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Nach dem Essen beeilte ich mich. Darwin sollte nicht wissen, was ich vor hatte. Der wollte mich schließlich zum Lernen zwingen. Also musste ich schnell sein. Wenn er wollte, konnte er mich sowieso wittern und so ausfindig machen. Vor Taylors Zimmer blieb ich stehen. Sollte ich es wirklich wagen? Aber hey. Ich bin sein bester Freund. Eigentlich ist es meine Pflicht ihm beizustehen, ihm zu helfen und zu trösten. Entschlossen klopfte ich. Meine feinen Ohren nahm ein leises Geräusch von drinnen wahr. Nochmal klopfte ich. Diesmal stärker. Niemand öffnete.

„Taylor? Komm schon. Ich bin es. Aaron. Darf ich reinkommen?" Ich wartete auf eine Antwort. Wollte er mich ärgern? Ich war hier um ihm zu helfen! Kurzentschlossen drückte ich die Klinke herunter. Es war nicht abgeschlossen, wie ich befürchtet hatte. Jedoch brannte kein Licht. Ich trat ein und tastete nach dem Lichtschalter. Rote LEDs begannen rund um die Deckenkante zu strahlen. Und mit strahlen, meine ich strahlen! Ich hatte nicht gewusst, dass Trevor so fortschrittliche Technologie auf dem Schloss duldete. Auf einen Schlag änderte die Farbe in grelles weiß. Schützend hielt ich die Hand vor meine Augen. Der ganze Raum blendete. „Taylor! Was soll das? Mach diese Dinger aus! Das tut in den Augen weh!" „Wenn das dein einziges Problem ist, gratuliere ich recht herzlich!", knurrte der Vampir wütend. Seine roten Pupillen hoben sich aus dem weißen Schleier deutlich hervor. „Bitte, Taylor. Ich möchte nur mit dir reden." Die Leuchtioden wurden dunkler gestellt. Leise schloss ich die Tür hinter mir und setzte mich neben Taylor aufs Bett. Interessiert deutete ich auf die Deckenbeleuchtung. „Wie bist du auf die Idee gekommen?" „Es war nicht meine. Lewis hatte es gerne romantisch und das war eine gute Option." Eigentlich wollte ich damit ablenken. Ich hatte mir denken können, dass es was mit Lewis zu tun hatte. Ich und meine Fettnäpfchen.

„Sieht cool aus. Mal was anderes." Taylor nickte nur. Er trug eine Sonnenbrille. Damit wollte er wohl seinen Gemütszustand verschleiern. „Wie kommst du mit dem Lernen voran?" Ich zuckte mit den Schultern. „Darwin treibt mich in den Wahnsinn. Wirklich!" Früher hätte er jetzt bloß gelacht. Doch ich spürte deutlich die Anspannung. Seufzend kuschelte ich mich an ihn. „Du vermisst ihn. Das verstehe ich." „Woher sollst du das wissen, hm?!" Wütend erhob sich Taylor und starrte mich durch die dunklen Gläser an. „Taylor, ich..." Er hob die Hand um mich zum Schweigen zu bringen. „Ganz egal was es ist, ich will es nicht hören!" „Aber..." „Besser du gehst jetzt." Der Vampir zeigte auf die Tür. Ich folgte seinem Zeigefinger. Sofort schüttelte ich den Kopf. „Die letzten Wochen habe ich dich in Frieden trauern lassen. Komm aus deinem Schneckenhaus und rede mit mir, Taylor!" Ich stand auf und schüttelte ihn kräftig durch. Doch Taylor riss sich los und wandte mir den Rücken zu. „Ich will nicht reden. Ich möchte allein sein.", wisperte er. Der Schmerz in seiner Stimme erreichte mein Inneres. In der Hölle könnte man Urlaub machen. Ich musste dringend etwas tun.

„Wenn du nicht reden willst, wird es dich zerfressen." Ich umarmte ihn von hinten und hielt ihn an mich gedrückt. Er ließ die Schultern hängen. „Ich kann nicht, Aaron. Hier weiß ich, dass du mir helfen möchtest." Er zeigte auf seinen Kopf. „Aber hier, kann ich einfach nicht." Wir schwiegen uns an. Die Stille wurde erdrückend.

