück ins Kissen. Auf Zehenspitzen schlich ich durch die Etagenwohnung. Leise schloss ich die Küchentür. Das konnte Darwins feine Nase zumindest ein bisschen ausbremsen. Unser Kühlschrank hatte zwei Türen. Die eine Seite diente zur Kühlung der Getränke beziehungsweise Taylors Blutrationen. Die andere war wie ein gewöhnlicher Kühlschrank bestückt. Hier fand ich alles, was ich brauchte: Ein dickes, rohes Steak und Rotwildblut. Lieblingsessen zum Frühstück. Na wenn das nicht beeindruckte.

Als ich das Steak wendete, höre ich ein leises Tapsen. Lächelnd deckte ich den Tisch ein. Im nächsten Moment stand ein gähnender Darwin in der Tür. „Toilette, hm?", murmelte er und zeigte auf seine Nase, „Diesen Riecher kann man nicht täuschen." „Das hatte ich nicht vor. Ich brauchte nur einen kleinen Vorsprung." Ich stupste ihm mit dem Zeigefinger auf die Nase. „Schläft Taylor noch?" Der Werwolf schüttelte den Kopf. „Dachte er wäre schon hier. Er lag nicht mehr im Bett." Ich stutzte. Nein, hier war er sicherlich nicht. Gleichzeitig hoben wir die Nase um zu schnuppern. Taylor musste tatsächlich hier durchgekommen sein. Die Duftspur verriet ihn. Auf Zehenspitzen folgten wir der Duftmarke. Sie führte zum Balkon. Dort hockte Taylor auf der Brüstung und hatte seine Kopfhörer aufgesetzt. Musik hören bedeutete gleichzeitig, dass er seine Ruhe gelassen werden wollte. Darwin erkannte oder zu spüren es. „Kümmerst du dich weiter ums Frühstück?" Der Wolf nickte und verschwand nach Drinnen. Vorsichtig ging ich auf den Vampir zu. Auch wenn er sich bei einem Sturz aus dieser Höhe kaum verletzten würde, wollte ich ihn nicht erschrecken. Ich schwang mich auf die Brüstung und setzte mich neben ihn. Mit geschlossenen Augen starrte er geradeaus. Ich war mir sicher, dass ich längst bemerkt wurde. Taylors Ignoranz nach wollte er wieder einmal etwas alleine mit sich ausfechten. Entschlossen schob ich die Bügel nach hinten. So rutschten die Kopfhörer einfach von seinen Ohren. „Was soll das?!", fauchte der Vampir ehe er mich vorwurfsvoll anschaute. „Ich habe Frühstück gemacht. Möchtest du mit uns essen?" Taylor schüttelte den Kopf und zog die Hörer wieder auf. Seufzend sprang ich von der Brüstung.

Darwin hob den Kopf als ich die Küche betrat. „Er kommt nicht?" Ich bejahte und setzte mich. „Gestern Nacht hat er sich zick mal hin und her gewälzt. Irgendwas scheint ihn schwer zu beschäftigen." „Ja. Aber was?", murmelte ich zwischen einem Happen Brot, „In letzter Zeit lief doch alles gut." Mit hochgezogenen Augenbrauen wurde ich angesehen. „Wenn man mal eben abzieht, dass man dich entführt hat und du dich danach in deinem Büro verbarrikadiert hast, ja." Genervt starrte ich zurück. „Ich meine Taylor!" Der Werwolf grinste. „Selbst, wenn irgendwas vorgefallen ist, wird er es uns kaum einfach sagen. Du kennst ihn doch. Dafür ist er viel zu stolz." Ich seufzte und aß weiter.


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now