45

10 0 0
                                    

„Finn verbringt seine Tage neuerdings in der Bibliothek. Dabei ist ihm ein Schlupfloch in der Feste aufgefallen." Darwin erzählte uns von einem steinernen Armband mit dem ein Vampir die Burg ohne Probleme betreten konnte. Er zauberte das Schmuckstück aus einer kleinen verzierten Truhe heraus. „Ich vertraue dir damit einen Schlüssel zur Burg an." Taylor nickte und nahm es ehrfürchtig in die Hände. „Es ist mit Runen besetzt. Laut der Legende hatte ein früherer Burgherr einen Vampir als Gefährtin. Für seine Geliebte wurde einst dieses Armband erschaffen." „Wieso wusstest du davon nichts?" Darwin zuckte mit den Schultern, erzählte uns dafür die ganze Geschichte hinter dem Steinschmuck. Nachdem ein Nachfahre der Gefährtin das Armband nutzte um die Wolfsburg zu überfallen, wurde der Schmuck weggesperrt. Danach entstand die Fehde zwischen dem Vampirclan und dem Werwolfsrudeln. Es war wirklich traurig. Eine Tat von großer Liebe endete in einer Tragödie.

Den Vormittag verbrachten wir faul auf dem Sofa. „Wann ist die Feier?", murmelte der Vampir und drehte seinen neuen Schmuck am Handgelenk hin und her. „Morgen um Mitternacht." Darwin kraulte Taylor hinterm Ohr. Ich lag auf seinem Schoß und genoss ebenfalls Streicheleinheiten. Bis zum Abend gammelten wir auf dem Sofa und ließen uns vom Fernsehprogramm berieseln. Ich schlief schließlich auf den wölfischen Oberschenkeln ein.

Darwin entschuldigte sich am Morgen. Er wollte bei den Vorbereitungen für das Fest helfen. Taylor und ich hatten so genügend Zeit um ein passendes Geschenk zu finden. Wir fuhren ins Olymp, dem Einkaufszentrum. Dort klapperten wir ein Geschäft nach dem anderen ab. Mittags setzten wir uns in eines der Restaurants. „Es gibt fast zweihundert Geschäfte und wir finden nichts. Deprimierend!" Ich konnte Taylor nur zustimmen. „Er mag doch so gern Süßigkeiten. Versuchen wir es doch im Pralinenparadies." Der Vampir stimmte zu. Im Pralinenparadies gab es tatsächlich jede Leckerei. Taylor fand sogar Schokolade extra für Vampire mit kleinen Blutkapseln. Für unseren Werwolf stellten wir einen Geschenkkorb zusammen. Mit viel Schokolade, Jelly Beans und was uns sonst alles noch in die Finger fiel.

Die Uhr in Taylors Auto zeigte 21.40 Uhr als wir vor der Zugbrücke anhielten. Der Vampir betrachtete seinen neuen Armschmuck kritisch. Er traute diesem Ding nicht. „Es wird schon funktionieren." Aufmunternd legte ich meine Hand auf seinen Oberschenkel. Er nickte zuversichtlich und legte den Gang wieder ein. Im Schneckentempo rollten wir durch das Tor. Auf dem Burghof atmete Taylor erleichtert auf. „Glaubst du wirklich Darwin riskierte, dass einem von uns etwas passiert?" Der Vampir grinste mich an. „Seit Samus Ausraster glaube ich nicht mehr alles was in Büchern steht." Das konnte ich sogar gut nachvollziehen. Als wir endlich aussteigen, kam uns bereits Samu entgegen. Im Schlepptau lief hinter ihm Finn mit gesenktem Kopf. Hoffentlich war nicht wieder etwas vorgefallen.

„Hey! Schön, dass ihr da seid.", reif uns der Beta zu und winkte. Taylor winkte zurück und holte den Korb aus dem Kofferraum. „Alles gut mit Finn?", wisperte ich dem Beta zu. „Alles OK. Wieso?" Ich zuckte mit den Schultern. Eigentlich sollte Samu doch auffallen, was für einen niedergeschlagenen Eindruck sein Gefährte machte.

Der Beta führte uns ins Innere der Burg. Neben mir wurde der Vampir unruhiger je weiter wir das Gemäuer betraten. „Taylor. Es kann dir nichts passieren." Ich nahm ihn bei der Hand und strich mit dem Daumen darüber. Samu führte uns zum obersten Verteidigungsring. Dort hockte Darwin auf der Mauer. Neben ihm standen sein Vater und Alan. Wenn das nicht seltsam war. Seit wann ließ Darwin Logan freiwillig auf seine Burg? Doch der heimische Alpha wirkte tiefenentspannt. Eben nahm er ein Dokument entgegen und strahlte über beide Ohren. Als er uns witterte, entschuldigte er sich sofort.

„Was hast du da Schönes?" Taylors Neugier war kaum zu bremsen. Flink nahm er das Dokument an sich. Manchmal fragte ich mich, wie alt er eigentlich war. Doch statt sich zu ärgern, grinste Darwin triumphierend. „Vater erkennt unser Rudel endlich offiziell an." „Und was genau wart ihr bis jetzt?" „Geduldet würde ich es nennen. Vater hat es uns die letzten Jahre nicht einfach gemacht. Egal, was wir angefangen haben, Vaters Rudel hat dauernd versucht uns zum Scheitern zu bringen." Logan stand unweit von uns und konnte sicherlich jedes Wort mithören. Er machte jedoch einen ähnlichen zufriedenen Gesichtsausdruck wie sein Sohn.

Darwin führte uns in den großen Hauptsaal der weißen Feste. Dort feierten die Werwölfe ausgelassen untereinander. Heute spielte das Rudel wohl keine allzu große Rolle. Taylor und ich folgten dem Alpha ein paar Stufen zu einem separaten Tisch mit fünf Stühlen. Hier hatte bereits Samu Platz genommen und hatte seine Artgenossen hervorragend im Blick.

Darwin setzte sich auf den Stuhl in der Mitte. Der prächtigste von allen. Zu seiner linken wies er uns je einen Platz zu. Hoffentlich wurde das hier nicht ein Abend voller Reden. Jedoch stellte ich schnell fest, dass Werwölfe das ein bisschen anders gestalten. Wer seinen Becher hob, konnte einfach drauf los reden. Es war – für mich – ein wildes Durcheinander. Es wurde gelacht und an manchem Ende ein bisschen fremdgeschämt.

„Ich muss an die frische Luft." Taylor nickte und hörte wieder dem Redner zu.

Auf der Wehrmauer zog ein kaltes Lüftchen durch. Es war angenehm, denn in der Halle war die Temperatur dramatisch angestiegen.

„Was machst du hier?" Irritiert drehte ich mich um. Da stand niemand. „Ich brauche nur eine Pause." Eindeutig Samus und Finns Stimmen. Sie kamen von den Treppen zum unteren Ring. „Und da versteckst du dich hier?" „Ich wollte alleine sein." Ich setzte mich an die halbhohe Mauer und wartete. Wenn ich jetzt versuchte meinen Standort zu wechseln, wurde ich sicher entdeckt.

„Haderst du mit dir, ob du dich an mich binden sollst?" Eine kurze Zeit herrschte Stille. „Du möchtest wissen wieso, stimmt's?" Wieder Stille. Vermutlich nickte der Beta. Finn seufzte. „Gut. Aber du musst mir versprechen niemand davon zu erzählen. Nur Logan kennt die ganze Geschichte."


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now