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Ich wartete auf den Schmerz. Doch er bleib aus. Stattdessen traf mich ein schwerer Körper. Ein graubrauner Wolf lag auf mir. Eine breite Fleischwunde zeichnete sich durch sein schönes Fell. Langsam tropfte Blut aus dem roten Schlitz. Daraus wurde ein stetiger Fluss. Perplex hockte ich dort. Ich schaute nach oben. Der feindliche Werwolf hatte seinen Kopf verloren und klappte in sich zusammen. Samu fiel vor mir auf die Knie. Neben ihm lag ein blutiger Dolch. Er streichelte durch das Fell. „Das ist Finn, stimmt's?", fragte ich leise. Der Beta nickte. Um uns herum wurden es mehr und mehr heimische Werwölfe. Logans Rudel musste eingetroffen sein. Während die beiden Rudel die Feinde in die Enge trieben, versuchten Samu und ich die Blutung vergeblich zu stoppen. Es dauerte ewig bis Darron neben uns auftauchte. Mir wurde auf die Schulter getippt. Alan stand dort. Stumm deutete er an ihm zu folgen. „Darwin hat es geschafft den Vampir in die Kerker zu locken.", berichtete er.

Der Alpha hatte den Eindringling in eine Siegelkammer einsperren können, in der nicht einmal das Armband helfen konnte. „Bitte bring Finn hier weg." Logans Beta nickte auf meine Bitte hin und blieb bei den Brüdern und Samu.

Ich lief die Treppe entlang. Kurz vor den Kerkern begegnete ich Demian. Er hielt hier Wache. „Ich darf dich nicht durchlassen." Das war mir ziemlich egal. Ich roch den Alpha. „Darwin will bestimmt einen aktuellen Bericht." „Den hat er bereits von Samu erhalten." Mist. Der Wolfslink. Aus dem Schatten trat der gesuchte Wolf hervor. „Ich weiß bereits, dass es viele Verletzte gibt." Er war schlecht gelaunt. Das konnte ich gut nachvollziehen.

„Was ist los? Das ist doch nicht alles." „Die INV mischt sich ein. Sie wollen unseren Gefangenen gegen Taylor austauschen. Nur wissen sie nicht, wo die Feinde sich verstecken. Sie machen daraus ein internationales Drama." „Wen habt ihr erwischt?" „Rate mal. Unseren eingebildeten Horrorprinzen von Tasma Island persönlich." Natürlich. Wer sollte es auch sonst sein. Konnte der Kerl nicht einfach mal Ruhe geben?

„Wo ist er?" Darwin deutete hinter sich. „In einer speziellen Zelle. Da kommt er nicht mehr raus." „Das Armband. Was ist damit?" „Es ist noch an seinem Arm. Aber nicht mehr lange." Der Alpha stieg die Treppe nach oben und zog mich mit sich. Er führte mich in die Bibliothek. Auf einem Tisch lag ein offenes Buch. „Das sollte uns weiterhelfen." Mein Werwolf blätterte darin herum. Ich laß stellenweise mit. Es ging um Taylors Schmuckstück. Das ganze Buch befasste sich damit. Irre, was man alles damit anstellen konnte.

„Kann man Diamaratstein mit einem Spruch oder Ähnliches belegen?" Darwin nickte. „Finn hat das neulich entdeckt. Es überträgt sich immer nur auf den jeweiligen Träger und nicht auf alle, die damit in Kontakt gekommen sind." „Also passiert Taylor nichts, sondern nur dem Spinner im Kerker." Wieder nickte der Wolf.

Eine halbe Ewigkeit durchsuchte er die alten Seiten. Dann endlich fanden wir ein Kapitel über Notlösungen. Darunter ein besondere Art Fluch. Dieser konnte das Armband zum Glühen bringen. Es sollte wie eine ätzende Säure funktionieren. Der Träger hatte nur einen Zeitraum von maximal drei Minuten um den Schlüssel zur Burg abzulegen. Sonst brannte sich der besondere Stein durch Fleisch und Knochen. „Das ist..." „Bestialisch. Aber es sollte funktionieren.", entgegnete Darwin locker, „Dann ist er unter Umständen bereit uns zu sagen, wo Taylor gefangen gehalten wird. Die Tasmanier stehen doch auf solche Spielchen." Naja. Damit meinte Darwin sicherlich nur die Black Union. Der Alpha schnappte sich das Buch und fetzte in den Keller der Burg. Ich folgte ihm unaufgefordert. Ich musste Darwin irgendwie davon abhalten den Fürstensohn in seiner Rachsucht ausversehen zu töten.

