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Bis zum Nachmittag kuschelte ich mit Darwin. Wir quatschten nebenbei über alles Mögliche. Nur Taylor als Thema ließen wir geschickt außen vor. Irgendwann nickte Darwin auf dem Sofa ein. Ich schaltete den Fernseher aus. Es zog mich auf den Balkon. Auf dem Geländer kauerte Taylor unverändert. Wieder schob ich ihm die Bügel vom Kopf. Doch diesmal legte ich meinen Zeigefinder auf seine Lippen. Wütend starrte er mich aus feuerroten Pupillen an. „Sag mir bitte was dich bedrückt, Taylor." Er schüttelte nur den Kopf. Wieso mussten wir auch alle drei solche Dickköpfe sein. „Haben Darwin und ich etwas damit zu tun?" Wieder ein Kopfschütteln. Ich hielt seinem Blick stand. Schließlich drehte er den Kopf weg und seufzte frustriert. „Ich habe bloß schlecht geträumt." Das konnte ich ihm kaum glauben. Ein einzelner Albtraum würde den Vampir niemals so aus der Bahn werfen. „Ich habe von Lewis geträumt. Das ist mir seit Monaten nicht mehr passiert.", ergänzte er mürrisch, „Aber ich verstehe den Traum nicht." Ich wartete ab, ob er von sich aus erzählen wollte. Sein Blick war in die Ferne gerichtet. „Ich glaube, ich habe ihn in die Arme von Black Union getrieben." Schockiert starrte ich ihn an. „Wie kommst du denn bitte auf diese Idee? Das war Lewis dumme Entscheidung, nicht deine!" Mein Protest wurde von einem schuldbewussten Blick des Vampirs gedämpft. „Wieso glaubst du so fest daran?" Eine Weile schwieg Taylor. „Ich habe ihn nie ernst genommen.", antwortete er schließlich, „Ich habe..." Traurigkeit ließ den Wortfluss versiegen. Ich legte meinem Arm um seine Schultern. „Rede mit mir.", wisperte ich verständnisvoll. „Ich habe oft über Lewis geschimpft. Ihm immer vorgeworfen, wie scheiße er sich benimmt. Dabei bin ich nicht besser." Irritiert schaute ich ihn an. „Du hast ihn doch nie betrogen." Zumindest war mir nichts bekannt. Aber das musste ich nicht laut sagen. „Doch. Immer.", war die eindeutige Antwort. „Was? Wie das?" Taylor seufzte. „Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Lewis und ich. Es war kompliziert." Wieder unterbrach er sich. „Ich hatte ihn gern und Lewis hat nicht nachgegeben. Da habe ich mich auf ihn eingelassen. Dabei... ich weiß auch nicht. Es war einfach anders als mit euch beiden. Dieser eine Abend. Mit Lewis war es auch schön, aber eben nicht das Gleiche. Er hat irgendwann bemerkt, dass er nie das Wichtigste in meinem Leben sein wird." Taylor schaute mir tief in die Augen. „Niemand ist mir wichtiger als du und Darwin." Er hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. „Das konnte ich nur lange nicht einsehen.", lachte er, „Vor allem nicht bei Darwin. Ich meine, einen Wolf heiß finden oder was mit einem zu haben. Das hätte ich niemals zugegeben." Ich grinste zurück. „Das kann ich mir vorstellen." Wir grinsten uns an. „Alles wieder gut?" Der Vampir nickte.

„Hey. Wollt ihr Abendessen?" In der Tür lehnte Darwin und hatte ein großes Tablett in der Hand. Ich war mir fast sicher, dass er alles mitgehört hatte. Wir hüpften beide von der Brüstung und setzten uns auf den Boden. Darwin stellte das Tablett in die Mitte und hockte sich dazu.

„Einmal Blut vom Rotwild für den Herrn Vampir und Nudeln mit Ei für unseren Meister Aaron." Er brachte seine Ansprache erstaunlich ernst rüber, obwohl er sich kaum das Lachen verkneifen konnte.

