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Mehrere Wochen recherchierten wir zu dritt die halbe Bibliothek durch. Ich musste zugeben, dass es mir bereits leicht fiel die Symbole zu lesen. Trevors Seeker hatten die Suche nach einer Alternative beendet. Knapp konnte Darwin sich seinen Kommentar verbeißen, dass er längst einen Verwechslung ausschließen konnte.

Mittlerweile war mir der eigensinnige Wolf wieder sehr ans Herz gewachsen. Taylor war das ein richtiger Dorn im Auge. Der Vampir versuchte seinen psychischen Zustand zu verstecken, vielleicht verdrängte er es sogar. Anscheinend war es auch Darwins und meine Schuld, dass Taylor noch unter Lewis' Verlust litt. Schließlich klebte der Werwolf praktisch an mir und nahm kaum Rücksicht auf die Fledermaus. Während Darwin und ich abends manchmal kuschelten, verkroch sich Taylor auf sein Zimmer. Oft hörte man ihn nachts weinen. Trotzdem ließ er sich kaum helfen.

„Fassen wir zusammen. Was haben wir?", riss mich Darwin aus den Gedanken. Er stand vor dem Whiteboard, dass uns sein Beta gebracht hatte. „Über Aaron gesagt..." „Hey!", unterbrach ich Taylor sofort, „Sag nicht ‚über Aaron'!" Er seufzte genervt. „Über den Erwählten wissen wir, dass er Verständnis und ein Auge für Besonderheiten aller Arten hat. Dazu ist er ein Hybrid und einzigartig in seinem Bestehen.", fasste der Vampir zusammen. Darwin nickte zustimmend. „Da gibt es noch die Beschützer oder Wahrer.", lächelte ich schadenfroh, „Sie gehören unterschiedlichen Spezies an und zu den Nachfahren der Ersten." Verschwörerisch betrachtete ich meine Freunde. „Und hier steht: Zwei Feinde, die einst Freunde waren." Taylor lächelte mir frech entgegen. „Im Gegensatz zu dir haben wir kein Problem mit unserem Schicksal. Nicht wahr, Darwin?" Der Werwolf nickte kurz und schreib etwas aufs Whiteboard. „In einer der Randnotizen steht wörtlich geschrieben ‚Sie werden kommen ihn zu holen'." „Wer?" Der Wolf seufzte frustriert. „Das weiß ich nicht, Taylor. Aber wenn es erwähnt wird, ist es bestimmt keine einmalige Aktion." Die Laune des Vampirs fiel sofort. Ich legte meinen Arm um seine Schulter.

„Jedenfalls soll es eine Prüfung geben, die nur mit einem klaren Gedanken gelöst werden kann.", sagte Darwin und schrieb weiter. „Hast du das Rätsel gefunden?" Der Vampir klang traurig. Dennoch versuchte er beim Thema zu bleiben. Darwin blätterte in ein paar Büchern herum. „Naja. Ich suche noch. Bis jetzt weiß ich es leider nicht. Es steht einfach nirgends." Frustriert klappte er die schweren Wälzer zu. „Vielleicht sollten wir kurz frische Luft schnappen und dann weitermachen." Es klopfte. Tristan trat in die Bibliothek ein. „Vater möchte ein Update über eure Recherchen."

Nachdem wir dem Oberhaupt des Vampirclans einen kurzen Besuch abstatteten, war dieser sehr zufrieden. „Wir können somit absolut sicher sein, dass Aaron der Erwählte ist", fasste Trevor zusammen, „Ich gratuliere, Taylor. Deine neue Aufgabe wird dir guttun. Darwin, dir auch alles Gute." Der Werwolf nickte kurz. „So. Aaron. Nun zu dir." Erwartend wurde ich angestarrt. „Nimmst du dein Schicksal an?" Ich seufzte. Nach allen Beweisen, sollte ich da nein sagen? Schließlich nickte ich. Hatte ich eine Wahl? Ich denke nicht. Meine beiden Freunde lächelten sich kurz stolz an. „Ich werde um eine Konferenz bitten. Tristan. Schicke sogleich die Boten los." Taylors kleiner Bruder nickte und eilte los. Als wir das Büro verließen, hatten die beiden noch dieses blöde Grinsen im Gesicht. „Gehen wir jetzt an die frische Luft? Bitte!"

Die Zeit bis zur Versammlung verging rasch. Ich war davon ausgegangen, dass hier ebenfalls der Fortschritt eingezogen wäre. Falsch gedacht. Jeder, der übernatürlichen Welt, war in unser verschlafenes Städtchen gekommen. Selbst ein paar Menschen mit Rang und Namen reisten an. Trevor hatte mich dazu verdammt viele Hände zu schütteln. Dabei kannte ich kaum einen ihrer Besitzer.

Nach gefühlt tausend Gästen zog mich Taylor zur Seite. „Ich habe die Gästeliste heimlich kopiert. Es sich knapp 1.500 Gäste. Darwin und ich haben alles so gut es ging mit Notizen versehen." Dankbar nickte ich und blätterte den Stoß durch. „Die Spezies sind mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet?" Der Vampir nickte. Die Portraits würden mir eine gute Stütze sein. Am Abend fanden sich die letzten Gäste ein. Aus Platz- und Sicherheitsgründe übernachteten wir drei bei meinen Eltern. Trevor und Logan teilten die Ansicht, welche von Menschen die geringste Gefahr für meine Persönlichkeit ausging. Die Vampire waren der Meinung, dass sich ein Einfamilienhaus einfacher zu sichern sein. Ich muss nicht erwähnen, wie sehr mir das gegen den Strich geht, nicht mal gefragt zu werden? Gut!

Darwin lächelte mich seit ungefähr fünf Minuten an. Ohne etwas zu sagen. Taylor dagegen versuchte mich von der Wichtigkeit zu überzeugen, die Gästeliste auswendig zu lernen. Eigentlich hörte ich dem Vampir nicht zu. Das wiederrum wusste der Werwolf genau und nutzte es für sich. Ich konnte also nichts tun außer ihn starren zu lassen.

Plötzlich landete eine schwere Mappe auf meinem Schoß. „Du lernst jetzt!", schimpfte Taylor und deutete auf die Gästeliste. „Du kannst mit den Menschen anfangen. Bei den Werwölfen helfe ich dir aus und bei den Vampiren kann Taylor das übernehmen." Taylor seufzte. „So ungern ich Darwin recht geben. Lern die Menschennamen auswendig. Wir machen den Rest." „Ok, ok. Ich fange gleich an. Aber ich verlasse mich darauf, dass ihr beide die anderen Gäste kennt." Die beiden stimmten nickend zu. Jeder nahm seinen Stoß und verschwand in seine Ecke zum Lernen.

Irgendwann musste ich über den Unterlagen eingeschlafen sein. Gegen Mittag wurde ich geweckt. Ich spürte weiche Lippen auf meinen bevor ich die Augen öffnete. Doch im Zimmer war niemand zu sehen. Selbst meine feine Nase konnte niemand wittern. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. War das Einbildung oder Ausläufer eines Traumes gewesen? Kopfschüttelnd ging ich die Treppe runter. Im Wohnzimmer hockten Darwin und Taylor zusammen und gingen den Sicherheitsplan für die Konferenz durch.


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now