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Entschlossen klappte ich das Lexikon zu. Wie hypnotisiert folgte ich dem Ruf meines Bettes.

Gegen Mittag wurde ich aus meinem traumlosen, dafür sehr erholsamen Schlaf geweckt. „Morgen.", nuschelte ich dem Werwolf entgegen. Darwin grinste nur, hob mich hoch und trug mich ins Wohnzimmer. Nur in Boxershorts bekleidet hockte ich auf dem Sofa. Von Taylor bekam ich einen Teller mit Pancakes gereicht. Hatte ich etwas verpasst? Die beiden waren so anders. Verändert. Zum Positiven verändert.

Nach dem Frühstück oder eher Mittagessen liefen wir durch die Innenstadt am Rosis vorbei in das breite Waldstück. In einer Biegung des Flusses Thorm hatte sich eine bunte Mischung aus Menschen, Werwölfen und Vampiren versammelt. Farbige Girlanden hingen zwischen den Bäumen. Ein paar Bierbänke standen auf der Wiese. Dort hockten ein paar Leute und unterhielten sich. Andere tollten im seichten Wasser herum. Samu und Alan kämpften gerade mit einem Spruchtuch, welches von einem Baum zum anderen hängen sollte. Gerade als der ältere Beta des Seil festzurrte, verlor der Jüngere den Halt und stürzte vom Baum. Samu konnte sich noch rechtzeitig abfangen. Doch das andere Seilende landete ebenfalls auf dem Boden.

„Verdammt, Samu! Was kannst du überhaupt?", fauchte Alan gereizt. Logans Beta sprang von den Wipfeln herunter und baute sich vor dem Jüngeren auf. In diesem Moment wurde Darwin schnell. Schützend stellte er sich vor seinen Beta und wurde dafür böse angeknurrt. „Das ist mein Rudel. Du hast ihm nichts zu sagen." Darwin sprach sachlich und im normalen Ton. Ein Blick in die Augen des Zweitranigen seines Vaters reichte aus um ihn zum Rückzug zu bewegen.

In der Zwischenzeit waren zwei andere in die Wipfel geklettert um das Spruchtuch zu befestigen. Es war echt süße. „Alles Gute zum einjährigen Jubiläum, Aaron.", stand drauf. Mir wurde hundertfach die Hand geschüttelt und gratuliert.

Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, tauchten Logan und Trevor schließlich auf. Es wunderte mich sehr, dass sie sich hier blicken ließen. Es war immerhin eine Party, ausgerichtet auf die jüngere Generation. Die beiden ließen sich jedoch kaum etwas anmerken. Sogar die mehrstöckige Torte wurde probiert. Selbst von Trevor, der sonst nichts Festes zu sich nahm. „Ei, ei. Die schmeckt unserem Vampiroberhaupt wohl nicht.", scherzte Darwin und mampfte sein Stück auf. „Zu wenig Blut drin.", bestätigte Taylor grinsend. Mja. Da versteh einer die beiden. „Schmeckt es dir?", murmelte ich. Mein bester Freund nickte. „Für Menschenessen ganz OK." Vor uns ging die Party in vollen Zügen weiter. Doch zwischen uns wehte ein kaltes Lüftchen. Ich konnte mir bereits denken wieso.

„Ich weiß. Ich habe euch in letzter Zeit sehr vernachlässige und es tut mir wirklich leid." Als ich diese Worte leise vor mich hinmurmelte, blieb mein Blick ins Gras geheftet. Neben mir hörte ich ein leises Lachen. Es gehörte dem Wolf, der rechts neben mir an der breiten Eiche lehnte. „Vernachlässigt ist das falsche Wort, Aaron." „Ignoriert trifft es viel mehr.", ergänzte Taylor. „Das ist nicht wahr!" Protestierend hob ich meinen Kopf. „Ach. Und wie nennst du es dann?", entgegnete der Vampir zu meiner Linken, „Du verkriechst dich selbst am Wochenende im Büro, Aaron! Wenn wir dich nerven, dann sag uns das bitte." Der Wolf nickte zustimmend. „Wir können nicht ganz verschwinden. Wir sind und fühlen uns verpflichtet auf dich aufzupassen. Aber Taylor hat recht. Wenn dich etwas bedrückt, dann rede mit uns." Ich nickte kleinlaut. Darwins Blick durchbohrte mich praktisch. „Möchtest du reden?" Sofort schüttelte ich den Kopf. Taylor seufzte und zog mich in seine Arme. „Mach es dir nicht so schwer. Du kannst über alles mit uns reden. Das weißt du doch." Wieder nickte ich, obwohl ich lieber den Kopf geschüttelt hätte. Seit Wochen drückte ich mich vor diesem Gespräch. Immerhin hatte ich es zu einem Ergebnis geschafft. Entweder beide oder keiner. Davon war ich felsenfest überzeugt.