Die Zelle war komisch. Es gab keine Tür. Nur einen Steinbogen mit unendlich vielen Runen. Es blitzte kurz als ich durchgehen wollte. „Blieb bitte dort. Der Bogen nimmt deine Vampirgene wahr. Die Runen sind präziser als die Wehrmauer." Ich gehorchte. Problemlos konnte ich in den Raum sehen und den Alpha notfalls irgendwie aufhalten. Darwin sagte ein paar Worte im alten Wolfsdialekt.

Sofort krümmte sich der Vampir um seine Hand. Gleichzeitig verfluchte er den Burgherren auf tasmanisch. Er tat mir irgendwie leid. Aber warum hatte er auch Taylors Schmuck gestohlen und ihn gleich dazu! Selbst schuld. Ich seufzte. Er tat mir trotzdem leid.

„Willst du ihm nicht sagen, wie er das Ding los wird?", drängte ich Darwin zum Handeln. „Wenn du mich anpackst, breche ich dir dein Genick!", drohte der Werwolf als er sich vor den Vampir setzte. Er legte ein Tuch auf den Diamaratstein. Dann machte er an dem Armband herum. Es klickte. Der Vampir floh sofort ins hinterste Eck der Zelle. Wimmernd hielt er seine Hand fest an sich gedrückt.

„Wo ist Taylor?" Die Stimme des Wolfes klang kühl und distanziert. Er wollte sich seine Wut nicht anmerken lassen. „Sag, wo unsere Fledermaus ist oder ich lege dir das Ding wieder an!" Lothar von Stein presste seine Lippen aufeinander. Darwin machte einen Schritt auf ihn zu. Der Vampir versuchte sich noch kleiner zu machen. Ungeduldig schnappte sich Darwin den verletzten Arm. „Nein! Warte!" Der Alpha hielt tatsächlich inne. „Ich schlage dir einen Deal vor!" „Deine Deals interessieren mich nicht. Wo. Ist. Taylor!" „Ihr könnt ihn gegen mich austauschen!" Der Wolf knurrte ihn böse an. Darwin war kurz davor den Gefangenen in Stücke zu reißen. Ich wollte schon eingreifen, doch in diesem Moment kam jemand die Treppe heruntergeeilt. Ich roch Logan und ein paar Fremde. Interessehalber drehte ich meinen Kopf. Der Alpha wurde von INV-Soldaten begleitete. Logan winkte seinen Sohn zu sich. Widerstandslos gehorchte der junge Alpha. „Die Black Union haben sich im Tal vor der Burg versammelt.", berichtete Logan im Flüsterton, „Sie sind bereit Taylor gegen ihren Fürsten auszutauschen." „Fürsten?" „So haben sie ihn betitelt.", erklärte einer der Soldaten. „Der Fürst ist doch eigentlich sein Vater." Die Wölfe schauten sich nachdenklich an. „Um das Tal herum ist die INV-Armee verteilt. Selbst wenn sie versuchen zu entkommen, werden wir die Black Union aufhalten und festnehmen." Der Soldat schien seiner Sache sehr überzeugt. „Wir haben nur einen Versuch." Ich wollte zumindest, dass Darwin nochmal darüber nachdachte. „Das ist mir bewusst, Schatz. Ich habe dir versprochen Taylor zurückzubringen und ich halte meine Versprechen." Der Wolf ging zurück in die Zelle. Er zerrte den wimmernden Vampir heraus. „Wollt ihr mich umbringen? Diese verfluchte Burg wird merken, dass ich kein Köter bin!" Für diese unnötige Beleidigung verpasste Darwin seinem Gefangenen eine schallende Ohrfeige. Stumm knotete er ein besticktes Tuch über die Verletzung. „Überleg mal. Wir wollen unsere Fledermaus leben und ohne Kratzer zurück. Da werden wir dir auch kein weiteres Haar krümmen können. Leider." Ich musste mir wirklich das Lachen verkneifen. Darwin redete mit ihm wie mit einem Kind, dass man ausgeschimpft hatte. Dachte dieser überhebliche Vampir wirklich, dass Darwin keine Ahnung von den Fähigkeiten seiner eigenen Burg hatte?

Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now