Während des Essens ließ Darwin Taylor keinen Moment aus den Augen. „Geht es dir besser?", fragte er schließlich. Der Vampir nickte bestätigend. „Es war nur ein böser Traum. Das wird schon wieder." Verschmitzt lächelte der Werwolf. „Wollen wir nächste Woche nach der Arbeit irgendwas gemeinsam unternehmen?" „Wir hatten noch kein richtiges Date seit wir zu Dritt sind."

Das war nur einfacher gesagt als getan. Gleich eine Woche später machte uns eine weltweite Nachricht Probleme. „Wir hätten sie mitnehmen sollen.", murmelte Darwin. Da hatte er womöglich nicht ganz unrecht. Taylor nickte ebenfalls. „Wir müssen wohl wieder fliegen." Aufmunternd klopfte der Vampir Darwin auf die Schulter. Die Bloodfighter stand fertig zum Start vorm Hangar. Der Werwolf warf eben seine Reisetabletten ein. „Neun Stunden, richtig?" Ich nickte und setzte mich auf meinen Platz. Vielleicht sollte ich Tasma Island zu meiner zweiten Heimat erklären. Schließlich ging es heute schon wieder dorthin.

Unter der jungen Gesellschaft war es zum Aufstand gekommen. Laut den Berichten führten Luraz und Tinur die Revolution an. Angeblich ging es den Unruhestiftern nur um die Absetzung der von Steins, aber die Führungskräfte der INV befürchteten einen Bürgerkrieg. Meine Aufgabe bestand darin, eine friedliche Lösung zu finden. Ich hatte großes Vertrauen in meine tasmanischen Freunde. Die INV gewährte mir lediglich einen Tag Zeit den Aufstand friedlich zu beenden. Den ganzen Flug lang machte ich mir Sorgen, versuchte nach einem Masterplan zu finden. Ich war so vertieft, dass ich den Landeanflug verpasste. Darwin gab mir einen Kuss auf die Wange. „Aaron. Wir sind da." Müde rappelte ich mich auf. Eigentlich hatte ich nun wenig Lust auf eine Auseinandersetzung. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit wurden wir in ein abgelegenes Hotel gebracht. „Nun. Ihr seid wohl umsonst gekommen.", erklärte der INV-Beobachter, „Die Sicherheitskräfte der Lords von Stein haben sich ergeben. Fürst Lorenz von Stein hat sich in seinen Gemächern verbarrikadiert. Wenn er die Verzichtserklärung unterzeichnet, wollen die Aufständischen ein Parlament bilden und so eine richtige Regierung bilden." Überrumpelt nickte ich. „Trotzdem möchte ich mit dem Fürsten sprechen sowie mit Luraz." Der Mittelsmann machte sich eilig auf den Weg.

Das Treffen mit meinem tasmanischen Botschafter stellte kein Problem dar. Er war sofort bereit mit mir zu sprechen.

„Sag mir wieso, Luraz.", murmelte ich gequält. Natürlich verstand ich seinen Trieb nach Freiheit. Wäre es nicht besser gewesen, geordnet vorzugehen. Der Vampir sah das vielleicht anders, betrachtete mich dementsprechend ratlos. „Ich möchte dir keine bösen Absichten unterstellen. Aber wie zum Teufel sollen wir den Fürsten aus seinem Schloss rausbekommen?" Luraz' Gesichtsausdruck veränderte sich von verdutzt und lächelnd. „Da seid Ihr falsch informiert, Aaron.", erklärte er, „Lord von Stein hat seine Kapitulation erklärt bevor ich zu Euch stieß." Jetzt war ich verdutzt. „Er mag seine Burg nicht geräumt haben, jedoch hat er bereits aufgegeben. Zu viele seiner engen Vertrauten stehen auf meiner Seite." Ich konnte nur den Kopf schütteln und gleichzeitig beeindruckt sein. „Wie ich sehe hast du die Situation unter Kontrolle." Er nickte zuversichtlich. „Wie geht es deinem Bruder?", wechselte ich das Thema. „Ich hatte noch keine Zeit die Reservate zu besuchen. Es geht ihm sicher gut." Das wollte ich hoffen.

Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now