„Willst du mir wenigstens etwas Gesellschaft leisten oder mit mir lernen?", wand ich ein um das Schweigen zu brechen. „Gib mir noch ein wenig Zeit. Darwin macht es sicher großen Spaß Lehrer zu spielen." Ich seufzte theatralisch. „Ich will aber nicht sein Schüler sein. Du hast keine Ahnung wie streng der ist!" Taylor schob seine Sonnenbrille in die Haare und lächelte schmal. Er lächelte! Das war gut. Sehr gut sogar. Mein Lieblingsvampir würde sich erholen. Wir umarmten uns bevor ich auf mein Zimmer zurück zog.

Darwin hockte auf dem Bett, eingekuschelt in einer Decke und blätterte in einem dicken Buch „Warst du bei Taylor?", fragte er ohne aufzusehen. Ich nickte ohne darüber nachzudenken. „Was liest du da?" „Samu hat mir ‚Weisheitsträger' gebracht. Ich denke, ich habe etwas übersehen." „Was meinst du?" „Glaubst du an Bestimmung?" „So eine Frage hast du mir schon einmal gestellt. Ich glaube nicht daran." Ich setzte mich neben ihn und versuchte unauffällig einen Blick ins Buch zu erhaschen. Die letzten Wochen zahlten sich aus. Ich konnte Teile des Textes fast komplett lesen. Ich war wirklich stolz auf mich.

Du suchst nach Lewis-Rolle?" Darwin nickte. „Vielleicht bekommen wir Taylor mit einer rationalen Erklärung wieder in die Spur." Ich lachte kurz auf. „Das nennst du rational? Zu deiner Information. Unserem Vampir geht es bereits besser." Der Werwolf schaute mir tief in die Augen. „Soso. Wieso suche ich dann?" Er klappte den Schinken zu. „Möglich, dass du etwas übersehen hast?" „Denkst du?" Verführerisch blickte er mir in die Augen. „Du planst doch etwas." Ich hielt dem Blick stur stand. „Vielleicht?" Seine Augen hielten mich gefangen, während eine freche Hand über meine Wange streichelte. „Darwin. Was tust du da?" Er lächelte. „Ich verführe dich." „Und du denkst, du kommst damit durch?", lächelte ich süffisant. Der Werwolf nickte. Grinsend schob ich seine Hand zur Seite. Ich drückte ihn ein Stück von mir weg. Dabei verschob sich die Decke und rutschte vom Bett. Darwin war nackt. Nackt!

„Wieso hast du nichts an?" Er betrachtet mich verwirrt. „Ja und? Ich schlafe schließlich in meinem kuschligen Fell." „Dann solltest du rasch deine Gestalt wechseln!" „Gefällt dir etwa nicht, was du siehst?" Ich lief rot an. „Darum geht es nicht! Geh auf deine Decke! Sofort!" Darwin lächelte verschmitzt. „Möchtest du mich nicht als Wärmflasche nutzen?" „Darwin! Keine Diskussion! Auf deine Decke! Jetzt!" Schmunzelnd folgte der Werwolf dem Befehl. Wärmflasche! Von wegen! Es war Sommer!

Beim Frühstücken wurden die Anwesenden überrascht. Taylor war schon vor allen anderen da. Er verdrückte sich auch nicht einfach, sondern blieb sitzen bis sein Vater die erste Mahlzeit des Tages für beendet erklärte. Unaufgefordert folgte er Darwin und mir in die Bibliothek. Vom Kampf zwischen den beiden war kaum noch etwas zu erkennen. Unaufgefordert setzte sich der Vampir neben mich bevor Darwin mit den schweren Büchern zurückkam.

„Was wird das?", erkundigte sich der Werwolf bevor er sorgsam die Bücher ablegte. „Ich will ganz einfach nicht mit Vater lernen." Taylor schnappte sich eines der Bücher und stutzte. „Damit wirst du kaum etwas anfangen können." Geschwind wurde ihm das Buch abgenommen. „Das ist ein Werwolfsbuch.", grinste ich meinen besten Freund an. „Aha. Und ich darf das nicht sehen?" „Darwin ist etwas sensibel, wenn es um dieses spezielle Buch geht.", wisperte ich geheimnisvoll. Taylor grinste zurück. „Ach so. Ja, dann.", zwinkerte er mir zu. Er hatte sichtlich Spaß. Keine Ahnung, was seit gestern anders war, aber es tat ihm gut. „Hier. Such nach der Sage über Aaron." Darwin reichte dem Vampir einen anderen Wälzer. „Wieso soll er nach mir suchen?" „Damit ihr beide besser lesen lernt und die Texte auch versteht.", entgegnete Darwin ehe er sich im Buch vertiefte.


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now