„Ich weiß nicht, ob ich darüber reden kann." Meine Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. „Gib uns wenigstens einen Hinweis.", bettelte der Werwolf, „Ist es wegen der Arbeit oder einer von uns?" „Versteh doch, Aaron. Wir könne nur vermuten nicht in dich reinsehen.", ergänzte Taylor, „Darwin kann zwar deine Gefühle wittern, aber nicht die Gründe dafür." Wie mich das Sätze vervollständigen nervte. Hatten sie das vorher heimlich einstudiert? „Ihr beide.", antwortete ich mit fester Stimme. Mal sehen, wie sie reagierten. Beide schauten in unterschiedlichen Richtungen. Nur einfach weg von mir. Das fand ich beeindruckend. Ich hatte darauf gepokert, dass sie sich gegenseitig die Schuld zuwiesen. Doch es passierte nichts.

„Entschuldigt. Das stimmt nicht. Ich habe gelogen um euere Reaktion zu testen.", gab ich offen zu. Sofort hatte ich ihre volle, ungeteilte Aufmerksamkeit zurück. „Wenn nicht wir. Dann also die Arbeit.", folgerte Darwin. „Wird es dir zu viel? Können wir dir etwa abnehmen?", fragte der Vampir. Schon wieder. Diese Vervollständigungen!

„Wieso?", fragte ich gereizt, „Wieso vervollständigt ihr euere Sätze neuerdings?" Der Wolf lachte. „Nervt dich das?" „Ja, verdammt!" „Wenn das das einzige Problem ist..." „Ist es nicht.", unterbrach ich Taylor. Er seufzte frustriert. „Aber was dann?" „Ich! Ich bin das Problem." Meine Begleiter starrten mich fassungslos an. „Wieso du?" „Erinnerst du dich als ihr mich aus dem Bluttempel befreit habt, Darwin?" Der Wolf nickte. „Wir wissen alle drei was auf dem Nachhauseweg passiert ist." „Ihr habt euch geküsst, na und?" Taylor versuchte gleichgültig zu wirken, jedoch war deutlich zu hören wie schmerzhaft die Erinnerung für ihn ist. „Es ist deine Sache, wen du küsst.", schob der Vampir eilig nach. Er musste mir meinen Gedanken angesehen haben. Der Werwolf nickte zustimmend. „Darum geht es nicht! Ich fühle mich total scheiße deswegen! Deswegen meide ich euch beide. Deswegen kann ich keinem von euch mehr in die Augen sehen." Darwin legte seine Hand unter mein Kinn und schaute mich verletzt an. „Verstehe mich bitte nicht falsch. Ich bereue nicht, dich geküsst zu haben. Es ist... kompliziert." „Was ist daran kompliziert?", erwiderte der Alpha. „Weil..." Seufzend brach ich ab und versuchte meine Gedanken zu sortierten. „Ich habe mich verliebt.", sagte ich frei heraus, „So. Jetzt ist es raus!" Mein Blick wanderte zurück ins Gras. „Magst du uns verraten in wen?", wisperte Taylor verletzt. Ich lachte ohne Freund auf. „Das ist es ja. Es gibt keinen einen. Es gibt zwei und ich weiß, dass es zu dritt kaum funktionieren kann." „Hä? Wie meinst du das?" Darwin schaute mir bei dieser Frage tief in die Augen.


Das Leben zwischen den StühlenWhere stories live. Discover now